Verwaltungsrecht

Herausgabepflicht eines ausländischen Führerscheins bei Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes nach § 28 Abs. 4 S. 2 FeV

Aktenzeichen  M 26 S 17.1018

Datum:
19.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
FeV FeV § 28 Abs. 4 S. 1, § 47 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Wird ein feststellender Verwaltungsakt nach § 28 Abs. 4 S. 2 FeV erlassen und dieser mit Widerspruch oder Anfechtungsklage angegriffen, so besteht nach § 47 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 iVm § 47 Abs. 1 S. 2 FeV nur dann eine Pflicht zur Vorlage des ausländischen Führerscheins, wenn die Feststellung über die fehlende Fahrberechtigung für sofort vollziehbar erklärt worden ist (Anschluss BayVGH BeckRS 2017, 105553). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Klage vom 10. März 2017 gegen Nummer 2 des Bescheids vom 13. Februar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21. Februar 2017 aufschiebende Wirkung hat. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird hinsichtlich Nummer 3 des genannten Bescheids wiederhergestellt und hinsichtlich Nummer 5 angeordnet.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf Euro 5.000,– festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Feststellung des Landratsamts, dass er nicht berechtigt sei, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, und gegen die ihm auferlegte Verpflichtung zur Vorlage seines Führerscheins zwecks Eintragung eines Sperrvermerks.
Der Antragsteller ist Inhaber einer polnischen Fahrerlaubnis der Klassen A und B; das entsprechende Führerscheindokument wurde ihm am … Januar 2009 ausgestellt. Mit Bescheid vom 13. Februar 2017, geändert durch Bescheid vom 21. Februar 2017, lehnte das Landratsamt einen Antrag des Antragstellers auf Anerkennung des Rechts, von seiner ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, ab (Nummer 1) und stellte fest, dass die polnische Fahrerlaubnis den Antragsteller nicht berechtige, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen (Nummer 2). Des Weiteren wurde der Antragsteller verpflichtet, seinen polnischen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids zur Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen (Nummer 3), und die sofortige Vollziehung dieser Verpflichtung angeordnet (Nummer 4). Unter Nummer 5 wurde ein Zwangsgeld für die Nichtvorlage des Führerscheins angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, es lägen vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen vor, die sich bzgl. der Meldedaten widersprächen und daher darauf hindeuteten, dass der Antragsteller keinen ordentlichen Wohnsitz in Polen gehabt und er lediglich einen rein fiktiven Wohnsitz zum Zwecke des Führerscheinerwerbs dort begründet habe.
Da der Antragsteller dem Vorlageverlangen hinsichtlich seines Führerscheins nicht nachkam, wurde mit Bescheid vom 7. März 2017 die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht.
Am 10. März 2017 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 13. Februar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21. Februar 2017 erheben, die unter dem Az. M 26 K 17.1017 anhängig ist. Zugleich beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Das Landratsamt legte mit Schriftsatz vom 24. März 2017 die Behördenakte vor und beantragt für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Der Antrag ist entsprechend dem erkennbaren Rechtsschutzziel (§§ 122 Abs. 1, 88 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]) dahin auszulegen, dass in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO festgestellt werden soll, dass die Klage gegen Nummer 2 des Bescheids vom 13. Februar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21. Februar 2017 aufschiebende Wirkung hat, und dass die Aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Vorlageverpflichtung in Nummer 3 des Bescheids wiederhergestellt sowie hinsichtlich der in Nummer 5 des Bescheids verfügten und bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung (Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes [BayVwZVG]) angeordnet werden soll. Der Antragsgegner berühmt sich der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids, insbesondere der darin verfügten Vorlageverpflichtung des Führerscheins. Bei einer solchen Sachlage ist ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage als Sonderform des Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 109).
Der Antrag ist auch begründet. Die aufschiebende Wirkung entfällt nur, wenn die sofortige Vollziehung durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder wenn die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil ein Sofortvollzug hinsichtlich des feststellenden Verwaltungsakts in Nummer 2 des Bescheids nicht angeordnet wurde und die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der in Nummer 3 des Bescheids verfügten Vorlageverpflichtung daher rechtswidrig ist.
Es trifft zwar zu, dass nach § 28 Abs. 4 Satz 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung [FeV] ein feststellender Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung nach § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV nicht zwingend erlassen werden muss, sondern im Ermessen der Behörde steht (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 28 FeV Rn. 56; Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Aufl. 2014, § 28 FeV Rn. 45). Wird jedoch ein feststellender Verwaltungsakt nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV erlassen und dieser mit Widerspruch oder Anfechtungsklage angegriffen, so besteht nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV nur dann eine Pflicht zur Vorlage des ausländischen Führerscheins, wenn die Feststellung über die fehlende Fahrberechtigung für sofort vollziehbar erklärt worden ist. Nur in diesem Fall ist der Betreffende nach § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV zur Vorlage seines EU-Führerscheins verpflichtet und diese Pflicht kann ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2017 – 11 CS 17.315 -, v. 11.7.2016 – 11 CS 16.1084, v. 22.8.2016 – 11 CS 16.1230, v. 7.2.2017 – 11 CS 16.2562 – alle in juris).
Die frühere Rechtsprechung (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.8.2010 – 11 CS 10.785 – juris), dass bei fehlender sofortiger Vollziehbarkeit der Feststellung über die fehlende Fahrberechtigung die Rechtslage so zu bewerten ist, als wäre der feststellende Verwaltungsakt nicht erlassen worden, kann nach der Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung durch die Erste Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 17. Dezember 2010 (BGBl I S. 2279) nicht aufrecht erhalten werden. Mit dieser Änderung wurde in § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV zusätzlich zu dem Fall der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Möglichkeit der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung eingefügt. Damit gilt auch hinsichtlich der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung die Verweisung in § 47 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FeV auf § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV. Danach besteht die Verpflichtung zur Ablieferung oder Vorlage des Führerscheins auch, wenn die Entscheidung angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung (hier: ihrer Feststellung) angeordnet hat. Im Umkehrschluss besteht keine durchsetzbare Vorlagepflicht, wenn die Verfügung angefochten und insoweit kein Sofortvollzug angeordnet worden ist.
Mangels sofortiger Vollziehbarkeit der Vorlageverpflichtung des Führerscheins war die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung ebenfalls anzuordnen (vgl. Art. 19 Abs. 1 BayVwZVG).
Darüber, ob die vorliegenden Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat einen Wohnsitzverstoß hinreichend belegen, braucht deshalb im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden.
Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit den Empfehlungen in Nummern 1.5, 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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