Verwaltungsrecht

Homosexualität bei Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  9 ZB 19.32519

Datum:
15.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15949
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3d Abs. 1, Abs. 2, § 78 Abs. 3, § 78 Abs. 5 S. 2, § 83b
VwGO § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die im Zulassungsvorbringen aufgeworfene Frage, „ob der Staat Sierra Leone Homosexuellen genügend Schutz vor kriminellem Unrecht gewährt“ genügt nicht den Anforderungen für die Darlgung einer grundsäzzlich klärungsbedürftigen Tatsachenfrage. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte eingeführte Erkenntnismittel, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen (zB Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte) enthält, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH BeckRS 2019, 7349). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 17.35046 2019-05-21 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger, nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 21. Mai 2019 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 9 ZB 19.30847 – juris Rn. 3 m.w.N.). Die im Zulassungsvorbringen aufgeworfene Frage, „ob der Staat Sierra Leone Homosexuellen genügend Schutz vor kriminellem Unrecht gewährt“ genügt diesen Anforderungen nicht.
Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die angegebene Fluchtgeschichte im Wesentlichen in der vom Kläger geschilderten Form nicht stattgefunden hat, weil er in wesentlichen Teilen nicht glaubhaft vorgetragen hat und Unstimmigkeiten nicht nachvollziehbar auflösen konnte. Es führt in der Begründung seiner Entscheidung ferner aus, dass keine Erkenntnisse vorliegen, dass staatliche Behörden in Sierra Leone gegen Verfolgungshandlungen Dritter keinen Schutz gewähren würden. Gegenteiliges lässt sich dem vom Kläger zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. April 2011 (Az. Au 7 K 10.30505) nicht entnehmen. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte eingeführte Erkenntnismittel, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen (z. B. Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte) enthält, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 9 ZB 17.31736 – juris Rn. 7). Der vom Kläger zitierte Bericht von Amnesty International vom 8. Mai 2015 ist allerdings nicht geeignet, insoweit die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Tatsachenfrage darzulegen, weil sich hieraus nicht der Schluss ziehen lässt, dass Homosexuelle in Sierra Leone allein wegen ihrer sexuellen Ausrichtung staatlichen Verfolgungshandlungen ausgesetzt sind oder der Staat hinsichtlich Verfolgungshandlungen von Seiten Dritter gegen Homosexuelle nicht in der Lage oder willens ist, Schutz zu gewähren (vgl. § 3d Abs. 1 und 2 AsylG). Einzelne geschilderte Übergriffe belegen im Übrigen nicht die grundsätzliche Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des Staates (BVerwG, U.v. 5.7.1994 – 9 C 1.94 – juris Rn. 9). Das Zulassungsvorbringen wendet sich damit vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht. Ein solches Vorbringen ist kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2018 – 9 ZB 18.30439 – juris Rn. 6).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen