Aktenzeichen W 8 E 17.33482
Leitsatz
1 Wird die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 AsylG abgelehnt, stellt sich dies nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG BeckRS 2016, 111567). Vorläufiger Rechtsschutz ist in diesem Fall über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu erlangen. (Rn. 8 – 9) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Gemäß § 31 Abs. 3 S. 1 AsylG muss das Bundesamt bei einer Entscheidung über unzulässige Asylanträge feststellen, ob nationale Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG beim Betroffen vorliegen. Insoweit ist vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 VwGO zu gewähren und dem Bundesamt ggf. aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vollzogen werden darf; allein auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 S. 2 AsylG kann insoweit nicht abgestellt werden (vgl. VG München BeckRS 2017, 116939). (Rn. 10) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Das Erfordernis, die Dreimonatsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG einzuhalten, gilt auch für sich prozesshaft entwickelnde Dauersachverhalte sowie für Wiederaufgreifensgründe, die während des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens entstehen. Bei der Religionskonversion ist für den Fristbeginn maßgeblich auf die Taufe als der nach außen erkennbaren Manifestation der Konversion abzustellen. (Rn. 15) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Das Erfordernis der Einhaltung der Dreimonatsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG im Asylfolgeverfahren ist nicht europarechtswidrig; es widerspricht insbesondere nicht Art. 42 der Neufassung der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 19. Juli 2015. (Rn. 16) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Aktuell besteht im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen (wie BayVGH BeckRS 2015, 56145). (Rn. 23) (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass der Antragsteller vorläufig bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben werden darf.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger christlichen Glaubens. Ein erster Asylantrag wurde unanfechtbar abgelehnt (vgl. W 6 K 11.30263).
Am 31. Juli 2015 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, er sei zum Christentum konvertiert. Er sei in Deutschland am 30. Juni 2013 in der Baptistengemeinde A* … getauft worden.
Mit Bescheid vom 27. September 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1). Weiter lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 26. Juli 2011 (Az.: …*) bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Nr. 2). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien nicht erfüllt. Der Antragsteller habe vorliegend die Dreimonatsfrist für die Folgeantragstellung nicht eingehalten und erheblich überschritten. Der Antragsteller sei bereits am 30. Juni 2013 getauft worden. Seinen Folgeantrag habe er am 31. Juli 2015 gestellt. Dem anwaltlich vertretenen Antragsteller sei auch eine rechtzeitige Antragstellung zumutbar gewesen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG lägen nicht vor. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft darlegen können, den neu angenommenen christlichen Glauben aus einer wirklichen inneren Überzeugung heraus angenommen zu haben. Der Antragsteller habe nicht darzulegen vermocht, dass seine Lebensführung dauerhaft und nachhaltig durch den christlichen Glauben geprägt sei und bei einer Rückkehr in den Iran geprägt sein würde. Der Antragsteller praktiziere den christlichen Glauben bereits in Deutschland faktisch gar nicht.
Am 5. Oktober 2017 ließ der Antragsteller im Verfahren W 8 K 17.33481 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und gleichzeitig im vorliegenden Verfahren beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es vorläufig zu unterlassen, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde eine Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vorzunehmen oder eine bereits erfolgte Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG gegenüber der Ausländerbehörde vorläufig zu widerrufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens W 8 K 17.33481) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der auslegungsbedürftige Antrag (vgl. § 88 VwGO) ist zulässig und letztlich auch begründet.
Soweit der Antrag sich gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides richtet, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sachgerecht. Soweit sich der Antrag auf die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht, ist indes ein Antrag nach § 123 VwGO der korrekte Rechtsbehelf.
Denn die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes als Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – ZAR 2017, 236). Anders als früher scheidet insoweit ein Antrag nach § 123 VwGO aus; § 80 Abs. 5 VwGO ist insoweit vorrangig (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).
Denn bei einem Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides führt dies zu einer Nichtvollziehbarkeit bzw. Wirksamkeitshemmung, sodass der betroffene Ausländer im Ergebnis so gestellt ist, als sei über seinen Folgeantrag noch nicht entschieden. Das Bundesamt hat in einem derartigen Fall die Ausländerbehörde über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die damit verbundenen Rechtsfolgen in Kenntnis zu setzten (vgl. im Einzelnen VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris).
