Aktenzeichen M 23 K 16.33283
AsylG AsylG § 4
AsylG AsylG § 60 Abs. 5
AsylG AsylG § 60 Abs. 7
Leitsatz
1 In den Städten Pakistans – vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peschhawar oder Multan – besteht für potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität eine interne Fluchtalternative. (Rn. 29 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein erwachsener, junger und arbeitsfähiger Mann mit Schulabschluss und praktischer Berufserfahrung kann in den Städten bzw. in anderen Landesteilen Pakistans sein Existenzminimum sicherstellen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch unter Einbeziehung seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG), § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Ebenso wenig liegen Abschiebungsverbote (§§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG) vor.
Der klägerische Vortrag ist bereits unglaubhaft (1.). Aber selbst unterstellt der klägerische Vortrag träfe zu, stehen ihm die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (2.).
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss auch in Asylstreitigkeiten das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349).
Das Tatsachengericht darf dabei berücksichtigen, dass die Befragung von Asylbewerbern aus anderen Kulturkreisen mit erheblichen Problemen verbunden ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989, a.a.O.). Der Asylbewerber befindet sich typischerweise in Beweisnot. Er ist als „Zeuge in eigener Sache“ zumeist das einzige Beweismittel. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Wer durch Vortrag eines Verfolgungsschicksals um Asyl nachsucht, ist in der Regel der deutschen Sprache nicht mächtig und deshalb auf die Hilfe eines Sprachmittlers angewiesen, um sich mit seinem Begehren verständlich zu machen. Zudem ist er in aller Regel mit den kulturellen und sozialen Gegebenheiten des Aufnahmelands, mit Behördenzu-ständigkeiten und Verfahrensabläufen sowie mit den sonstigen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, auf die er nunmehr achten soll, nicht vertraut. Es kommt hinzu, dass Asylbewerber, die alsbald nach ihrer Ankunft angehört werden, etwaige physische und psychische Auswirkungen einer Verfolgung und Flucht möglicher-weise noch nicht überwunden haben, und dies ihre Fähigkeit zu einer überzeugen-den Schilderung ihres Fluchtgrunds beeinträchtigen kann (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – NVwZ 1996, 678).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich der klägerische Vortrag auch nach Abhaltung der mündlichen Verhandlung als nicht glaubhaft. So blieb das Vorbringen des Klägers auch in der mündlichen Verhandlung detailarm, nicht plausibel und in sich widersprüchlich. Der klägerische Vortrag erweist sich im gesamten (behördlichen und gerichtlichen) Asylverfahren als wenig kohärent und gerade nach Abhaltung der mündlichen Verhandlung als widersprüchlich. Der Kläger vermochte weder auf Nachfrage der Prozessbevollmächtigten noch des Gerichts erklären wie es zu den Abweichungen in der Darstellung der drei „Besuche“ bzw. Vorfälle kommt. Während der Kläger ausweislich der Niederschrift vor dem Bundesamt ausgesagt hatte, er – der Kläger – sei von den Taliban entführt worden und die Polizei habe ihn aus deren Fängen befreien können, hat der Kläger zur gerichtlichen Niederschrift erklärt, er sei nicht entführt worden. Eine derart wesentliche Abweichung im Kerngeschehen seines vorgetragenen Verfolgungsschicksals mag auch nicht mit einem Übersetzungsfehler zu begründen sein. Zumal sich auch in seinen Aussagen während der mündlichen Verhandlung erhebliche Widersprüche ergeben. Während der Kläger auf gerichtliche Nachfrage zunächst ausgesagt hatte, er sei bei den beiden ersten Besuchen bzw. Vorfällen in Rawalpindi – und damit nicht zuhause – gewesen, gab er kurz darauf bekannt, er habe sich beim ersten Vorfall nicht in Rawalpindi aufgehalten. Vielmehr sei ihm die Flucht gelungen. Aber auch die zunächst getätigte Aussage, seine Ehefrau sei beim zweiten Vorfall entführt worden und die anschließende Aussage, sie sei bereits beim ersten Vorfall entführt worden begründet erhebliche Zweifel an seinem vorgetragenen Verfolgungsschicksal. Auch der erstmalige Vortrag in der mündlichen Verhandlung, die Taliban hätten sein Haus im Jahre 2014 niedergebrannt, kann zur Überzeugung des Gerichts nicht allgemein mit dem Hinweis des Klägers auf eine womöglich fehlerhafte oder unzureichende Übersetzung beim Bundesamt glaubhaft vorgetragen werden. Zwar mag es zutreffen, dass eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher nicht hinlänglich ordnungsgemäß übersetzt, da er oder sie etwa nicht hinreichend qualifiziert ist. Allerdings ist in einem solchen Fall immerhin davon auszugehen, dass sich der Kerngehalt und die wesentlichen Stützpfeiler des vorgetragenen Verfolgungsschicksals wenigstens ansatzweise in der Niederschrift wiederfinden. Diese insgesamt während des gesamten Asylverfahrens aufgezeigten insgesamt nicht konsistenten Aussagen führen letztlich dazu, dass das Gericht nicht von seinem Vortrag überzeugt ist.
