Verwaltungsrecht

Gewerberechtliche Unzuverlässigkeit – Besitz kinderpornografischer Schriften

Aktenzeichen  22 ZB 16.1784

Datum:
24.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GewA – 2017, 162
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JArbSchG § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
GewO § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 3
SGB VIII § 72a
VwGO § 124 Abs. 2
StGB § 56 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Bindungswirkung einer strafgerichtlichen Prognose für das gewerberechtliche Untersagungsverfahren nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GewO setzt voraus, dass im betreffenden Strafurteil die Frage beurteilt wurde, ob der Gewerbetreibende bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 StGB begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. (redaktioneller Leitsatz)
3. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 K 16.399 2016-06-29 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III.
Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. Juni 2016 wird der Streitwert in beiden Rechtszügen auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die durch Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 2016 ausgesprochene Teiluntersagung des von ihm als Gewerbe angemeldeten Betriebs eines „Nachhilfeinstituts“, soweit es sich auf die gewerbliche Unterrichtung und Beaufsichtigung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren durch ihn selbst bezieht. Die Beklagte stützte die Einschätzung des Klägers als insoweit gewerberechtlich unzuverlässig (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GewO) insbesondere auf den einem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts F… vom 6. August 2012 zugrunde liegenden Sachverhalt. Mit diesem Urteil wurde der Kläger wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184 b Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Satz 1, § 11 Abs. 3 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Klage, die das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 29. Juni 2016 abwies.
Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung des Klägers (vgl. zur deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 VwGO erfüllt sind.
1. Aus den Darlegungen in der Antragsbegründung vom 28. September 2016 (einschließlich des als „weitere Antragsbegründung“ überschriebenen Schriftsatzes, mit demselben Datum versehen) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B. v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163; BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – NVwZ-RR 2004, 542). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; in Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f. m. w. N.). Gemessen daran sind hier keine ernstlichen Zweifel dargelegt.
b) Der Kläger trägt zunächst vor, die Beklagte und das Verwaltungsgericht hätten die im Strafurteil vom 6. August 2012 enthaltene positive Prognose missachtet, wonach vom Kläger künftig generell keine Straftatbegehung mehr zu erwarten sei. Das Strafgericht habe diese Prognose auf alle Lebensbereiche erstreckt, einschließlich der beruflichen Betätigung des Klägers. Die Beklagte habe sich über die Sachkenntnis des Strafgerichts hinweggesetzt und versucht, das objektive Bild hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit des Klägers zu verzerren, um damit seine angebliche Unzuverlässigkeit herauszustellen. Aus diesen Darlegungen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils.
Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass im Strafurteil vom 6. August 2012 zur Begründung der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung ohne Einschränkung davon gesprochen wird, dass das Strafgericht davon ausgeht, dass der Kläger in Zukunft keine weiteren Straftaten mehr begehen wird; dies soll offensichtlich auch eine etwaige Straftatbegehung im Rahmen der Gewerbeausübung betreffen. Allerdings setzt die Bindungswirkung einer strafgerichtlichen Prognose für das gewerberechtliche Untersagungsverfahren nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GewO voraus, dass im betreffenden Strafurteil die Frage beurteilt wurde, ob der Gewerbetreibende bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 StGB begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist. Wie das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat (UA S. 6 und 7), enthält das Strafurteil vom 6. August 2012 lediglich im Rahmen der Entscheidung über die Strafaussetzung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB eine Prognose hinsichtlich einer künftigen Straftatbegehung, nicht dagegen eine Entscheidung über die Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 StGB, so dass keine Bindungswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GewO eintreten konnte. Bei Erlass der strittigen Teilgewerbeuntersagung unter Berücksichtigung des strafrechtlich geahndeten Sachverhalts bestand daher eine Bindungswirkung an den Inhalt des Strafurteils zugunsten des Klägers lediglich bezüglich der Feststellung des Sachverhalts und der Beurteilung der Schuldfrage (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 GewO). Der Kläger hat jedoch nicht konkret dargelegt, inwieweit die Beklagte bei Erlass der Teilgewerbeuntersagung oder das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Bindungswirkung in dieser Hinsicht unbeachtet gelassen hätte.
