Aktenzeichen AN 3 S 16.01585
Leitsatz
1 Diente eine Straße zunächst nur als Zufahrt zu landwirtschaftlichen Flächen oder etwa dem Verbindungsverkehr und wurde sie erst nachträglich zu einer Erschließungsanlage des Typs einer zum Anbau bestimmten Straße, so kommt es für die Frage ihrer erstmaligen Herstellung auf den Zeitpunkt des Funktionswechsels an. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Straße in unbeplanten Gebieten enthält die Funktion einer Erschließungsanlage nicht schon dadurch, dass vereinzelt Grundstücke an ihr bebaut werden, sondern sie ändert ihre rechtliche Qualität vielmehr erst dann, wenn an ihr eine gehäufte Bebauung einsetzt, das heißt – zumindest für eine Straßenseite – bauplanungsrechtlich Innenbereichslage zu bejahen ist. Das verlangt, dass die maßgeblichen Grundstücke in einem Bebauungszusammenhang liegen, der einem Ortsteil angehört. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2016 für die Maßnahme: … Ortsdurchfahrt – Fahrbahn und Mehrzweckstreifen betreffend Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 1.819,09 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit den Bescheiden, jeweils vom 22. Januar 2016, wurde der Antragsteller als Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …, zu einem Straßenausbaubeitrag für die Maßnahme: …, Ortsdurchfahrt – Fahrbahn in Höhe von 5.969,08 EUR und für die Maßnahme: …, Ortsdurchfahrt – Mehrzweckstreifen zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 1.307,30 EUR herangezogen.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten, jeweils vom 22. Februar 2016, ließ der Antragsteller hiergegen Widerspruch einlegen und mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11. Juli 2016 beantragen, die sofortige Vollziehung auszusetzen.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14. Juli 2016 wurde dieser Antrag von der Antragsgegnerin abgelehnt.
Mit dem bei Gericht am 15. August 2016 eingegangenen Schriftsatz ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2016 hinsichtlich Fahrbahn und Mehrzweckstreifen anzuordnen.
Auf die Antragsbegründung wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 24. August 2016 ihrer Prozessbevollmächtigten beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Bereits am 9. August 2016 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit seinen Beschlüssen (6 CS 16.1032, 1033 und 1034) die aufschiebende Wirkung der Klagen eines anderen Beitragspflichtigen hinsichtlich der oben genannten Maßnahmen angeordnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin und auf die beigezogene Widerspruchsakte des Landratsamtes … Bezug genommen.
II.
Nachdem der Antragsteller die Zugangsvoraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO erfüllt hat, ist sein Antrag zulässig und auch begründet.
Die Begründetheit des Antrags des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Widersprüche gegen die Beitragsbescheide der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2016, soweit sie streitgegenständlich sind, anzuordnen, ergibt sich aus der Begründung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinen oben genannten Beschlüssen vom 9. August 2016, der sich die Kammer anschließt.
Nach dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hat die Antragsgegnerin die Beitragserhebung zu Unrecht auf das Straßenausbaubeitragsrecht (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG) gestützt.
Danach dürfte die abgerechnete Baumaßnahme an der Straße im Bereich … („Ortsdurchfahrt …“) jn den Anwendungsbereich des vorrangigen Erschließungsbeitragsrechts fallen (Art. 5a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 9 KAG i.d.F. des Gesetzes vom 8.3.2016, GVBl. S. 36 i.V.m. den §§ 128 ff. BauGB). Auf der Grundlage des Erschließungsbeitragsrechts könnten die angefochtenen Bescheide nicht aufrechterhalten werden, weil es bisher an der erschließungsrechtlichen Rechtmäßigkeit der Anlage nach § 125 BauGB fehlt.
Auf die weitere Begründung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinen Beschlüssen vom 9. August 2016 wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Beitragserhebung bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angezeigten summarischen Prüfung nach Straßenausbaubeitragsrecht auch im Falle des Antragstellers rechtswidrig, so dass seine Widersprüche gegen die streitgegenständlichen Bescheide hinsichtlich Fahrbahn und Mehrzweckstreifen voraussichtlich erfolgreich sein werden.
Dem Antrag war deshalb stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG, wobei die Kammer im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in ständiger Rechtsprechung ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts ansetzt.