Anders ist die Rechtslage hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, über die unter Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids entschieden ist. In der Hauptsache ist insoweit weiterhin eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – ZAR 2017, 236). Denn das Bundesamt muss gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG auch bei Entscheidungen über unzulässige Asylanträge feststellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Da hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der eine aufschiebende Wirkung anordnen könnte, ausscheidet, muss vorläufiger Rechtsschutz insoweit durch einen Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden. Zweck einer solchen Anordnung ist es, einen Anspruch des betroffenen Ausländers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorläufig zu sichern. Zur Erreichung dieses Zwecks ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf. Allein auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kann insoweit nicht abgestellt werden, insbesondere wenn ein Rechtsschutzbegehren gegen die Unzulässigkeitserklärung in Nr. 1 des Bescheides erfolglos bleibt (vgl. im Einzelnen VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris; vgl. auch zu gegenläufigen Auffassungen über die korrekte Antragstellung bei Folgeverfahren ohne erneute Abschiebungsandrohung etwa VG München, B.v. 18.8.2017 – M 6 S. 17.35653 – juris; VG Bayreuth, B.v. 11.7.2017 – B 6 E 17.32344 – juris; VG Würzburg, B.v. 19.6.2017 – W 1 S. 17.32522 – juris; VG Augsburg, B.v. 14.3.2017 – Au 5 E 17.31264 – juris).
Ausgehend von der vorstehend skizzierten Rechtslage ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, soweit er sich auf die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegenüber Nr. 1 des Bescheides ist jedoch unbegründet, da insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen (vgl. § 36 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 71 Abs. 4 AsylG).
Denn das Bundesamt ist nach summarischer Prüfung im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die besonderen Zulässigkeitsanforderungen der §§ 71 Abs. 1 AsylG, 51 VwVfG nicht vorliegen und der Folgeantrag damit gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist der Folgeantrag binnen einer Frist von drei Monaten zu stellen. Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Bei (gegebenenfalls sich prozesshaft entwickelnden) Dauersachverhalten ist grundsätzlich die erstmalige Kenntnisnahme von den Umständen für den Fristbeginn maßgeblich. Das Erfordernis, die Dreimonatsfrist nach § 51 Abs. 3 VwVfG gilt auch für die sich prozesshaft entwickelnde Dauersachverhalte sowie Wiederaufgreifensgründe, die während des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens auftreten. Wenn der Dauersachverhalt einen Qualitätsumschlag erfährt, kann diese Frist erneut in Lauf gesetzt werden (BVerwG, U.v. 13.5.1993 – 9 C 49/92 – BVerwGE 92, 278; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, 96. Aktualisierung Juni 2016, § 71 AsylG, Rn. 40 ff., 46 ff.; Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand Mai 2015, § 71, Rn. 142 und 226). Unbilligkeiten aufgrund des Umstandes, dass bei sich prozesshaft entwickelnden dauerhaften Sachverhalten der Zeitpunkt, zu welchen ein Qualitätssprung stattfindet bzw. der Zeitpunkt, zu welchem der Sachverhalt Asylerheblichkeit erreicht, nur schwer feststellbar ist, lassen sich dadurch vermeiden, dass die Gewährung von nachrangigem Abschiebungsschutz möglich ist.
Die Dreimonatsfrist ist vorliegend nicht gewahrt.
Mit Blick auf die vorgetragene Konversion des Antragstellers ist insbesondere von der Taufe am 30. Juni 2013 als relevantem Datum und damit von einer deutlich verspäteten Folgeantragstellung am 31. Juli 2015 auszugehen. Denn gerade bei sich fließend entwickelten dauerhaften Sachverhalt wie hier bei der Religionskonversion ist unter anderem maßgeblich auf die Taufe als der nach außen erkennbaren Manifestation der Konversion abzustellen (vgl. dazu HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120), wenn auch der formale Akt der Taufe für sich allein nicht genügt. Denn auch nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes wird im Iran Apostasie, der Abfall vom Islam, erst angenommen, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird. Im Fall christlicher Glaubensgemeinschaften ist für einen Apostasievorwurf die Taufe notwendig (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Schwerin vom 25.8.2015). Hinzu kommt, dass sich die vorgelegten Bescheinigungen der Baptistengemeinde A* … im Wesentlichen auf die Taufe beziehen. Weiter ist nicht ersichtlich, dass nach der Taufe ein neuer weiterer Qualitätssprung erfolgt sein sollte. Voraussetzung hierfür wäre, dass weitere, mit dem bisherigen nicht mehr vergleichbare Aktivitäten entwickelt worden sind, die zu einer qualitativ neuen Bewertung führen würden. Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid schon zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller – mit Hinweis auf seine schwere Depression – den christlichen Glauben in Deutschland faktisch nicht praktiziere.