Im angefochtenen Urteil (UA S. 11) heißt es zudem, die im Strafurteil angestellte Prognose diene allein dem dortigen Rechtsfolgenausspruch; ihr komme bereits aus dem Umkehrschluss zu § 35 Abs. 3 GewO keine Bindungswirkung für die Beklagte zu. Die spezialpräventiven Erwägungen des Strafrichters zur Bewährungsaussetzung hätten nur am Rande etwas mit der ordnungsrechtlichen Frage zu tun, welche die Beklagte zu beantworten gehabt habe. Die Beklagte sei dazu verpflichtet gewesen, eine eigene Prognoseentscheidung zu treffen. Diese Ausführungen entsprechen im Grundsatz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B. v. 16.6.1987 – 1 B 93/86 – GewArch 1987, 351, juris Rn. 12) und des Verwaltungsgerichtshofs. Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem Beschluss vom 20. Juli 2016 (22 ZB 16.284 – juris Rn. 17 m. w. N.) näher dargelegt hat, rechtfertigt eine günstige, die Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung rechtfertigende Sozialprognose nicht zwingend die Annahme einer gewerberechtlichen Zuverlässigkeit. § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB und § 35 Abs. 1 GewO liegen nach einhelliger Rechtsprechung unterschiedliche Gefahrenmaßstäbe zugrunde. Die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung kann daher für die gewerberechtliche Beurteilung nicht bindend, sondern für die Zuverlässigkeitsprognose nur von tatsächlichem Gewicht sein (BayVGH, B. v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – Rn. 16 m. w. N.). Andere Umstände des Einzelfalls können den Ausschlag dafür geben, eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit anzunehmen. Die Unzuverlässigkeitsprognose, die hier der angefochtenen Teilgewerbeuntersagung zugrunde liegt, ist entsprechend einzelfallbezogen und nachvollziehbar begründet worden. So hat die Beklagte in der Begründung der Teilgewerbeuntersagung (S. 9) hervorgehoben, dass der Kläger im Zusammenhang mit seinen pädophilen Neigungen eine verharmlosende Einstellung gezeigt hat und dem Schutzgut der körperlichen und seelischen Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen sowie deren Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ein hoher Rang zukommt. Daher könne auf eine Teilgewerbeuntersagung im Hinblick auf etwaige Verfehlungen des Betroffenen in der Zukunft nicht verzichtet werden. Dies entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach bei der Zuverlässigkeitsprüfung auch der hohe Rang des gefährdeten Rechtsguts der sexuellen Selbstbestimmung Minderjähriger zu berücksichtigen ist (BayVGH, B. v. 16.6.2010 – 22 ZB 10.1164 – Rn. 2).
Zudem hat die Beklagte in ihrer Entscheidung (S. 10) auch darauf hingewiesen, dass der Kläger infolge einer gesetzlichen Nebenfolge des rechtskräftigen Strafurteils (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JArbSchG) einem Beschäftigungsverbot für Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind, unterliegt; die Teilgewerbeuntersagung sei zum Schutz der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren im vorliegenden Fall erforderlich, da das gesetzliche Beschäftigungsverbot die Unterrichtung und Beaufsichtigung dieser Personengruppe durch den Kläger nicht erfasst. Das Verwaltungsgericht (UA S. 12) seinerseits hat auf die Regelung des § 72 a SGB VIII, wonach einschlägig vorbestrafte Personen nicht in der Jugendhilfe tätig werden dürfen, und die zugrunde liegende gesetzliche Wertung hingewiesen. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Das Beschäftigungsverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JArbSchG und der Tätigkeitsausschluss nach § 72 a SGB VIII verdeutlichen, dass der Gesetzgeber im Falle einer einschlägigen rechtskräftigen Verurteilung (z. B. nach § 184 b StGB) hinreichende Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Personen unter 18 Jahren annimmt, die einen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) rechtfertigen. Diese gesetzlichen Nebenfolgen einer einschlägigen Verurteilung treten unabhängig vom Strafmaß und – im Falle einer verhängten Freiheitsstrafe – einer etwaigen Strafaussetzung zur Bewährung ein. Die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende Gefahrenprognose bestätigt, dass aufgrund einer Würdigung eines entsprechenden Sachverhalts eine Teilgewerbeuntersagung zum Schutz der genannten Personengruppe in Betracht kommen kann, und zwar auch dann, wenn zur strafgerichtlichen Ahndung eine Bewährungsstrafe ausgesprochen wurde. Der Kläger hat sich in der Antragsbegründung mit diesem Gesichtspunkt dieser im vorliegenden Fall heranzuziehenden gesetzgeberischen Wertung nicht auseinander gesetzt.
