Aktenzeichen M 16 S 16.31358
Leitsatz
Eine konkrete Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG ist dann erheblich, wenn im Zielstaat der Abschiebung eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist, wovon bei einer wesentlichen oder gar lebensbedrohenden Verschlechterung des Gesundheitszustands des Betroffenen ausgegangen werden muss. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. (red. LS Clemens Kurzidem)
Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG dient nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern; er begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und dem Behandlungsstandard in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. VG Arnsberg BeckRS 2016, 45867). (red. LS Clemens Kurzidem)
Auch wenn davon auszugehen ist, dass die medizinische Versorgung in Albanien grundsätzlich gesichert ist, ergibt sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln, dass Ausstattung und Hygiene der staatlichen Polikliniken erhebliche Mängel aufweisen. Mangelnde Hygiene und defizitäre Ausstattung selbst in der Universitätsklinik von Tirana beinhalten ein hohes Risiko, bei bestimmten medizinischen Behandlungen (hier: Auswechseln von Kathetern im Bereich der Harnleiter) an Infektionskrankheiten zu erkranken. (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die in dem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14. April 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihre Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind.
Der Antragsteller zu 1), seine Ehefrau, die Antragstellerin zu 2), sowie ihre Kinder, die Antragstellerinnen zu 3) und 4), sind albanische Staatsangehörige. Sie reisten nach eigenen Angaben erstmals am 29. März 2015 in das Bundesgebiet ein und stellten am 17. Juni 2015 bei dem Bundesamt Asylanträge.
Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt gemäß § 25 AsylG am 17. Juni 2015 gab der Antragsteller zu 1) im Wesentlichen an, er sei mit seiner Familie vor ca. 4 bis 5 Monaten zu einem Grundstück zurückgekehrt, das ihm gehöre. Sie hätten dort wohnen wollen. Die Nachbarn hätten sie jedoch mit Gewalt vertrieben. Sie seien der Ansicht, das Grundstück gehöre ihnen. Der Antragsteller zu 1) sei zu Gericht gezogen, bis jetzt gebe es noch kein Urteil. Sie könnten aber den Prozess nicht gewinnen, weil sie nicht so viel Geld hätten, um die Anwälte und Schmiergeld zu bezahlen. Es sei ihnen von den Nachbarn gedroht worden, erschossen zu werden. Er sei auch wegen der Mordandrohung vor Gericht gezogen. Das Verfahren laufe seit 1996. Das letzte Mal sei er vor 4 bis 5 Monaten telefonisch bedroht worden. Die Antragstellerin zu 2) sei persönlich bedroht worden. Sein Vater und sein Onkel seien auch telefonisch bedroht worden. Zu Anfang habe die Polizei etwas unternommen. Sie hätten aber jetzt gesagt, das Grundstück gehöre den anderen. Die ehemaligen Nachbarn würden bei der Polizei jemanden kennen, deswegen sei die Polizei parteiisch. Er dürfe sich nur an die lokal zuständige Polizei wenden. Als sie an den vorherigen Wohnort zurückgekehrt seien, sei die wirtschaftliche Lage nicht gut gewesen, er habe schlecht verdient. Deshalb seien sie ausgereist. Er habe auch Schulden. Die Antragstellerin zu 2) gab im Wesentlichen an, die Kinder hätten auch gesundheitliche Probleme. Das Gesundheitssystem in Albanien sei sehr schlecht. Die Kinder hätten Probleme mit den Augen. In Albanien sei ihr gesagt worden, sie müssten warten bis sie drei Jahre alt wären, damit sie eine Brille bekämen. Die wirtschaftliche Situation in Albanien sei sehr schlecht. Hauptsächlich sei sie wegen der Kinder ausgereist. Sie hätten Probleme mit den Augen und mit den Knochen im Hüftbereich. Sie seien in Albanien untersucht worden. Die Hüftgelenke seien ausgekugelt gewesen. Die Ärzte hätten gesagt, dass man mit der Behandlung abwarten müsse, bis die Kinder anfingen zu laufen. Die Problematik des Antragstellers zu 1) sei schon entstanden, bevor sie geheiratet hätten. Dies sei am 2. Oktober 2012 gewesen. Die Antragstellerin zu 2) sei nicht bedroht worden. Sie wisse, dass es Probleme wegen dieses Grundstücks gebe. Genaueres wisse sie aber nicht. Sie habe den Vorschlag für die Ausreise gemacht.
