Aktenzeichen 7 ZB 17.1464
Leitsatz
Versäumt es ein Prüfling, obwohl er von einer bei ihm bestehenden Krankheit Kenntnis hat, sich vor Antritt der Prüfung bei seinem Arzt über mögliche Leistungsbeeinträchtigungen durch diese zu informieren, trägt er jedenfalls dann das Risiko seiner Prüfungsunfähigkeit, wenn er die Leistungsbeeinträchtigung erst nach Bekanntwerden des Prüfungsergebnisses geltend macht. (Rn. 10)
Verfahrensgang
AN 2 K 15.1511 2017-04-20 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 20. April 2017 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin, die seit dem Wintersemester 2013/2014 bei der Beklagten im Studienfach Pharmazie immatrikuliert ist, wendet sich gegen deren Bescheid vom 7. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. August 2015, mit dem das endgültige Nichtbestehen des Pharmaziestudiums festgestellt wurde.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach hat die auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung zur Neubewertung der Klausur „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arznei-, Hilfs- und Schadstoffe“ im Grundstudium der Pharmazie, hilfsweise auf Eröffnung eines weiteren Prüfungsversuchs gerichtete Klage mit Urteil vom 20. April 2017 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Zur Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin – zum Teil ausdrücklich, zum Teil sinngemäß – ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und es lägen Verfahrensfehler vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und 5 VwGO). Die Beklagte und die Beteiligte treten dem ausdrücklich entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin innerhalb der Zweimonatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht ausreichend dargelegt bzw. bestehen nicht. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf die Ausführungen der Klägerin zu bemerken:
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Einwendung der Klägerin, die Fragestellungen der Aufgaben 3, 6, 9, 12 und 20c seien in den Vorlesungen nicht behandelt worden, nicht durchgreift. Nach § 17 Abs. 1 der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) vom 19.7.1989 (BGBl I S. 1489), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.4.2016 (BGBl I S. 886), erstreckt sich der Erste Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung (unter anderem) auf die Fächer „Allgemeine, anorganische und organische Chemie“. Nach Absatz 3 der Vorschrift müssen die Fragen auf den in der Anlage 13 festgelegten Prüfungsstoff abgestellt sein. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Fragen nicht Gegenstand dieses Prüfungsstoffs gewesen seien. Soweit sie sich darauf beruft, dass der abgefragte Stoff in der Vorlesung nicht vermittelt worden sei, ist dies unmaßgeblich. Die Vorbereitung auf das berufliche Tätigkeitsfeld findet gleichermaßen durch Lehre und Studium statt (vgl. Art. 55 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG), sodass es (auch) Aufgabe des jeweiligen Studenten ist, sich adäquat und selbstverantwortlich anhand von einschlägigen Lehrbüchern mit dem Prüfungsstoff vertraut zu machen.
b) Soweit die Klägerin rügt, bei der Aufgabe 17b habe der Zweitkorrektor die vom Erstkorrektor vorgenommene Bewertung mit der vollen Zahl von zwei Punkten auf letztlich 0 Punkte abgeändert, liegt kein von Willkür getragener Bewertungsfehler vor. Prüfungsbewertungen sind wegen des den Prüfern zustehenden Bewertungsspielraums gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (stRSpr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.11.2011 – 7 ZB 11.1320 – BayVBl 2012, 214 Rn. 8 m.w.N.). Gegenstand des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums ist unter anderem die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (vgl. BVerwG, B.v. 16.8.2011 – 6 B 18.11 – juris Rn. 16). Nicht maßgeblich ist infolgedessen, dass der Erstkorrektor diesen als weniger bedeutend als der Zweitkorrektor angesehen bzw. diesen laut Ausführungen der Beklagten übersehen hat. Anhaltspunkte für eine Überschreitung des Bewertungsspielraums dadurch, dass der Zweitkorrektor von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sich von sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Welchen Bezug zur Bewertung eines Folgefehlers die Klägerin herstellen will, erschließt sich nicht. Es handelt sich bei der Aufgabe 17b nicht um eine mehrteilige Aufgabe, deren fehlerhafte Lösung des ersten Teils Folgefehler in der Lösung der weiteren Teile nach sich ziehen würde, sondern um die Formulierung einer Strukturformel für eine Verbindung, die fehlerhaft gelöst wurde. Abgesehen davon wäre auch die Bewertung von Folgefehlern Gegenstand des einem Prüfer obliegenden Bewertungsspielraums.
