Aktenzeichen Au 5 K 17.33408
Leitsatz
1 Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei und steht als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, auch wenn in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein alleinstehender gesunder junger Mann kann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis trotz schlechter wirtschaftlicher Lage sicherstellen und beispielsweise eine Anstellung in der Textil- oder Baubranche finden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtkosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 31. Mai 2017 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter i.S. des Art. 16a Grundgesetz (GG) bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.
Einer Anerkennung des Klägers als asylberechtigt im Sinne von Art. 16a Grundgesetz (GG) steht bereits die auf dem Landweg erfolgte Einreise über einen sicheren Drittstaat entgegen.
2. Der Kläger besitzt aber auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
a) Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden. In Übereinstimmung mit der Beklagten hat der Kläger eine politische Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zum einen ist der Vortrag des Klägers in wesentlichen Punkten widersprüchlich und insgesamt unglaubwürdig. So hat der Kläger bspw. bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt vorgetragen, dass er erst im Jahr 2014 nach … zur Ausbildung bei der islamistischen Gruppe Ansar Dine gelangt sei. In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2017 hat sich der Kläger hingegen dahingehend eingelassen, dass er bereits im Jahr 2011 nach … zu Ausbildungszwecken gelangt sei. Weiter widersprüchlich sind die Details seiner Flucht vom Ausbildungsort in der Sahara. So hat der Kläger gegenüber dem Bundesamt geltend gemacht, dass er sieben oder acht Tage lang zu Fuß durch die Wüste nach Algerien gelaufen sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seine Flucht hingegen so geschildert, dass er zunächst zwei Tage zu Fuß unterwegs gewesen sei, bevor ihn ein Auto zur Grenze nach Algerien mitgenommen habe. Auch die Angaben des Klägers zu seiner Schuldbildung in Mali sind widersprüchlich. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er acht Jahre lang eine Koranschule besucht habe. Gegenüber dem Bundesamt hat er hingegen erklärt, dass er sieben Jahre lang eine arabisch-französische Schule besucht habe. Auch die Tatsache, dass der Vater des Klägers stets in Bamako gelebt habe, jedoch Mitglied der überwiegen im Norden Malis tätigen Gruppierung Ansar Dine gewesen sein soll, erscheint dem Gericht unschlüssig.
Letztlich bedarf dies alles keiner vertiefenden Betrachtung, da der Vortrag des Klägers jedenfalls nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG anknüpft. Selbst wenn man dem Vortrag des Klägers Glauben schenken wollte, war dieser in Mali keiner asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt. Der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag die Flucht aus Gründen ergriffen, die darin liegen, dass er die inhaltliche Ausrichtung der islamischen Gruppierung Ansar Dine für sich abgelehnt habe. Der Kläger hat sich insbesondere den im Namen von Ansar Dine ausgeführten Plünderungen und Überfälle auf Dörfer und deren Bewohner widersetzt. Insoweit handelt es sich lediglich um die Ablehnung der Begehung kriminellen Unrechts gegenüber Dritten. Eine irgendwie geartete politische Verfolgung hat der Kläger hingegen nicht erlitten. Nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung fürchtet der Kläger im Übrigen im Wesentlichen bei einer Rückkehr nach Mali die Rache seines Vaters wegen des Abbruchs der Ausbildung bei Ansar Dine. Dies zugrunde gelegt ist keine asylrechtlich relevante Verfolgungsfurcht im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG zu erkennen.
b) Zudem steht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts im Süden Malis eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung (§ 3e AsylG).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Auch der vom Bevollmächtigten des Klägers bezeichnete Angriff vom 17. Januar 2017 mit 60 (80) Toten ereignete sich in Gao im Norden Malis. Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung keine Indizwirkung zu (vgl. BVerwG, B.v.27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris; BayVGH, B.v. 22.12.2016 – 13a ZB 16.30684 – juris Rn. 7).
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender, gesunder junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Der Kläger hat nach seinem eigenen Vorbringen jedenfalls eine Schulausbildung mit einer Dauer von sieben bzw. acht Jahre entweder auf einer Koranschule oder einer französisch-arabischen Schule genossen. Zwar hat sich hieran – wenn man dem Vortrag des Klägers Glauben schenkt – lediglich die militärische Ausbildung bei der islamistischen Gruppierung Ansar Dine angeschlossen, jedoch erscheint es für das Gericht nicht ausgeschlossen, dass der Kläger aufgrund seines Alters und seiner Schulbildung eine Tätigkeit in der Textil- bzw. Baubranche in einer größeren Stadt im Süden Malis finden kann, die ihm ein ausreichendes Auskommen sichert. Selbst wenn es für den Kläger aufgrund der von ihm befürchteten Rache seines Vaters ausgeschlossen sein sollte, nach Bamako zurückzukehren, stehen dem Kläger weitere größere Städte im Süden Malis wie bspw. Mopti, Sikasso oder Kayes für eine Rückkehr zur Verfügung. Auch kann der Kläger seine in Deutschland erworbenen Kenntnisse in seinem Heimatland gewinnbringend einzusetzen. Es ist deshalb vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger in Mali, seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er durchaus vertraut ist, seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vorliegen, ist der Kläger, soweit er eine Gefährdung in seiner Heimatregion befürchtet, wie bereits ausgeführt, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e AsylG).
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Mali befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es, wie bereits ausgeführt, nicht. Obwohl die wirtschaftliche Lage nach wie vor schlecht ist (Auswärtiges Amt, Mali: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stand: April 2016), geht das Gericht, wie ausgeführt, davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Belastbare ärztliche Atteste für beim Kläger vorhandene gesundheitliche Einschränkungen, wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2017 lediglich angedeutet wurden, sind im Verfahren nicht vorgelegt worden.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig. Das Bundesamt hat in seiner Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen.
6. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.