Das Erfordernis der Einhaltung der Dreimonatsfrist ist auch nicht europarechtswidrig. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass mit der Neufassung der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) eine zeitliche Präklusion nicht mehr den unionsrechtlichen Vorgaben, konkret Art. 42 Verfahrensrichtlinie, entspricht und die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 19. Juli 2015 nicht mehr angewendet werden darf (so Funke-Kaiser, GK, AsylG, Band 3, Stand April 2016, § 71, Rn. 283; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 71, Rn. 85). Jedoch überzeugt das Gericht diese Rechtsauffassung nicht. Zum einen ist § 51 Abs. 3 VwVfG weiterhin geltendes Recht. Zum anderen lässt Art. 42 RL 2013/32/EU ebenso wie schon die Vorgängerregelung entsprechende innerstaatliche Regelungen zu. Aus der Entstehungsgeschichte folgt jedenfalls nicht zwingend Gegenteiliges, weil die Aufzählung wie früher beispielhaft ist und die nicht näher begründete Streichung der betreffenden Passage auch daran liegen könnte, dass es ohne ausdrückliche Nennung gerade den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben kann, entsprechende Regeln ein- und fortzuführen. Abgesehen davon galt die alte Rechtslage auch nach der Gegenmeinung bis zum Ende der Umsetzungsfrist am 19. Juli 2015. Bis dahin war die Präklusion vorliegend längst eingetreten. Wenn die Dreimonatsfrist nun nicht mehr gelten sollte, kann es im Hinblick auf die Rechtssicherheit nicht dazu führen, dass sämtliche in der Vergangenheit liegenden und längst abgeschlossenen Verfahren wieder aufgerollt werden könnten (vgl. auch VG Oldenburg, B.v. 16.3.2017 – 3 B 1322/17 – juris; VG Cottbus, U.v. 8.2.2017 – 1 K 273/11.A – juris; VG Karlsruhe, B.v. 5.1.2017 – A 6 K 7295/16 – juris; VG Freiburg, U.v. 3.8.2016 – A 6 K 1679/15 – juris; sowie etwa schon VG Würzburg, U.v. 26.6.2017 – W 8 K 16.31847 – juris).
Im Ergebnis ist die Antragsgegnerin infolge der Verfristung zutreffend von der Unzulässigkeit des Folgeantrages ausgegangen, sodass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides nicht zum Erfolg führt.
Demgegenüber hat aber der Antrag betreffend § 123 VwGO bezüglich der Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides Erfolg. Dieser Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass für die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 129 Abs. 2 ZPO sind das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund in diesem Sinne glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, weil aufgrund der vom Antragsteller geltend gemachten Konversion ernstliche Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG an der Rechtmäßigkeit der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes getroffene Entscheidung bestehen, weil erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.
Denn nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist bei der Ablehnung eines Folgeantrages als unzulässig darüber hinaus festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (vgl. auch BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – ZAR 2017, 236 – juris Rn. 20). Für die Prüfung und Feststellung eines betreffenden Abschiebungshindernisses bleibt das Bundesamt auch dann zuständig, wenn der Folgeantrag die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des eigentlichen Asylverfahrens nicht erfüllt (vgl. § 31 Abs. 3 AsylG).
Aufgrund der aktuellen Lage, welche sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt, besteht im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, U.v. 11.7.2012 – W 6 K 11.30392) sowie verschiedener Obergerichte (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; OVG NRW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – DÖV 2013, 323; U.v. 30.7.2009 – 5 A 982/07.A – EzAR-NF 62 Nr. 19; HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; SächsOVG, U.v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris; OVG Saarl, U.v. 26.6.2007 – 1 A 222/07 – InfAuslR 2008, 183 – jeweils mit weiteren Nachweisen) unterliegen iranische Staatsangehörige, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, bereits dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Sinne des Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie, wenn sie im Iran lediglich ihren Glauben ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Insgesamt betrachtet ist eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, im Iran selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich (vgl. Hess. VGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; B.v. 23.2.2010 – 6 A 2067/08.A – Entscheiderbrief 10/2010, 3; B.v. 11.2.2013 – 6 A 2279/12.Z.A – Entscheiderbrief 3/2013, 5).