Ohne dass es noch hierauf ankäme ist das Gericht auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags nicht davon überzeigt, dass er tatsächlich von den Taliban verfolgt wird. Vielmehr handelte es sich – unterstellt der klägerische Vortrag träfe zu – um einen Familienkonflikt im Rahmen einer sog. Blutrache wegen der Ehelichung ohne der Zustimmung der Schwiegerfamilie. Auch wenn dem Gericht unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel bewusst ist, dass gerade im vom Kläger bewohnten Grenzgebiet zu Afghanistan eine erhöhte Aktivität von Taliban festzustellen ist, sind die Antworten des Klägers woran er erkannt habe, dass es sich um Taliban handle, pauschal gehalten.
2. Aber auch unterstellt, der Kläger würde tatsächlich aufgrund der Ehelichung seiner Ehefrau im Zuge eines Familienkonflikts von den Taliban verfolgt, ist dem Kläger kein materieller Schutz zu gewähren, da ihm letztlich eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht.
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) – EMRK – keine Abweichung zulässig ist, oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, vgl. § 3a Abs. 1 AsylG. Als Verfolgung in diesem Sinne können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (§ 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG), oder unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG). Die Prüfung der Verfolgungsgründe ist in § 3b AsylG näher geregelt. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es danach unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG. In § 3a Abs. 3 AsylG ist geregelt, dass eine Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b AsylG und den Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m § 3a Abs. 1 und 2 AsylG bestehen muss.
Die Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Schutz vor Verfolgung kann gemäß § 3d Abs. 1 AsylG nur geboten werden vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz zu gewähren, vgl. § 3d Abs. 2 Satz1 AsylG. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat, § 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG. Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn eine sogenannte interne Schutzalternative besteht, weil er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür dazulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Ob die Vermutung durch „stichhaltige Gründe“ widerlegt ist, obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377 – in Bezug auf den wortgleichen Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2004/83 EG).)
Die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU kommt dem vorverfolgten Antragsteller auch bei der Prüfung zugute, ob für ihn im Gebiet einer internen Schutzalternative gemäß § 3e AsylG (vgl. vormals Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2004/83/EG) keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2009 – 10 C 21/08 – NVwZ 2009, 1308 in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2004/83/EG).)
Mit Blick auf den Normzweck der Beweiserleichterung erscheint es nicht nachvollziehbar, der Prüfung internen Schutzes als Ausdruck der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes einen strengeren Maßstab zugrunde zu legen als der systematisch vorgelagerten Stellung der Verfolgungsprognose. Die hinter der Beweiserleichterung stehende Teleologie – der humanitäre Charakter des Asyls – verbietet es, einem Schutzsuchenden, der das Schicksal der Verfolgung bereits einmal erlitten hat, das Risiko einer Wiederholung solcher Verfolgung aufzubürden (BVerwG, U.v. 5.5.2009 – 10 C 21/08 – NVwZ 2009, 1308).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, der aktuellen Erkenntnismittel sowie der Angaben des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung – unterstellt diese wären wahr – konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass das Leben oder die Freiheit des Klägers in seinem Herkunftsland im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG bedroht ist. Die Verfolgung durch die Taliban infolge eines Familienkonflikts begründet bereits kein individuelles Anknüpfungsmerkmal. Erst recht wird der Kläger nicht politisch verfolgt, Art. 16a GG. Auch droht dem Kläger kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG.
