Aktenzeichen 7 CE 19.10015
BayHZV Art. 4
KapVO § 17
Leitsatz
1. Bei der Kapazitätsberechnung für den vorklinischen Teil können sich Auswirkungen der patientenbezogenen Einflussfaktoren nur im Rahmen des § 55 Abs. 2 HZV ergeben. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Kapazitätsrechtlich ist eine getrennte Schwundberechnung für Voll- und Teilstudienplätze des Studiengangs Medizin nicht geboten. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 7 E 18.20056 2019-02-20 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester (Vorklinik) an der J.-M.-Universität W. (JMU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2018/2019, hilfsweise beschränkt auf den vorklinischen Studienabschnitt.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat den Antrag mit Beschluss vom 20. Februar 2019 abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der JMU über die vergebenen Studienplätze hinaus noch (mindestens) ein weiterer Studienplatz im Studiengang Humanmedizin im ersten Fachsemester zur Verfügung stehe, der von der Antragstellerin in Anspruch genommen werden könne.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie macht im Wesentlichen geltend, die JMU habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft. Die Berechnung der Ausbildungskapazität auf der Grundlage der tagesbelegten Betten sei nicht haltbar, da dieser Parameter inzwischen durch die Gesundheitsreform völlig überholt sei. Bei der Zählung der tagesbelegten Betten müsse angesichts der gesunkenen Verweildauer der Patienten ausschließlich auf die ausbildungsbezogenen Wochentage von Montag bis Freitag abgestellt werden. Die Vorgabe in § 17 KapVO sei aller Voraussicht nach insbesondere im Hinblick auf das BACES-Gutachten, wonach Erhebungen an den jeweiligen Modellhochschulen im Bundesgebiet eine patientenbezogene Eignungswahrscheinlichkeit von 17,1% ergeben hätten, nichtig. Infolgedessen sei der Antragsgegner verpflichtet, Studienbewerber bis zur Grenze seiner Funktionsfähigkeit aufzunehmen.
Die Verminderung der Lehrdeputate in Höhe von 20 LVS sei als nicht systemgerecht abzulehnen.
Bei der Schwundberechnung verkenne das Verwaltungsgericht, dass der “Gerichtsmedizinerschwund” bei Teilstudienplätzen wesentlich höher sei als bei Vollstudienplätzen. Es verbiete sich deshalb zumindest bei vorläufigen Teilstudienplätzen, diese in die Schwundberechnung endgültiger Vollstudienplätze einzubeziehen. Nicht gefolgt werden könne der Auffassung des Verwaltungsgerichts, “Gerichtsmediziner” seien bei der Schwundberechnung überhaupt nicht zu berücksichtigen, insbesondere wenn es sich nur um wenige gerichtlich zugelassene Bewerber handle.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 11. April 2019 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde. Es wird auf den Schriftsatz vom 7. Mai 2019 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht.
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die JMU im Wintersemester 2018/2019 ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt (Vorklinik), ausgeschöpft hat. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Gründe lassen nicht erkennen, dass die JMU darüber hinaus noch über weitere Ausbildungskapazität verfügen würde.
1. Soweit die Antragstellerin rügt, die Berechnung der Ausbildungskapazität auf der Grundlage der tagesbelegten Betten unter Zugrundelegung des Faktors 15,5% nach § 17 Abs. 1 KapVO sei infolge der Gesundheitsreform nicht mehr haltbar, kann sie damit nicht durchdringen. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayHZG wird die jährliche Aufnahmekapazität insbesondere auf der Grundlage des Lehrangebots und des Ausbildungsaufwands ermittelt. Nach § 44 Abs. 3 Satz 1 HZV wird der Studiengang Medizin für Berechnungszwecke in einen vorklinischen und einen klinischen Teil untergliedert, wobei der vorklinische Teil den Studienabschnitt bis zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Approbationsordnung für Ärzte und der klinische Teil den Studienabschnitt zwischen dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und dem Beginn des Praktischen Jahres nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Approbationsordnung umfasst. § 17 Abs. 1 Nr. 1 KapVO bezieht sich – ebenso wie die in Bayern maßgebliche, gleichlautende Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV – ausschließlich auf den klinischen Teil des Studiengangs Medizin. Nach § 51 Abs. 2 Nr. 4, § 54 Abs. 1 Satz 1 HZV ist das Berechnungsergebnis für den klinischen Teil des Studiengangs Medizin anhand der patientenbezogenen Einflussfaktoren zu überprüfen. Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV sind als patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität für den Studienabschnitt zwischen dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Approbationsordnung für Ärzte und dem Beginn des Praktischen Jahres nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Approbationsordnung für Ärzte (klinischer Teil, vgl. § 44 Abs. 3 Satz 1 HZV) 15,5 v.H. der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums anzusetzen. Eine gleichlautende Vorschrift für die hier inmitten stehende Kapazitätsberechnung für den vorklinischen Teil des Studiengangs Medizin existiert nicht. Auswirkungen der patientenbezogenen Aufnahmekapazität im Klinikum auf die Aufnahmekapazität in der Vorklinik könnten sich nur im Rahmen von § 55 Abs. 2 HZV ergeben. In der Satzung über die Festsetzung der Zulassungszahlen der im Studienjahr 2018/2019 an der J.-M.-Universität W. als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie im höheren Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung 2018/2019) vom 30. Juni 2018 wurden jedoch keine auf den vorklinischen Teil des Studiengangs beschränkten Teilstudienplätze (§ 22 Abs. 1 HZV) festgesetzt.
2. Der Vortrag der Antragstellerin, die Verminderung von Lehrdeputaten sei der Kapazitätsverordnung fremd und könne im Rahmen der Kapazitätsberechnung nicht angesetzt werden, überzeugt schon deshalb nicht, weil er die eindeutigen gesetzlichen Regelungen negiert. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 3 BayHZG werden Reduzierungen der Lehrverpflichtung berücksichtigt. Nach § 46 Abs. 2 der hier anwendbaren Hochschulzulassungsverordnung (HZV) sind bei der Ermittlung der jährlichen Aufnahmekapazität aufgrund der personellen Ausstattung (vgl. § 43 HZV) Verminderungen der Lehrverpflichtung nach § 7 der Lehrverpflichtungsverordnung (LUVF) zu berücksichtigen.
3. Mit dem Einwand, die Schwundberechnung berücksichtige fehlerhaft nicht, dass der Gerichtsmedizinerschwund bei Teilstudienplätzen wesentlich höher sei als bei Vollstudienplätzen, kann die Antragstellerin ebenfalls nicht durchdringen. Die Zulassungszahlsatzung 2018/2019 weist keine Teilstudien-, sondern ausschließlich Vollstudienplätze aus, sodass sich schon aus diesem Grund keine Auswirkungen auf die Schwundberechnung ergeben können. Abgesehen davon wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine getrennte Schwundberechnung für Voll- und Teilstudienplätze des Studiengangs Medizin kapazitätsrechtlich nicht geboten (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 19.4.2012 – 7 CE 11.10770 u.a. – juris Rn. 13 m.w.N.).
4. Der Hilfsantrag auf vorläufige Zulassung beschränkt auf den vorklinischen Abschnitt hat ebenfalls keinen Erfolg. Auf den vorklinischen Studienabschnitt beschränkte Teilstudienplätze, die von der Stiftung für Hochschulzulassung getrennt von den übrigen Studienplätzen vergeben werden (§ 22, § 55 Abs. 2 HZV), sieht die Zulassungszahlsatzung 2018/2019 der JMU nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.