Aktenzeichen AN 2 K 16.30325
Leitsatz
Für einen arabischen Volkszugehörigen, islamisch-sunnitischen Glaubens, liegt im Irak keine asylrechtliche erhebliche Verfolgungsgefahr vor. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des BAMF vom 16. März 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die in Ziffern 4 und 5 getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen Bedenken. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist ein Asylanspruch nach Art. 16 a GG, nachdem der Kläger seinen Antrag beim BAMF wegen seiner Einreise über den Landweg insoweit beschränkt hat.
Das Gericht nimmt zur Begründung des Urteils gemäß § 77 Abs. 2 AsylG vorab Bezug auf die zutreffende und ausführliche Begründung des streitgegenständlichen Bescheides des BAMF vom 16. März 2016. Auch im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) stellt sich die Situation für den Kläger nicht anders dar.
Nach den vom Gerichte beigezogenen Erkenntnisquellen, insbesondere dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, ist der Kläger als arabischer Volkszugehöriger islamisch-sunnitischen Glaubens kein Flüchtling i.S.v. § 3 AsylG. Er muss nicht mit einer Verfolgung bzw. mit Übergriffen i.S.v. § 3 a AsylG rechnen. Eine für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte besteht für sunnitische Iraker nicht allgemein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 21. 4. 2009,10 C 11/08 – juris) liegt eine asylrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr für Mitglieder einer Gruppe dann vor, wenn Verfolgungshandlungen im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltende Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so auszuweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
Ob der Kläger tatsächlich – wie er angibt – aus einem Gebiet im Nordirak stammt (bzw. sich zuletzt dort aufgehalten hat), das 2014 von der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) besetzt wurde, ist im Ergebnis nicht ausschlaggebend, da er nach seiner Flucht aus Tikrit jedenfalls in der teilautonomen Region Kurdistan zunächst Zuflucht gefunden hat und nach der Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr in sein Heimatland auch wieder Zuflucht finden könnte. Der Kläger gab in der mündlichen Verhandlung an, dass auch seine Eltern dort weiter leben würden, wenn auch „nur“ in einem Flüchtlingslage in der Provinz Sulaimaniya. Auch in der Stadt Arbil hatte der Kläger Kontakte und konnte dort 2014 unterkommen. Dass für die Unterbringung gegebenenfalls Geld aufzubringen ist, steht einer tatsächlich bestehenden Fluchtalternative nicht entgegen, solange – wie hier – keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dieses Geld nicht aufzubringen ist.
Im Übrigen ist die Stadt Tikrit Anfang 2015 von der Besetzung der radikal-islamischen Terrorgruppe IS wieder befreit worden und ist der IS auch in anderen Regionen des Nordirak teilweise zurückgedrängt worden, so dass eine Bedrohung durch diese Kräfte bei einer Rückkehr in seine alte Heimat nicht mit der notwendigen beachtlichen Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Von einer Vorverfolgung des Klägers und damit der Anwendung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG dahingehend, dass in der erlittenen oder unmittelbar bevorstehenden Verfolgung ein ernster Hinweis auf eine begründete Furcht vor einer Rückkehr beim Kläger gesehen werden kann, ist nicht auszugehen. Den Einmarsch des IS in Tikrit und eine Vertreibung hat der Kläger selbst nicht erlebt; er ist nach eigenen Angaben bereits vorher geflüchtet. Ob eine Verfolgungshandlung seitens des IS als unmittelbar bevorstehend angesehen werden kann, ist zweifelhaft, weil der Kläger als Sunnit jedenfalls nicht als vorrangiges Opfer bzw. Ziel einer Verfolgung durch den IS im Fokus stand. In jeden Fall bestehen stichhaltige Gründe dafür, dass der Kläger nach der Zurückdrängung des IS in seiner Heimatstadt, nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von diesem dort verfolgt wird.
Dafür, dass der Kläger von anderen Kräften, insbesondere schiitischen Milizen, die zum Teil gewaltsam gegen Sunniten vorgehen, bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bedroht wäre, ist ebenfalls nicht auszugehen. Aufgrund seiner Flucht vor dem Einmarsch des IS ist der Kläger kaum einem pauschalen Verdacht der Kollaboration mit dem IS ausgesetzt. Die Gefahr eines willkürlichen Übergriffs durch schiitische Kräfte erreicht jedenfalls kein ausreichendes Ausmaß an Wahrscheinlichkeit.
Auch das persönliche Vorbringen des Klägers vor dem BAMF am 2. März 2016 und in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2017 belegt keine asylrechtlich relevanten Gefahren gerade bei ihm. Das Vorbringen des Klägers im Asylverfahren ist insgesamt unglaubwürdig, da sein Vorbringen in den entscheidenden Punkten vage und pauschal und wenig nachvollziehbar geblieben ist. Trotz mehrfacher Nachfrage konnte der Kläger die angeblichen telefonischen Bedrohungen durch die Angreifer nicht näher präzisieren. Es blieb auch unklar und nicht nachvollziehbar, wie die Angreifer darauf gekommen sein sollten, dass es er war, der die Polizei gerufen hat. Dass der Kläger von der Toilette aus den Übergriff so mitbekommen haben soll, dass er wusste, um was es geht, kann schwer angenommen werden, auch dass die Angreifer den Toilettenraum nicht kontrolliert und den Kläger gesucht haben, da er nach seinem Vorbringen für den Übertragungswagen, den die Angreifer in ihre Macht bringen wollten, vorrangig zuständig gewesen sein will. Bei dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung fällt auch auf, dass der Kläger sich selbst dahingehend korrigiert hat, dass er den Überfall (nur) gehört habe, zunächst aber angegeben hat, diesen gesehen zu haben, was durch die verschlossene Toilettentür nicht möglich gewesen wäre. Letztlich sprechen auch die vorgelegten Presseausweise dagegen, dass der Kläger tatsächlich als Journalist bzw. Fotograf tätig war. Sein Vortrag zu seiner Tätigkeit stimmt nämlich mit den vorgelegten Dokumenten nicht überein. Zwei der Pressekarten stammen dem Text nach – nach Übersetzung des Dolmetschers in der mündlichen Verhandlung – vom Sender … Der Kläger gab in der mündlichen Verhandlung jedoch an, einer dieser Ausweise stamme von der Zeitung … Auf einem der Ausweise enthält die Seite in englischer Sprache mit „News papwe“ außerdem einen offensichtlichen Rechtschreibfehler. Das Gericht hält die vorgelegten Unterlagen damit für Fälschungen und den gesamten Vortrag des Klägers zu seiner beruflichen Tätigkeit als Fotojournalist für nicht glaubwürdig.
Angesichts der Situation, dass der Kläger jedenfalls in der teilautonomen Region Kurdistan-Irak Zuflucht finden kann und vor seiner Ausreise auch gefunden hat und in dieser Region nach Auswertung der zum Verfahren beigezogenen Erkenntnisquellen kein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG vorliegt, steht dem Kläger auch ein subsidiärer Schutzstatus nicht zu. Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte, zu denen es im gesamten Irak gekommen ist und weiter kommen kann, genügen hierfür nicht.
Der Vortrag des Klägers und die dargestellte Lage im Irak bieten auch keine Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt dort auf Dauer nicht bestreiten könnte. Ernsthafte gesundheitliche Probleme, die im Irak nicht so weit behandelt werden könnten, dass der Kläger keinen ernsthaften Schaden für Leib und Leben erleidet, sind nicht vorgetragen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die asthmatischen Beschwerden des Klägers, die in Deutschland mit gängigen Medikamenten behandelt werden, auch im Irak grundsätzlich behandelbar sind.
Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des Bescheids vom 16. März 2016 beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen des § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ist nicht zu beanstanden, § 114 Abs. 1 VwGO.
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.