Die konkrete Gefahr, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, resultiert dabei daraus, dass Christen häufig von iranischen Behörden und Sicherheitskräften drangsaliert, festgenommen, verhört, ohne Kontakte in Haft gehalten, misshandelt, gefoltert, angeklagt und verurteilt werden. „Outen“ als Christ ist in der derzeitigen Lage im Iran extrem gefährlich. Von einer sehr bedrohlichen Lage für konvertierte Christen im Iran ist auszugehen. Aufgrund dieser Erkenntnisse kommt der Hessische Verwaltungsgerichtshof (vgl. U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – EzAR-NF 66 Nr. 1, der allerdings § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anwendet) im Lichte einer verfassungs- und europakonformen Auslegung zu der Erkenntnis, dass muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, spätestens dann einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sind, wenn sie sich im Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und Kontakt zu einer solchen Gruppierung aufnehmen. Sie müssen dann mit Inhaftierung, körperlichen Übergriffen, Einschüchterungen und oder sonstigen erniedrigenden Maßnahmen durch iranische Sicherheitskräfte rechnen. Die Gefahrenmomente haben sich so verdichtet, dass von einer konkreten Gefahr für jeden einzelnen Konvertierten auszugehen ist. Denn gerade wenn bei christlichen Konvertiten entsprechende Maßnahmen gegen Angehöriger bestimmter Personengruppen mehr oder weniger regelmäßig angewandt werden, begründet dies ein allgemein wirkendes Abschiebungsverbot, so dass eine ernsthafte Gefahr anzunehmen ist (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 60 AufenthG, Rn. 34 ff.). Demnach besteht im Fall einer ernsthaften Konversion ein Abschiebungsverbot (vgl. in der Sache genauso HessVGH, U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – EzAR-NF 66 Nr. 1, allerdings mit Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG; VG Stuttgart – U.v. 30.6.2008 – A 11 K 1623/08 – juris; VG Hamburg – U.v. 24.4.2008 – 10 A 291/07 – juris, jeweils bezüglich § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 bzw. 9 EMRK).
Die abschließende Prüfung, ob der Antragsteller – mittlerweile – einen ernsthaften und tiefgreifenden Glaubenswechsel vollzogen hat und er aufgrund des Bekenntnisses zu seinem neuen Glauben gerade nach der erfolgten Taufe bei einer Rückkehr in seinem Herkunftsland daher bei einer Abschiebung einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden extremen individuellen Gefahrensituation bzw. einer ernsthaften konkreten Gefahr ausgesetzt wird, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, muss jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Da im Rahmen der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich Irans vorliegen, wofür jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, überwiegt im Rahmen einer Güter- und Folgenabwägung das Interesse des Antragstellers, vorläufig von einer Abschiebung in den Iran bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, das sofortige Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Denn eine Abschiebung in den Iran trotz nachhaltiger vollzogener Konversion würde für den Antragsgegner zu irreparablen Folgen führen. Demgegenüber ist es der Antragsgegnerin zuzumuten, mit der Abschiebung noch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Schließlich besteht auch ein Anordnungsgrund.
Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass der Antragsteller nach der Ablehnung seines Folgeantrags als unzulässig aufgrund der rechtkräftigen Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 26. Juli 2011 jederzeit ernsthaft mit einer Abschiebung bzw. betreffenden Abschiebemaßnahmen rechnen muss und dies seinen Anspruch auf Feststellung von nationalen Abschiebungshindernissen vereiteln oder zumindest wesentlichen erschweren würde.
Zur Sicherung dieses Anspruchs ist die Antragsgegnerin, welche spätestens durch die Unzulässigkeitsentscheidung eine Abschiebung des Antragstellers wieder ermöglicht hat, im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, durch eine gegenteilige Mitteilung an die Ausländerbehörde dafür zu sorgen, dass die Abschiebung des Antragstellers vorläufig bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht vollzogen wird (vgl. VG Bayreuth, B.v. 11.7.2017 – B 6 E 17.32344 – juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).