c) Mit dem Einwand, das Verwaltungsgericht habe ihren Vortrag, die Prüfungszeit sei zu knapp bemessen gewesen und die Vorbereitung auf eine „Prüfung diesen Umfangs“ sei nicht ausreichend gewesen, zu Unrecht als unsubstantiiert gewertet und den Ausführungen der Beklagten größere Bedeutung zugemessen, greift die Klägerin die Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) des Verwaltungsgerichts an und macht sinngemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Mit ihrem Vortrag legt sie jedoch nicht dar, dass die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ersichtlich nicht zutreffen oder wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Sie ist lediglich der Meinung, dass ihre Argumente, mit denen sie die Prüfungszeit für zu kurz bemessen ansieht, den Argumenten der Beklagten zur Angemessenheit der Prüfungszeit überlegen seien. Diese Bewertung obliegt allerdings im Rahmen der Beweiswürdigung allein dem Verwaltungsgericht, das mit gedanklich nicht fehlerhafter Begründung den Argumenten der Beklagten, die die vorgegebene Arbeitszeit und die Vorbereitung für ausreichend hält, gefolgt ist.
d) Auch der Vortrag der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft nicht berücksichtigt, dass sie die genauen Auswirkungen ihrer Erkrankung nicht gekannt habe und nicht habe wissen können, dass die Medikamenteneinstellung über einen längeren Zeitraum erheblichen Einfluss auf ihre Konzentrationsfähigkeit habe, kann die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht in Frage stellen. Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 14.1.2014 – 7 ZB 13.2389 – juris Rn. 10) davon ausgegangen, dass ein Prüfling die von ihm nicht zu vertretenden und seine Leistungsfähigkeit während der Prüfung erheblich vermindernden Umstände substantiiert und zeitnah („unverzüglich“) geltend zu machen hat. Dies gilt insbesondere – wie im Fall der Klägerin – auch für den Prüfling, der an der Prüfung teilnimmt und die Mitteilung der Prüfungsergebnisse abwartet, um anschließend geltend zu machen, während der Prüfung aus Krankheitsgründen (unerkannt) in der Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen zu sein. Das Verwaltungsgericht ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass ein Rücktritt der Klägerin ausgeschlossen sei, da diese in Kenntnis ihres Krankheitszustandes an der Prüfung teilgenommen habe. Dies ergibt sich zum einen aus dem Attest von Herrn Dr. med. Dipl.-Psych. R* … vom 11. Mai 2015, wonach die Klägerin auf eigenen Wunsch an Prüfungen teilgenommen habe, obwohl die begonnene Medikamenteneinstellung noch deutlich insuffizient gewesen sei, zum anderen aber auch aus dem Vortrag der Klägerin, es könne ihr „nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung nach bestem Vermögen bemüht“ gewesen sei, „an der Prüfung teilzunehmen“. Dies zugrunde gelegt, nahm die Klägerin bewusst das Risiko auf sich, aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht bzw. nicht in vollem Umfang leistungsfähig zu sein. Dass es der Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht möglich gewesen sein soll, diesen zutreffend einzuschätzen, wird dem widersprechend und darüber hinaus erst nach Ablauf der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags vorgetragen. Abgesehen davon ist für die Feststellung der Prüfungs(un) fähigkeit in erster Linie der Prüfling selbst verantwortlich (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.1983 – 7 C 95.82 – juris Rn. 30). Er hat sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände erheblich beeinträchtigt ist, und er hat bejahendenfalls daraus unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, die Konsequenzen zu ziehen und den Rücktritt von der Prüfung zu erklären. Versäumt es ein Prüfling, obwohl er von einer bei ihm bestehenden Krankheit Kenntnis hat, sich bei seinem Arzt über mögliche Leistungsbeeinträchtigungen durch diese zu informieren, trägt er jedenfalls dann das Risiko seiner Prüfungsunfähigkeit, wenn er die Leistungsbeeinträchtigung erst nach Bekanntwerden des Prüfungsergebnisses geltend macht.
2. Die Klägerin hat auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht dargelegt. Um eine solche zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das – rechtzeitige – Zulassungsvorbringen nicht. Die Klägerin formuliert schon keine Rechtsfrage.
3. Schließlich wurde auch das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht dargelegt. Ein Verfahrensmangel ist in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht konkret zu bezeichnen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 74). Aus einer bloßen Beanstandung der materiell-rechtlichen Überlegungen des Verwaltungsgerichts lässt sich nicht auf eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge schließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Abänderung des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts und die Festsetzung des Streitwerts für beide Instanzen ergeben sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1GKG in Verbindung mit Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der im Jahr 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt bei Eyermann, VwGO).
Die vorliegende Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).