Dem Kläger steht jedenfalls eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung (§§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG). Hiernach wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiären Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann dass es sich dort niederlässt.
In den Städten Pakistans – vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peschhawar oder Multan – leben potentiell Verfolgte nach den vorliegenden Erkenntnissen aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Pakistan – Lagebericht –, Stand August 2017, S. 20).)
Auch in den Stammesgebieten (Federally Administerial Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte überwiegend wiederhergestellt werden (vgl. Auswärtiges Amt, S. 20). Dies deckt sich auch mit der Aussage des Klägers vorm Bundesamt, wonach sich die zum Zeitpunkt der Anhörung beim Bundesamt bestehende Lage deutlich verbessert habe, da seitdem das Militär dort aktiv sei und sich die Taliban teilweise zurückgezogen hätten. Zudem ist es in einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan ohne funktionierendem Meldewesen grundsätzlich möglich, bei Aufenthalt in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig vom 15.1.2014).
Gemäß der Auskunft von Accord vom 5. Februar 2015 führt der Ermittlungsbericht des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in Islamabad vom Juli 2013 aus, dass selbst eine Person, die von einem Konfliktherd mit Taliban fliehe, relativ sicher in einer pakistanischen Stadt in den Provinzen Sindh oder Punjab leben könne. Hinsichtlich der Sicherheit würden in Pakistan – schon aufgrund der Größe des Landes – interne Fluchtalternativen bestehen (vgl. allgemein zur Annahme einer inländischen Fluchtalternative: VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437; VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14.30674; VG Köln, U.v. 10.9.2014 – 23 K 6317/11.A; VG Ansbach, U.v. 7.8.2014 – AN 11 K 14.30589; VG Regensburg, U.v. 10.12.2013 – RN 3 K 13.30374; VG Göttingen, U.v. 7.2.2017 – 2 A 304/15; VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31121 – juris Rn. 46 m.w.N.; U.v. 12.6.15 – M 23 K 13.31345 – juris Rn. 21ff m.w.N. – jeweils juris).)
Wenn die Taliban eine Person direkt verfolgten, sei es schwierig, sich zu verstecken. Karatschi könne eine Option sein. Inwieweit sie sicher sei, hänge allerdings vom Profil der Person und der Art des Konflikts ab, vor dem die Person fliehe. Paschtunen hätten ein enges Familiennetz, und da die meisten in Karatschi wieder in diesem Familiennetz bzw. dieser „community“ lebten, könne man sie über diesen Weg finden. Doch sei es möglich, sich aufgrund der Größe Pakistans aus dem Radar der Taliban zu begeben. Eine sog. „low profile“ Person, die z.B. nach Karatschi flüchte, werde dort von den Taliban nicht aufgespürt werden, da es für die Taliban keine Priorität habe, „low profile“ Personen zu suchen (Austrian Center for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung vom 5.2.2015).
Gerade in der Hafenstadt Karatschi habe sich in den vergangenen Jahrzehnten eine bedeutende paschtunische Gemeinde gebildet, deren Angehörige aus der afghanisch-pakistanischen Grenzregion stammten und die hauptsächlich im Transportgewerbe tätig seien.
Diese Möglichkeit internen Schutzes steht hier auch dem Kläger zur Verfügung. Individuelle Ausschlussgründe ergeben sich insoweit weder aus Gründen der Sicherheit noch aus wirtschaftlichen Zwängen. Es ist zu erwarten, dass der Kläger in den Großstädten – insbesondere in Karachi – vor seinen behaupteten Verfolgern geschützt ist, zumal sich die von dem Kläger beschriebene Verfolgungsmaßnahmen ausschließlich auf das Heimatgebiet des Klägers beschränkten. Zudem lautet die vom Kläger behauptete Drohung der gegnerischen Gruppe, man werde ihn umbringen, wenn er nicht verschwinde. Demnach ist davon auszugehen, dass der Kläger in anderen Landesteilen nicht gesucht wird, da er dadurch der Drohung nachkäme. Zudem ist der Kläger nicht als eine „low profile“-Person im Sinne der genannten Auskünfte einzustufen, wenngleich der Kläger und seine Prozessbevollmächtigte naturgemäß anderer Ansicht sind. Diese Einschätzung des Gerichts deckt sich auch mit dem klägerischen Vortrag, wonach er in Rawalpindi für ein Jahr unbemerkt von den Taliban habe leben können, auch wenn er sich dort habe versteckt aufhalten müssen. Die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen steht dem objektiv nicht entgegen. Wie in den o.g. Auskünften erwähnt, findet sich gerade in der Hafenstadt Karatschi eine bedeutende paschtunische Gemeinde (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Minden v. 28.2.2013).
