Verwaltungsrecht

Härtefall und nachträglicher Rücktritt im Prüfungsrecht

Aktenzeichen  AN 2 K 16.00438

Datum:
23.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 35 S. 1
GG GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Zulassung zu einem weiteren Prüfungsversuch aus Härtefallgründen bzw. die Ablehnung dieser Zulassung sind Verwaltungsakte (Art. 35 S. 1 BayVwVfG), da insofern eine gesonderte behördliche Entscheidung erforderlich ist. Das Gleiche gilt für die Entscheidung über die Genehmigung eines nachträglichen Prüfungsrücktritts. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist verfassungsrechtlich zwingend, dass eine im Studium nicht bestandene Prüfung wiederholt werden kann. Ein genereller Anspruch auf weitere Wiederholungsmöglichkeiten aus Härtefallgründen besteht jedoch nicht. Dass Prüfungen innerhalb eines Studiums nicht endlos wiederholt werden können, dient zum einen dazu, die Eignung des Studierenden für einen bestimmten Beruf festzustellen und zum anderen dem öffentlichen Interesse an begrenzten Studienzeiten. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Nicht jede Verminderung der Leistungsfähigkeit kann zur Bejahung eines prüfungsrechtlichen Härtefalls führen. Bei der Frage, ob ein besonderer Härtefall vorliegt, müssen insbesondere solche Gründe unberücksichtigt bleiben, die im Wege des Rücktritts von einer Prüfung geltend zu machen sind, wie es etwa bei einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit der Fall ist. Nichts anderes gilt für Dauerleiden, die auch im Rahmen eines Prüfungsrücktritts unberücksichtigt bleiben. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Rücktritt von einer Prüfung wegen Krankheit ist von dem Prüfling unverzüglich nach Erkennen der Prüfungsunfähigkeit zu erklären. Nimmt ein Prüfling an der Prüfung teil und erklärt erst nach deren Beendigung seinen Rücktritt unter Berufung auf eine zunächst unerkannte Prüfungsunfähigkeit, muss er die Gründe dafür, dass er seine Prüfungsunfähigkeit zunächst nicht erkennen konnte, in gleicher Weise glaubhaft machen wie die Prüfungsunfähigkeit selbst. Wartet der Prüfling die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses ab, bevor er eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit geltend macht, liegt ein Missbrauch des Rücktrittsrechts nahe. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO zulässig. Auch die mit dem Hauptantrag begehrte Zulassung zu einem vierten Versuch der Prüfung „Betriebliches Rechnungswesen I“ aus Härtefallgründen beziehungsweise die Ablehnung dieser Zulassung sind Verwaltungsakte im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, da die Zulassung aus Härtefallgründen eine gesonderte Entscheidung der Beklagten erfordert (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 830). § 29 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ABMstPO/Phil, wonach ein im Bachelorstudium Immatrikulierter als zugelassen gilt zur Bachelorprüfung und den Prüfungen, aus denen die Bachelorprüfung besteht, findet im Falle einer Entscheidung über die Zulassung zu einem weiteren, von der Prüfungsordnung nicht regulär vorgesehenen Prüfungsversuch, keine Anwendung. Eine andere Bewertung ergibt sich auch dann nicht, wenn das klägerische Begehren dahingehend ausgelegt wird, dass die erneute Zulassung zur Prüfung wegen nachträglichen Prüfungsrücktritts erfolgen soll. Die Entscheidung über die Genehmigung des Rücktritts ist ebenso ein Verwaltungsakt (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 827). Im Übrigen ist die Klage gegen den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen vom 18. Februar 2016 als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO statthaft.
Die Klage ist jedoch hinsichtlich Haupt- und Hilfsantrag unbegründet, da der Kläger weder Anspruch auf Zulassung zu einem vierten Versuch der Prüfung „Betriebliches Rechnungswesen I“ noch auf Neubewertung seines dritten Versuchs der Prüfung in diesem Fach am 8. Juli 2015 hat und der Bescheid vom 21. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2016 und der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen vom 18. Februar 2016 damit rechtmäßig sind, vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.
Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Studien- und Prüfungsordnung für die Bachelor-und Masterstudiengänge der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie der Universität … (ABMstPO/Phil) vom 27. September 2007, zuletzt geändert durch Satzung vom 2. August 2016, können abgesehen von der Bachelorarbeit Prüfungen, die nicht Teil der Grundlagen- und Orientierungsprüfung sind, zweimal wiederholt werden. Der Kläger hat die Modulprüfung „Betriebliches Rechnungswesen I“ insgesamt drei Mal, am 29. Juli 2014, am 16. April 2015 und am 8. Juli 2015, nicht bestanden und damit seine drei Versuche ausgeschöpft.
