Verwaltungsrecht

Inanspruchnahme für Bestattungskosten

Aktenzeichen  4 ZB 16.1336

Datum:
23.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ErbR – 2018, 113
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BestG Art. 14 Abs. 2 S. 2, Art. 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
BGB § 1589

 

Leitsatz

1 Da das Vater-Tochter-Verhältnis einen näheren Grad der Verwandtschaft im Vergleich zum ursprünglich angenommenen Geschwisterverhältnis begründet (vgl. § 1589 S. 2 und 3 BGB), kann sich der Irrtum über das Verwandtschaftsverhältnis nicht auf die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme für die Bestattungskosten des Vaters auswirken.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Ermächtigung nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 BestG handelt es sich um einen Fall des intendierten Ermessens, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 16.214 2016-04-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. April 2016 (M 12 K 16.214) wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 3.690,31 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem sie zur Zahlung der Bestattungskosten in Höhe von 3.690,31 Euro für ihren verstorbenen Vater verpflichtet wurde. Im streitgegenständlichen Bescheid vom 3. Dezember 2015 hieß es, bei der Klägerin handele es sich um die Halbschwester des Verstorbenen. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens stellte die Klägerin klar, dass sie nicht die Schwester, sondern die nichteheliche Tochter des Verstorbenen sei. Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 25. April 2016, dass die Klägerin als Tochter des Verstorbenen erst recht bestattungs- und kostentragungspflichtig sei.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen den Leistungsbescheid mit Urteil vom 28. April 2016 ab. Der Umstand, dass die Beklagte in der Begründung des Bescheides irrtümlich von einem anderen Verwandtschaftsverhältnis ausgegangen sei, ändere nichts an der Kostentragungspflicht der Klägerin. Die Ermessensausübung der Beklagten sei nicht zu beanstanden.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Die Beklagte tritt dem Zulassungsantrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht durchgreift (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO). Solche Zweifel sind nur gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243/1244 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Klägerin trägt vor, die dem Bescheid zugrundeliegende Tatsachenfeststellung betreffend das Verwandtschaftsverhältnis sei offensichtlich falsch, so dass der Bescheid bereits aus diesem Grund hätte aufgehoben werden müssen. Eine Heilung des fehlerhaften Bescheides durch ergänzende Begründung bzw. Ermessensausübung sei nicht möglich. Im Rahmen eines etwaigen neuen Verwaltungsverfahrens müsse die Beklagte dann sorgfältig prüfen, ob eine Inanspruchnahme der Klägerin nicht wegen Vorliegens außergewöhnlicher Umstände ausscheide. Wegen der lebenslangen Verletzung der Unterhaltspflicht des Verstorbenen gegenüber der Klägerin sei ein Absehen von ihrer Inanspruchnahme für die Bestattungskosten gerechtfertigt. Hierzu erhalte der Bescheid keine Ermessenserwägungen, so dass eine zulässige Ergänzung im Sinn des § 114 Satz 2 VwGO nicht habe erfolgen können.
Diese Ausführungen der Klägerin sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu begründen. Will eine Gemeinde, die im Wege der Ersatzvornahme für die Bestattung einer verstorbenen Person gesorgt hat, von einem der ursprünglich Bestattungspflichtigen nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG Kostenersatz verlangen, so hat sie – ebenso wie bei einer Bestattungsanordnung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG – die in Art. 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 BestG und § 15 Satz 2 BestV vorgeschriebene Reihenfolge zu beachten, wonach bei der Heranziehung der Verpflichteten der Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft berücksichtigt werden „soll“ (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2016 – 4 ZB 16.1295 – NJW 2017, 344/345; B.v. 12.9.2013 – 4 ZB 12.2526 – BayVBl 2014, 178). Hieran gemessen begegnet die Inanspruchnahme der Klägerin, die mit dem Verstorbenen in gerader Linie verwandt ist (vgl. § 1589 Satz 1 BGB), keinen Bedenken. Da das Vater-Tochter-Verhältnis einen näheren Grad der Verwandtschaft im Vergleich zum ursprünglich angenommenen Geschwisterverhältnis begründet (vgl. § 1589 Satz 2 und 3 BGB), kann sich der Irrtum der Beklagten über das Verwandtschaftsverhältnis nicht auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides auswirken.
Die auf die Ermessensausübung bezogenen Einwände der Klägerin führen zu keiner anderen Beurteilung. Bei der Ermächtigung nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG handelt es sich um einen Fall des intendierten Ermessens, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei (BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – BayVBl 2009, 537; B.v. 12.9.2013 – 4 ZB 12.2526 – BayVBl 2014, 178 m.w.N.). Bei der Bestattungspflicht und der daraus resultierenden Kostentragungspflicht geht es vor allem darum, die private Verantwortungssphäre von derjenigen der Allgemeinheit abzugrenzen. Es bedarf daher einer Darlegung von Ermessenserwägungen nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen können. Solche besonderen Umstände des Einzelfalls sind jedoch weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich. Insbesondere machen weder Unterhaltspflichtverletzungen noch (sonstige) gestörte Familienverhältnisse die Inanspruchnahme des Pflichtigen unzumutbar (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – BayVBl 2009, 537; B.v. 17.1.2013 – 4 ZB 12.2374 – juris Rn. 7). Die Beklagte musste daher im angefochtenen Bescheid keine darauf bezogenen Ermessens- bzw. Billigkeitserwägungen anstellen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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