Zu Lahore führt das britische Home Office aus, dass in diese Großstadt mit zehn Millionen Einwohnern seit den 80er Jahren nahezu eine Million Paschtunen gezogen ist. Die Sicherheitslage dort sei besser als in anderen Gegenden Pakistans; nach Auskunft von Vertretern der Paschtunen fühlten diese sich dort sicher (Home Office, Pakistan: Background information, including actors of protection, and internal relocation, Juni 2017, S. 36 abgerufen am 16. November 2017 unter https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/622258/Pakistan_-_Background_-_CPIN_-_v2_0 June_2017_.pdf).
Es ist zudem davon auszugehen, dass der Kläger in den Großstädten Pakistans bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum und das seiner Familie sicherstellen kann. Mit Blick auf die Zumutbarkeit innerstaatlicher Schutzalternativen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass von dem Betroffenen nur dann vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wenn er am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Im Falle fehlender Existenzgrundlage ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben; dies gilt auch dann, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind. Für die Frage, ob der Betroffene vor Verfolgung sicher ist und eine ausreichende Lebensgrundlage besteht, kommt es danach allein auf die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet und die persönlichen Umstände des Betroffenen an (BVerwG, U.v. vom 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 32). Ein verfolgungssicherer Ort bietet erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24/06 – juris Rn. 11).
Zwar ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schwierig, aber dennoch relativ stabil ist. Insbesondere in den Städten, die hier als verfolgungsfreier Landesteil zur Verfügung stehen, gibt es Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Home Office, Pakistan: Background Information, including actors of protection and internal relocation, Juni 2017, Seite 35; EASO, Pakistan Länderüberblick, 2015, Seite 43).)
Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger als erwachsener, junger und arbeitsfähiger Mann mit Schulabschluss und praktischer Berufserfahrung in diesen Städten bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen kann. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Kläger, möglicherweise nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, gewissen Übergangszeiten und mit Hilfe durch das familiäre Netzwerk oder auch gemeinnützige Organisationen (vgl. dazu insb. den Fact Finding Mission Report des BFA vom September 2015, S. 41)) auch den Lebensunterhalt seiner Familie eigenständig sicherstellen kann. Im Übrigen ist davon auszugehen – unterstellt der klägerische Vortrag trifft zu –, dass seine Ehefrau und sein Kind von der Schwiegerfamilie unterstützt werden, auch wenn diese nicht mit der Eheschließung einverstanden waren. Schließlich befinden sich die Ehefrau und der Sohn bei der Schwiegerfamilie. Zudem geht das Gericht nach dem o.g. Risikoprofil davon aus, dass der Kläger nicht sich und seine Familie in absoluter Anonymität verstecken, sondern allein eine gewisse Vorsicht walten lassen muss, sodass insbesondere die Teilnahme am Erwerbsleben möglich ist.
Auch scheidet die Anerkennung als Asylberechtigter aus, da diese voraussetzt, dass für den Betroffenen landesweit eine ausweglose Lage besteht, d.h. er auch in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann (inländische Fluchtalternative)
(BVerfG, B.v. 10.07.1989 – 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 – juris Rn. 61).
Mit Blick auf die o.g. Erwägungen steht dem Kläger eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Im Übrigen ist der Kläger gerade nicht politisch verfolgt.
Die von der Prozessbevollmächtigten angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichts München (M 19 K 17.32220) steht zu diesem Ergebnis auch nicht im Widerspruch. Schließlich hatte das Gericht in dem vorgenannten Verfahren einen gänzlich anderen Sachverhalt zu bewerten, nämlich den eines Klägers, der sich von einer Taliban-Ausbildung abgewandt habe und darum von den Taliban sowie vom pakistanischen Staat verfolgt werde.
Anhaltspunkte, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen könnten, sind nicht vorgetragen worden. Insoweit wird von einer eigenständigen Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids vom 20. Februar 2017 gefolgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG erfolgte ermessensgerecht. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts verwiesen.