Ein Anspruch auf Zulassung zu einer weiteren Wiederholungsmöglichkeit der Prüfung aus Härtefallgründen besteht nicht. Zum einen sieht die einschlägige Prüfungsordnung eine Wiederholungsmöglichkeit aus Härtefallgründen nicht vor. Zum anderen begründen die vom Kläger vorgetragenen Umstände keinen prüfungsrechtlichen Härtefall.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, eine dritte Wiederholungsmöglichkeit aus Härtefallgründen zuzulassen, da die ABMstPO/Phil eine weitere, dritte Wiederholungsmöglichkeit aus Härtefallgründen nicht vorsieht und sich auch nicht aus der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG oder anderen übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten ein genereller Anspruch auf eine weitere Wiederholungsmöglichkeit aus Härtefallgründen ergibt. Die Beschränkung auf drei Prüfungsversuche nach § 34 Abs. 1 Satz 1 ABMstPO/Phil ist als Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 101 BV verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Dass Prüfungen innerhalb eines Studiums nicht endlos wiederholt werden können, dient zum einen dazu, die Eignung des Studenten für einen bestimmten Beruf feststellen zu können und zum anderen dem öffentliche Interesse an begrenzten Studienzeiten. Da durch das erstmalige Nichtbestehen einer Prüfung die Nichteignung für einen Beruf nicht ausreichend gesichert festgestellt werden kann, ist eine Wiederholungsmöglichkeit verfassungsrechtlich zwingend, aber auch ausreichend (vgl. BVerfG, B.v. 14.3.1989 – 1 BvR 1033/82 – juris Rn. 96; BVerwG, B.v. 12.11.1998 – 6 PKH 11.98 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 7.3.1991 – 7 B 178.90 – juris Rn. 14; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010. Rn. 769). Weder das Grundgesetz noch die Bayerische Verfassung gebieten es, dass eine Prüfung unbegrenzt wiederholt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 14.3.1989 – 1 BvR 1033/82 – juris Rn. 96; BayVerfGH, E.v. 27.1.1994 – Vf. 14 – VII juris Rn. 68). Über diese verfassungsrechtlichen Vorgaben geht die Prüfungsordnung der Beklagten deutlich hinaus. Wenn ein Student die vorgesehenen drei Prüfungsversuche nicht bestanden hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte zu dem Ergebnis kommt, dass dieser Student die notwendige Eignung für den Studiengang und den später auszuübenden Beruf nicht besitzt (vgl. BayVerfGH, E.v. 27.1.1994 – Vf. 14 – VII -92 – juris Rn. 68). Diese drei Prüfungsversuche bilden eine hinreichend zuverlässige Grundlage für die Beurteilung, inwiefern ein Student die beruflichen und akademischen Anforderungen erfüllt.
Die vom Kläger vorgetragenen Umstände begründen allerdings ohnehin keinen prüfungsrechtlichen Härtefall. Eine einen Härtefall begründende Situation liege vor, wenn sich aus den ersten drei Prüfungsversuchen des Klägers nicht mit hinreichender Sicherheit ersehen ließe, dass er für die Fortsetzung des Studiums nicht geeignet ist, und erwartet werden könne, dass er bei einem erneuten Versuch die Prüfung bestehen wird (vgl. BayVerfGH, E.v. 27.1.1994 – Vf. 14 -VII juris Rn. 70; SächsOVG, B.v. 12.12.2007 – 4 B 412/07 – juris Rn. 7). Zweifel an der Beurteilung der Nichteignung können sich insbesondere dann ergeben, wenn Umstände vorliegen, die den Prüfling an der vollen Entfaltung seines Leistungsvermögens gehindert haben könnten (vgl. OVG NRW, U.v. 26.11.1993 – 22 A 3246/92 – juris Rn. 33 ff.). Dabei kann unter dem Aspekt, dass eine weitere Wiederholungsmöglichkeit aus Härtefallgründen die Ausnahme bildet, nicht jede Verminderung der Leistungsfähigkeit zur Bejahung eines Härtefalls führen. Vielmehr muss der Misserfolg des Prüflings bei der vorausgegangenen Prüfung in außergewöhnlichen, beispielsweise sein Leistungsvermögen erheblich beeinträchtigenden Umständen gründen (vgl. VG Würzburg, Gb.v. 25.11.2015 – W 2 K 15.382 – juris Rn. 33; VG Berlin, B.v. 21.11.2007 – 3 A 617.07 – juris Rn. 7). Bei der Frage, ob ein besonderer Härtefall vorliegt, müssen jedoch solche Gründe unberücksichtigt bleiben, die im Wege des Rücktritts von einer Prüfung geltend zu machen sind (vgl. SächsOVG, B.v. 12.12.2007 – 4 B 412/07 – juris Rn. 7; OVG NRW, U.v. 26.11.1993 – 22 A 3246/92 – juris Rn. 38).