c) Weiter hat der Kläger gerügt, das Verwaltungsgericht sei der Bewertung der Beklagten gefolgt, bei den äußerst positiven Beurteilungen des Klägers durch die Eltern mehrerer Nachhilfeschüler handele es sich jeweils um eine Art „Gefälligkeitszeugnis“, ohne auf den Inhalt der alltäglichen beruflichen Tätigkeit des Klägers einzugehen. Auch habe das Verwaltungsgericht eine Stellungnahme der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) in der unzutreffenden Annahme unberücksichtigt gelassen, dass dieser die konkreten Hintergründe zur anstehenden Teilgewerbeuntersagung nicht bekannt gewesen seien. Mit diesem Vorbringen kann der Kläger die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nicht in Zweifel ziehen.
Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt (UA S. 14), dass davon auszugehen ist, dass der IHK und den Eltern der Nachhilfeschüler die konkreten Hintergründe zur anstehenden Teilgewerbeuntersagung nicht bekannt gewesen seien. Daher hätten die betreffenden Stellungnahmen mehr den Charakter eines allgemeinen Leumundszeugnisses, welches die Aussage des Klägers, wonach er in seinem bisherigen Berufsleben nicht auffällig geworden sei, bekräftige. Da die der Prognoseentscheidung der Beklagten zugrunde liegenden Tatsachen den Stellungnehmenden aber unbekannt gewesen seien, hätten diese die Prognose im Ergebnis nicht zu entkräften vermocht. Der Kläger hat nicht schlüssig dargetan, dass das Verwaltungsgericht bei dieser Beurteilung von wesentlich falschen Voraussetzungen ausgegangen wäre. Die IHK hat in ihrer Stellungnahme vom 25. Juli 2013 (Bl. 125 f. der Behördenakte) zwar eingangs klargestellt, dass der Kläger dort persönlich vorgesprochen habe und das Anhörungsschreiben der Beklagten, das Urteil des Amtsgerichts F… vom 6. August 2012 sowie ein Einwendungsschreiben vorgelegen hätten. Entscheidungsgrundlage der Teilgewerbeuntersagung waren jedoch insbesondere auch die im Bescheid vom 5. Februar 2016 genannten und in der Behördenakte befindlichen Unterlagen aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die der IHK nicht umfassend vorgelegen haben. Insoweit ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts im Sinne einer nicht umfassenden Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen zutreffend. Hinsichtlich der Eltern der Nachhilfeschüler, die Stellungnahmen zugunsten des Klägers abgegeben haben, hat dieser selbst nicht behauptet, dass diesen die maßgeblichen Dokumente bekannt gewesen wären.
Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zudem in Einklang mit den genannten Stellungnahmen und mit dem Vortrag des Klägers auch die Annahme zugrunde gelegt, dass der Kläger bislang im Rahmen seiner langen bisherigen Berufstätigkeit kein einziges Mal bei den anvertrauten Kindern auffällig geworden ist (UA S. 13). Es hat allerdings hieraus nicht den vom Kläger geforderten Schluss gezogen, dass dies die künftige Begehung gleichartiger Vergehen ausschließe. Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe die genannten Stellungnahmen insoweit unzutreffend bzw. unzureichend gewürdigt, wendet er sich im Übrigen gegen die richterliche Beweiswürdigung. Er hat nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht bei der Würdigung dieser Stellungnahmen die Grenzen richterlicher Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) überschritten hätte (vgl. dazu BayVGH, B. v. 14.3.2013 – 22 ZB 13.103 u. a. – Rn. 11 m. w. N. u. B. v. 6.10.2014 – 22 ZB 14.1079 – Rn. 21). Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung des Beweisergebnisses rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (BayVGH a. a. O. und B. v. 20.5.2015 – 22 ZB 14.2827 – juris, Rn. 19, m. w. N.). Dass die Beweiswürdigung objektiv willkürlich gewesen wäre, gegen die Denkgesetze verstoßen oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet hätte (vgl. BayVGH. B. v. 14.3.2013, a. a. O.), zeigt der Kläger nicht auf. Auch behauptet er lediglich pauschal, wesentlicher Vortrag des Klägers zu entscheidungserheblichen Fragen sei unberücksichtigt geblieben. Aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil den klägerischen Vortrag nicht umfassend wiedergibt, ist nicht zu schließen, dass dieser nicht gewürdigt wurde, soweit das Verwaltungsgericht ihn für entscheidungserheblich gehalten hat.
d) Weiter macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe in der angefochtenen Entscheidung den seines Erachtens langen Zeitraum unberücksichtigt gelassen, der zwischen der Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 21. März 2013 (über das seit 16. Januar 2013 rechtskräftige Strafurteil vom 6. August 2012) und der am 5. Februar 2016 verfügten Teilgewerbeuntersagung liege. Die Begründung der Unzuverlässigkeit des Klägers mit dessen erheblicher Gefährlichkeit nach dreijährigem Zuwarten sei völlig unglaubwürdig. Das Verwaltungsgericht hätte diese Umstände unter dem Aspekt der Verwirkung prüfen müssen. Dies vermag indes nicht zu überzeugen.
Zunächst wird der diesbezügliche klägerische Vortrag im Tatbestand des angefochtenen Urteils erwähnt (UA S. 5), so dass das Verwaltungsgericht dieses Vorbringen offensichtlich bei seiner Entscheidung mit berücksichtigt hat, soweit es dieses für entscheidungserheblich hielt. Zum Andern kann eine behördliche Befugnis zum sicherheitsrechtlichen Einschreiten auch durch längeres Zuwarten nicht verwirkt werden; dies gilt auch für die Befugnisnorm des § 35 Abs. 1 GewO (BayVGH, B. v. 14.11.2002 – 22 CS 02.2687 – GewArch 2003, 78). Es kann sich bei längerem Zuwarten der Behörde allerdings die Frage stellen, ob im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die Voraussetzungen der Gewerbeuntersagung noch vorlagen. Insofern hat der Kläger in der Antragsbegründung nicht dargelegt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, inwiefern der bloße Zeitablauf hier für die Unzuverlässigkeitsprognose von Bedeutung gewesen sein könnte. Einer etwaigen Straffreiheit während der Bewährungszeit käme unabhängig davon im Rahmen der nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO anzustellenden Zuverlässigkeitsprognose nur geringes Gewicht zu (BVerwG, B. v. 16.6.1987 – 1 B 93/86 – GewArch 1987, 351 Rn. 12). Das gilt gerade vor dem Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargelegt hat (UA S. 13 und 14), dass eine beim Kläger festzustellende eklatante Fehleinschätzung über die Strafbarkeit seines Verhaltens nicht geeignet sei, Vertrauen in seine „Selbstreflexionskraft“ hinsichtlich des Einhaltens von Grenzen im beruflichen Bereich zu wecken. Der Kläger hat nicht dargelegt, inwieweit sich diese Beurteilung des Verwaltungsgerichts nicht im zulässigen Rahmen richterlicher Beweiswürdigung bewegen würde. Die negative gewerberechtliche Zuverlässigkeitsprognose hat das Verwaltungsgericht maßgeblich auf diese beharrliche innere Haltung des Klägers gestützt; auf Zeiten der Straffreiheit konnte es folgerichtig nicht entscheidend ankommen. Der Kläger hat ferner nicht dargelegt, inwiefern sich aus dem Gesetz ergeben könnte, dass der Erlass einer Gewerbeuntersagung trotz im Zeitpunkt der Untersagungsverfügung angenommener Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO allein deshalb rechtswidrig sein könnte, weil der verfahrensauslösende Sachverhalt mehrere Jahre zurück liegt.
e) Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, dass eine Teiluntersagung der beruflichen Tätigkeit seine wirtschaftliche Existenz und damit auch die derzeit einigermaßen gesicherten Verhältnisse gefährde, ergeben sich hieraus keine erheblichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Die Unterbindung der künftigen Gewerbeausübung und sich daraus ergebende Erwerbseinbußen liegen im Wesen dieser Anordnung und können deshalb für sich genommen keinen außergewöhnlichen Ausnahmefall begründen, der die Verhältnismäßigkeit dieser Entscheidung in Frage stellen könnte (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 3.8.2015 – 22 ZB 15.1271 – Rn. 24 und 25). Im Übrigen hat der Kläger seine Befürchtung einer existenzgefährdenden Wirkung der Teiluntersagung seiner selbstständigen Gewerbeausübung nicht nachvollziehbar dargelegt. Dem Kläger steht insbesondere die Möglichkeit offen, durch die Fortführung seiner bisherigen Berufsausübung, soweit sie von der Untersagung nicht betroffen ist, seinen Lebensunterhalt zu sichern.
f) Inwiefern sich Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils im Hinblick auf die angenommene (teilweise) gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers, welche die Beklagte und das Verwaltungsgericht aufgrund der Umstände des Einzelfalls angenommen haben, aus bestimmten kriminalstatistischen Daten ergeben könnten (vgl. „weitere Antragsbegründung“ vom 28.9.2016), ist aufgrund der Darlegungen des Klägers nicht nachvollziehbar. Es ist bereits unklar, auf welche Tatbestandsvoraussetzung der hier verfügten Teilgewerbeuntersagung, die eine gebundene Entscheidung wegen festgestellter gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit darstellt, der Kläger mit der Formulierung „Abwägung der Unzuverlässigkeit des Klägers“ abzielt.
2. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Er behauptet in diesem Zusammenhang, er sei nicht zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht geladen und damit auch nicht gehört worden. Hierdurch sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Er wäre andernfalls in der Lage gewesen, das Verwaltungsgericht vom Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit und damit von der Rechtswidrigkeit der strittigen Teilgewerbeuntersagung zu überzeugen. Diese Ausführungen sind in rechtlicher Hinsicht unzutreffend.
Der Kläger wurde mit der gesetzlich vorgeschriebenen Zustellung der Ladung an seinen Bevollmächtigten wirksam zur mündlichen Verhandlung geladen (vgl. § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO). Im Übrigen musste sich dem Verwaltungsgericht eine persönliche Einvernahme des Klägers nicht aufdrängen. Der Kläger hatte seinen Einwand gegen die Teilgewerbeuntersagung, er sei freiberuflich tätig, bereits in der Klagebegründung vom 5. März 2016 vorgebracht. Der Bevollmächtigte des Klägers ging daher erkennbar bereits vor der mündlichen Verhandlung davon aus, dass diese Fragestellung in der mündlichen Verhandlung zur Sprache kommen konnte und das Verwaltungsgericht den Sachverhalt z. B. durch Nachfragen in der mündlichen Verhandlung unter Umständen weiter ermitteln würde. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 29. Juni 2016 hat er sich hierzu ausführlich geäußert, ohne geltend zu machen, dass sich im Zuge der mündlichen Verhandlung das Erfordernis einer persönlichen Befragung des Klägers ergeben hätte; erst recht hat er in der mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden Antrag gestellt. Schließlich legt der Kläger auch nicht dar, was er selbst vor Gericht gegebenenfalls zur Unanwendbarkeit des § 35 Abs. 1 GewO vorgetragen hätte und inwiefern dies zu einem anderen rechtlichen Ergebnis hätte führen können.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwert: §§ 47, 52 Abs. 1 GKG, Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs 2013. Es ist angemessen, für die strittige Teilgewerbeuntersagung einen gegenüber dem für eine Gewerbeuntersagung im Streitwertkatalog vorgesehenen Betrag geringeren Streitwert anzusetzen.

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