Mit Bescheid vom 14. April 2016, zugestellt am 8. Juni 2016, lehnte das Bundesamt sowohl die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte (Nr. 2 des Bescheids) als auch die Anträge auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab. Ebenso wurden die Anträge auf Zuerkennung subsidiären Schutzes abgelehnt (Nr. 3 des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Nr. 4 des Bescheids). Die Antragsteller wurden zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Nr. 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6 des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Nr. 7 des Bescheids).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsteller stammten aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG. Sie hätten nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in ihrem Herkunftsstaat in ihrem Falle die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Aus dem Sachvortrag der Antragsteller sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrelevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Die nationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich ausreichenden Schutz vor Schäden, die von nichtstaatlichen Akteuren drohen könnten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragsteller eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Es drohe den Antragstellern auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Aus den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen sei nicht erkennbar, dass die Behandlung der Augen der beiden Kinder nur in Deutschland erfolgen könnte. In Albanien befinde sich die Salus-Klinik, die eine eigene Augenabteilung betreibe. Dort sei man auf Augenschielen/Strabismus spezialisiert. Daher sei davon auszugehen, dass eine erfolgreiche Behandlung in Albanien möglich sei. Die Angaben zu den Knochen und dem Hüftbereich der Kinder seien weder näher erläutert noch fachärztlich nachgewiesen worden. Der Antragstellerin zu 2) sei durch die Kreisklinik M… ein guter Allgemeinzustand attestiert worden. Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller am 10. Juni 2016 zur Niederschrift Klage mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamts vom 14. April 2016 in Ziffer 1 und in den Ziffern 3 bis 5 aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen. Zudem beantragten sie,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung gaben sie an, die Töchter seien in ständiger medizinischer Behandlung bei einem Augenspezialisten. Die Antragstellerin zu 2) habe bereits einen OP-Termin und warte nur auf die Zusage vom Sozialamt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.31357 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
Der Antrag ist auch begründet, da ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach – dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden – § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Im Hinblick auf die aktuelle Erkrankung der Antragstellerin zu 2) und eines damit möglicherweise vorliegenden zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidung. Es sprechen erhebliche Gründe dafür, dass die angefochtene Maßnahme jedenfalls in dem für diese Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710/94 – juris). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 8). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. VG Arnsberg, B.v. 23.2.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 64 m. w. N.). Mit der ab dem 17. März 2016 geltenden gesetzlichen Regelung hat auch der Gesetzgeber klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
Unter Berücksichtigung der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Stellungnahme bestehen derzeit hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin zu 2) im Falle einer Rückkehr nach Albanien eine derartige erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohen könnte. Die Erfolgsaussichten der Klage sind daher diesbezüglich zumindest als offen anzusehen. Eine weitere Aufklärung und Prüfung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Nach dem Bericht des Klinikums I… vom 18. Mai 2016 befand sich die Antragstellerin zu 2) dort zu einem stationären Aufenthalt in der Zeit vom 3. bis zum 6. Mai 2016. Der Bericht nennt als Diagnosen „Symptomatische Ureterabgangsstenose rechts“, „Rezidivierende Flankenschmerzen rechts“ und „partielle Obstruktion der rechten Niere“. Als Therapien werden genannt „Adaptierte Schmerzinfusionstherapie“, „Abdomen lowdose nativ CT am 03.05.2016“, „Nierenfunktionsszintigraphie am 04.05.2016“ und „Zytoskopie, retrograde Darstellung rechts mit JJ-Harnleiterkatheter-Einlage rechts am 04.05.2016“. Als Therapieempfehlung wird genannt: „Fachurologische Anbindung und Nachsorge mit regelmäßigen JJ-Harnleiterkatheter-Wechsel rechts spätestens alle drei Monate. Über die Einlage und konsekutiv notwendige Entfernung des JJ-Harnleiterkatheters (innerhalb von drei Monaten) wurde im Entlassungsgespräch aufgeklärt. Ein entsprechender Patientenpass wurde ausgehändigt. Im Verlauf ist eine Nierenbeckenabgangsplastik rechts mittel daVinci empfohlen, dafür muss allerdings vorab die Kostenübernahme geklärt werden“.
Auch wenn davon auszugehen ist, dass die medizinische Versorgung in Albanien grundsätzlich gesichert ist, findet sich auch in den aktuellen Erkenntnismitteln nach wie vor die Aussage, dass Ausstattung und Hygiene der staatlichen Polikliniken erheblich zu wünschen übrig lassen (so der aktuelle Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien, Stand: Mai 2015, unter IV. 1.2, S. 13). Wie aus einer älteren Auskunft des Auswärtigen Amts vom 2. Dezember 1997 (Az.: 514-516.80/6 ALB, abrufbar unter juris) hervorgeht, war das regelmäßige Auswechseln von Kathetern im Bereich Harnleiter selbst an der Uniklinik Tirana mangels technischer und medizinischer Ausrüstung nicht möglich und die hygienischen Zustände wurden als völlig unzureichend beschrieben, so dass bei dem geschilderten Krankheitsbild die Gefahr von Infektionskrankheiten als sehr groß eingestuft wurde. Aktuellere Erkenntnisse zum Auswechseln von Kathetern liegen dem Gericht nicht vor, so dass angesichts der nach wie vor als mangelhaft beschriebenen hygienischen Zustände an den Kliniken nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, dass mittlerweile ein hygienisch unbedenkliches Auswechseln von Kathetern gewährleistet ist.
Dem Antrag war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).