Hiernach müssen die vom Kläger vorgebrachte Aufmerksamkeitsdefizits-Erkrankung und Schilddrüsenstörung bei der Härtefallprüfung außer Betracht bleiben, da eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit im Wege des Rücktritts von der Prüfung geltend zu machen ist. Andernfalls könnten die besonderen Regelungen, die für den krankheitsbedingten Rücktritt gelten, insbesondere die Unverzüglichkeit der Rücktrittserklärung, unterlaufen werden. Nichts anderes gilt, wenn man die Aufmerksamkeitsdefizits- und die Schilddrüsenerkrankung als prüfungsrechtlich unbeachtliche Dauerleiden einstuft, die auch im Rahmen eines Prüfungsrücktritts unberücksichtigt bleiben. Bei einem Dauerleiden, welches das reguläre Leistungsbild des Prüflings bestimmt (vgl. BVerwG, B.v. 13.12.1985 – 7 B 210/85 – juris Rn. 6), liegen gerade auch keine außergewöhnlichen einen Härtefall begründende Umstände vor, die ausnahmsweise die Annahme rechtfertigten, die abgelegten Prüfungsversuche entsprächen nicht dem eigentlichen Leistungs niveau des Prüflings. Es kann somit offen bleiben, ob es sich bei den Krankheiten des Klägers tatsächlich um auf unbestimmte Zeit andauernde und nicht in absehbarer Zeit heilbare Leiden handelt oder ob diese Erkrankungen mit Medikamenten so weit reguliert werden können, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers ausreichend wieder hergestellt ist. Gegen letzteres spricht, dass der Kläger in seinem Schreiben an die Beklagte angibt, dass er seit seiner Schulzeit und auch während seines Studiums medikamentös behandelt werde und dennoch mit seiner Konzentration sowie mit Organisationsproblemen zu kämpfen habe.
Soweit der Kläger geltend macht, er sei durch die irrtümliche Annahme, er habe die Klausur „Volkswirtschaft“ endgültig nicht bestanden, und durch den Vorwurf des Unterschleifs in einer Weise belastet gewesen, die einen Härtefall begründen, kann dies nicht überzeugen. Die Wertung seiner Prüfung im Fach „Recht für Wirtschaftswissenschaftler“ als nicht bestanden wegen Unterschleifs hat der Kläger mit zu vertreten, da er tatsächlich zu Beginn der Prüfung entgegen der Anweisung des Prüfers seinen Klausurbogen vorzeitig geöffnet hat. Damit scheitert die Gel-tendmachung dieses Vorfalls im Rahmen einer Härtefallprüfung aus, da nur solche Umstände einen Härtefall begründen können, die der Prüfling gerade nicht zu vertreten hat (vgl. SächsOVG, B.v. 12.12.2007 4 B 412/07 – juris Rn. 7). Des Weiteren handelt es sich bei diesem Zwischenfall nicht um einen außergewöhnlichen Umstand, sondern um eine Situation, die im Bereich dessen liegt, von dem erwartet werden kann, dass es ein durchschnittlicher Student bewältigen kann. Die Verwechslung bei der Notenbekanntgabe zur Prüfung im Fach Volkswirtschaft begründet ebenfalls keinen Härtefall. Zwar hat der Kläger nach eigenen Angaben erst nach dem Ablegen des zweiten Versuchs der Prüfung im Fach „Betriebliches Rechnungswesen I“ erfahren, dass er die Prüfung im Fach „Volkswirtschaft“ doch bestanden hat und kann die Annahme, sein Studium nicht fortsetzen zu können, aus verständiger Perspektive zu einer Einschränkung der Prüfungsfähigkeit führen. Der Kläger hat jedoch in der mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2017 angegeben, dass er selbst letztlich immer an einen Fehler bei der Notenbekanntgabe geglaubt habe. Hinzu kommt, dass die Verwechslung im Rahmen der Notenbekanntgabe wenn überhaupt die Leistungsfähigkeit des Klägers während des zweiten Versuchs der Prüfung im Fach „Betriebliches Rechnungswesen I“ eingeschränkt haben kann. Die Korrektur des Ergebnisses der Volkswirtschaftsprüfung wurde dem Kläger nach eigenen, sehr unbestimmten, Angaben spätestens vier bis fünf Wochen nach der Prüfung am 1. April 2015 also deutlich vor dem letzten Versuch am 8. Juli 2015 mitgeteilt. Eine aus besonderen Gründen während des Zweitversuchs eingeschränkte Prüfungsfähigkeit hätte der Kläger jedoch direkt nach dem Zweitversuch geltend machen müssen. Zudem hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, nach § 34 Abs. 2 Satz 3 ABMstPO/Phil zu beantragen, den Letztversuch zu einem späteren Zeitpunkt zu schreiben. Dies hat der Kläger nicht getan. Dass die Eltern des Klägers finanzielle Schwierigkeiten hatten und der Kläger daher unter Druck stand, sein Studium besonders schnell abzuschließen, stellt keinen außergewöhnlichen Umstand dar, da die Finanzierung des Studiums ein Problem darstellt, das viele Studenten gleichermaßen trifft.
Die Entscheidung, dem Kläger keine dritte Wiederholungsmöglichkeit zu gewähren, ist auch verhältnismäßig im Einzelfall. Ziel der Begrenzung von Wiederholungsmöglichkeiten ist es, nur den Studenten die Fortsetzung des Studiums zu ermöglichen, die auch die notwendige Eignung besitzen. Dabei muss sich die Beklagte nicht darauf verweisen lassen, dass eine weitere Wiederholungsmöglichkeit ein milderes Mittel gegenüber der Feststellung des endgültigen Nichtbestehens ist, da das Ziel der Eignungsfeststellung und das öffentliche Interesse an einer zweckmäßigen Nutzung der Studienressourcen auf diese Weise nicht gleich effektiv verfolgt werden können und verfassungsrechtlich die Begrenzung der Wiederholungsmöglichkeiten – wie bereits festgestellt – zulässig ist. Es ist schließlich auch angemessen, wenn dem Kläger eine weitere Wiederholungsmöglichkeit nicht gewährt wird. Da die Prüfungsordnung bereits zwei Wiederholungsmöglichkeiten vorsieht, ist der Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers nach Art. 12 Abs. 1 GG bereits abgemildert. Besondere Umstände, die die Beschränkung auf drei Prüfungsversuche gerade gegenüber dem Kläger als schweren, im Verhältnis zum Ziel der Maßnahme unangemessenen, Eingriff darstellen, liegen nicht vor. Hier gilt das im Rahmen der Prüfung des Härtefalls Gesagte. Die Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger die in Streit stehende Prüfung mittlerweile unter Vorbehalt bestanden hat. Der Kläger hat diese Prüfung im Bewusstsein des Risikos geschrieben, dass das Ergebnis bei Erfolglosigkeit der Klage nicht anerkannt wird. Dass der Kläger die Prüfung erneut ablegen konnte, ist allein eine Konsequenz der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es wäre bereits ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit, die Prüfung nun als bestanden zu werten, obwohl der Kläger letztlich keinen Anspruch auf den erneuten Prüfungsversuch hat.
