Aktenzeichen 10 CE 17.2258
Leitsatz
Es ist nicht zu beanstanden, wenn ein mit Wertverlusten, drohenden Standschäden und der Erschwerung der zivilgerichtlichen Rechtsverfolgung begründeter Anordnungsgrund für die einstweilige Herausgabe eines sichergestellten Pkw verneint wird. (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 8 E 17.1224 2017-10-11 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, den am 30. März 2017 durch die Polizei gemäß Art. 25 Nr. 2 PAG sichergestellten Personenkraftwagen nebst den Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren an sie herauszugeben.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Oktober 2017 abgelehnt, weil weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch bestehe.
Die Angelegenheit sei bereits nicht eilbedürftig. Die Antragstellerin habe weder glaubhaft gemacht, dass durch die Sicherstellung des Pkw dieser einen erheblichen Wertverlust erleide – dies sei lediglich behauptet worden –, noch dass Standschäden zu befürchten seien. Es sei davon auszugehen, dass der Pkw beim Antragsgegner ordnungsgemäß verwahrt werde. Im Übrigen würde das Fahrzeug einen Wertverlust auch erleiden, wenn es bis zur zivilrechtlichen Klärung der Eigentumsverhältnisse bei der Antragstellerin stehen würde.
Auch ergebe sich kein Anordnungsanspruch, da die Voraussetzungen für die Sicherstellung und Verwahrung nach Art. 25 Nr. 2 und Art. 26 PAG noch nicht weggefallen seien (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG).
Die von der Antragstellerin in ihrer Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Prüfung beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass schon kein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegt, also die Notwendigkeit, Rechtsschutz zu gewähren, bevor eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache ergeht (Kuhla in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, § 123 Rn. 119).
Eine einstweilige Anordnung kann zum einen ergehen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO), oder zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Soweit die Antragstellerin wie schon in der ersten Instanz geltend macht, dass das sichergestellte Fahrzeug „tagtäglich einen massiven Wertverlust erleidet“, kann sie damit keine Gefahr der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung eines ihr zustehenden Rechts oder die Notwendigkeit der Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis darlegen. Die Berechnung eines Wertverlustes des Fahrzeugs mit 60,- Euro pro Tag wird lediglich „als gerichtsbekannt unterstellt“, damit aber nicht glaubhaft gemacht. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass das Fahrzeug einen Wertverlust auch erleiden würde, wenn es bei der Antragstellerin bis zur zivilrechtlichen Klärung der Eigentumsverhältnisse verwahrt würde. Im Übrigen ist die Berechnung der Antragstellerin auch nicht nachvollziehbar; um einen „Neuwagen“ handelt es sich ersichtlich nicht mehr, denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war das Fahrzeug schon seit dem 9. November 2016 in Rumänien in Benutzung, bevor es am 21./22. März 2017 in das Bundesgebiet zum Autohaus der Antragstellerin überführt wurde.
Auch die Gefahr von Standschäden an dem Fahrzeug ist durch den Vortrag der Antragstellerin, sie wisse nicht, wo sich das Fahrzeug befinde, nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat dargelegt, dass es sich nicht etwa auf einem Verwahr Platz befindet, sondern in der Verwahrhalle eines Autohauses in Augsburg fachgerecht untergebracht ist.
Ebenso begründet der Umstand, dass der Antragstellerin infolge der Sicherstellung „zivilrechtliche Schritte auch nicht unbedingt erleichtert“ werden, keinen Anordnungsgrund. Es ist nicht die Aufgabe einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, die Rechtsposition der Antragstellerin in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit mit einem Dritten zu stärken. Auch darf der Antragsgegner durch die Herausgabe eines sichergestellten Gegenstands nicht die zivilgerichtliche Entscheidung über die Eigentumsfrage an dem Gegenstand vorwegnehmen (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2009 – 10 CE 08.3393 – juris Rn. 12).
Da es somit bereits an einem Anordnungsgrund fehlt, kann eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 VwGO bereits deswegen nicht ergehen. Es kann damit offenbleiben, ob die Antragstellerin daneben einen sog. Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Ob die Antragstellerin die Herausgabe des sichergestellten Fahrzeugs an sich verlangen kann, ist im Hauptsacheverfahren, also im Rahmen der bereits anhängigen Klage, zu klären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).