Ein Anspruch des Klägers auf eine weitere Wiederholungsmöglichkeit der Prüfung im Fach „Betriebliches Rechnungswesen I“ ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger von seinem dritten Prüfungsversuch am 8. Juli 2015 nachträglich wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähig keit zurückgetreten ist, da der Kläger den Rücktritt nicht unverzüglich, sondern erst circa zweieinhalb Monate nach dem Prüfungstermin und insbesondere erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erklärt hat. Die Beklagte hat zu Recht geltend gemacht, dass das Aufmerk-samkeits-Defizit-Syndrom ebenso wie die Schilddrüsenfehlfunktion als Krankheiten – wenn überhaupt – nur im Wege eines Prüfungsrücktritts geltend gemacht werden können. Dabei muss der Prüfling nicht nur das Vorliegen einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit als solche darlegen, sondern den Rücktritt auch unverzüglich nach Erkennen der Prüfungsunfähigkeit gegenüber dem Prüfer erklären (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.1988 – 7 C 8/88 – juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 6.9.1995 – 6 C 16/93 – juris Rn. 47; vgl. § 10 Abs. 3 Satz 3 ABMstPO/Phil). Für beide Tatsachen trägt der Kläger die materielle Beweislast (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.1988 – 7 C 8.88 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 4.3.2013 – 7 CE 13.181 – juris Rn. 14). Nimmt der Prüfling an der Prüfung teil und erklärt erst nach deren Beendigung seinen Rücktritt unter Berufung auf eine zunächst unerkannte Prüfungsunfähigkeit, muss er die Gründe dafür, dass er seine Prüfungsfähigkeit zunächst nicht erkennen konnte, in gleicher Weise glaubhaft machen wie die Prüfungsunfähigkeit selbst. Ein Attest muss die krankhafte Beeinträchtigung des Prüflings und ihre Auswirkungen auf dessen Leistungsvermögen in der konkreten Prüfung so beschreiben, dass die Prüfungsbehörde in die Lage versetzt wird, auf der Grundlage des Attests zu entscheiden, ob ein ausreichender Grund nachgewiesen ist. Macht der Prüfling geltend, er habe seine Prüfungsunfähigkeit krankheitsbedingt nicht frühzeitig erkennen können, muss er hierfür ausreichende Nachweise in Form einer ärztlichen Bescheinigung erbringen, in der anhand konkreter Feststellungen nachvollziehbar dargelegt wird, dass er bis zum Abschluss der Prüfung nicht in der Lage war, die Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens zu erkennen (BayVGH, B.v. 4.3.2013 – 7 CE 13.181 – juris Rn. 15). Dem Prüfling ist seine Prüfungsunfähigkeit bereits dann bekannt, wenn ihm im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre bewusst wird, dass seine Leistungsfähigkeit durch sein gesundheitliches Befinden eingeschränkt ist (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1993 – 6 C 28/92 – juris Rn. 32; BVerwG, U.v. 7.10.1988 – 7 C 8/88 – juris Rn. 12; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 288). Es liegt in der Verantwortung des Prüflings, sich vor und während der Prüfung seiner Prüfungsfähigkeit zu vergewissern (vgl. BVerwG, B.v. 17.1.1984 – 7 B 29/38 – juris Rn. 7). An die Unverzüglichkeit der Rücktrittserklärung sind dabei hohe Anforderungen zu stellen, um einem Missbrauch des Rücktrittsrechts mit dem Ziel der Verbesserung der Prüfungschancen entgegenzuwirken (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.1988 – 7 C 8/88 – juris Rn. 12). Wartet der Prüfling, so wie der Kläger, die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses ab, bevor er eine Erkrankung geltend macht, die seine Leistungsfä higkeit während der Prüfung eingeschränkt haben soll, liegt ein Missbrauch des Rücktrittsrechts nahe (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.1988 – 7 C 8/88 – juris Rn. 12) beziehungsweise kann sogar der grundsätzliche Ausschluss des Rücktritts angenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 6.9.1995 – 6 C 16/93 – juris Rn. 48).
Der Kläger weiß nach eigenen Angaben seit seiner Schulzeit, dass er am Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom leidet und dort bereits Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit auf Grund der Erkrankung gegeben waren. Dem Kläger muss bewusst gewesen sein, dass diese Krankheit Auswirkungen auf seine Leistungsfähigkeit haben kann, da er sich seit Beginn seines Studiums in psychologischer Behandlung befindet und Medikamente nimmt. Der Kläger macht keinerlei Angaben, warum ihm trotz Kenntnis der Diagnose gerade im dritten Versuch der Prüfung im Fach „Betriebliches Rechnungswesen I“ der von ihm behauptete Zusammenhang zwischen der Krankheit und seiner Prüfungsfähigkeit nicht bewusst war, sondern erst im Zeitpunkt der Mitteilung des Ergebnisses bewusst wurde.
Dem Kläger gelingt es nicht nachzuweisen, dass er durch eine Fehlfunktion seiner Schilddrüse in seiner Leistungsfähigkeit während des dritten Versuchs eingeschränkt gewesen war. Das von ihm im Klageverfahren vorgelegte Attest vom 13. Dezember 2016 trifft keine Aussage darüber, inwiefern und in welchen Zeiträumen der Kläger tatsächlich durch die festgestellte Erkrankung in seiner Prüfungsfähigkeit eingeschränkt war. Ebenso wenig finden sich in dem Attest Feststellungen dazu, dass der Kläger die Symptome der Krankheit und deren Auswirkungen auf seine Prüfungsfähigkeit im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht erkennen konnte. Schließlich bleibt festzustellen, dass ausweislich des Attestes die Schilddrüsenfehlfunktion lediglich „gering aktiv“ ist.
Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Neubewertung seines dritten Prüfungsversuchs vom 8. Juli 2015 hat. Bewertungsfehler wurden nicht substanti-iert gerügt und sind auch nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger vorträgt, die Klausur sei erneut zu bewerten, da er den Korrektur Weg nicht nachvollziehen könne, kann dies nicht überzeugen. Dem Kläger gelingt es nicht substantiiert vorzubringen, bei welcher Aufgabe genau er durch unvollständige oder sonst mangelhafte Korrekturbegründung daran gehindert ist, die Bewertung nachzuvollziehen und begründete Bewer tungsrügen zu erheben. Zudem finden sich an der Klausur des Klägers jeweils Häkchen, Auslassungszeichen und Fehlerzeichen, so dass durchaus erkennbar ist, welche Aufgaben der Kläger falsch, richtig oder unvollständig beantwortet hat. Teilweise sind Kontenangaben korrigiert worden und andere Korrekturbemerkungen ersichtlich. Ebenso ergibt sich die Punktevergabe auf die einzelnen Teilaufgaben aus der Korrektur.
Die Behauptung des Klägers, die Korrektur der Klausur sei verschärft worden, da sich der Prüfer über die geringe Besucherzahl seiner Vorlesung geärgert habe, ist eine nicht substantiierte und haltlose Unterstellung und damit unbeachtlich.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass eine Universitätsklausur Aufgaben aus Übungen zu Vorlesungen übernimmt oder sich in sonstiger Weise an der Übung orientiert. Geprüft wird in Universitätsklausuren das Fach als solches und nicht etwa ein bestimmter Stoff einer Übung oder Vorlesung. Es liegt dabei in der Verantwortung des Studenten, sich gegebenenfalls auch selbstständig auf eine Prüfung vorzubereiten. Dies gilt auch, wenn der Student der Ansicht ist, die Vorlesung bereite ihn nicht ausreichend auf die Prüfung vor. Der Vorwurf des Klägers, die Teilnehmer einer bestimmten Übung seien gegenüber den Teilnehmern anderer Übungen auf Grund unterschiedlicher Unterlagen bevorzugt worden, erweist sich wiederum als haltlos. Nach Angabe der Beklagten gab es in der Vorlesungszeit vor dem letzten Prüfungsversuch des Klägers nur zwei Übungen zum Fach „Betriebliches Rechnungswesen“, die beide von demselben Übungsleiter abgehalten und in denen dieselben Arbeitsunterlagen verwendet wurden.
Der Kläger bemängelt, dass teilweise auf richtige Kontenangaben in der Prüfung keine Punkte vergeben wurden. Zum einen bleibt dies jedoch zunächst eine pauschale Aussage, ohne dass der Kläger angibt, bei welcher Aufgabe er konkret Punkte auf die richtige Kontobezeichnung hätte erhalten müssen. Zum anderen ist dieses Vorgehen aus gerichtlicher Sicht unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Prüfers nicht zu beanstanden. Es liegt im Beurteilungsspielraum des Prüfers, die einzelnen zu erbringenden Prüfungsleistungen zu gewichten (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris Rn. 11). Da dem Kläger in der streitigen Prüfung eine Liste mit den Kontonummern und -bezeichnungen als Hilfsmittel zur Verfügung stand, ist es vertretbar, auf bloße Kontenangaben keine Punkte zu vergeben. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass es im Fach „Betriebliches Rechnungswesen“ nicht allein auf die Buchhaltung als Disziplin, sondern auf konkrete Rechnungen ankommt.
Soweit der Kläger bei der Teilaufgabe 2a) rügt, dass er die Korrektur nicht nachvollziehen kann, führt dies nicht zu einem Anspruch auf Neubewertung, da der Kläger auf diese Teilaufgabe die volle Punktzahl erhalten hat.
Der Kläger bleibt auch mit der Rüge gegen die Bewertung der Teilaufgabe 2b) erfolglos. Die Bewertung mit 0 Punkten ist unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Prüfers nicht zu beanstanden, da der Kläger nur einen von vier Beträgen berechnet hat und nach Angabe der Beklagten, die Berechnung der Beträge der wesentliche Prüfungsteil war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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