Verwaltungsrecht

Isolierte Zwangsgeldandrohung – Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt (Baubeseitigung)

Aktenzeichen  1 ZB 17.926

Datum:
21.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 122953
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 2 S. 1
BayVwZVG Art. 19 Abs. 1, Art. 31, Art. 36, Art. 38 Abs. 1 S. 3
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, Art. 51 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Die Androhung eines Zwangsmittels, die nicht mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist, kann nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird (Art. 38 Abs. 1 S. 3 BayVwZVG). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Besonders schwerwiegend im Sinn des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG sind nur solche Rechtsfehler, die deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sein können, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 16.2241 2017-02-23 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen oder nicht hinreichend dargelegt wurden (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die isolierte Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung der bestandskräftigen Anordnung zur Beseitigung des Nebengebäudes des Klägers nach Art. 31, 36 BayVwZVG rechtmäßig ist.
1.1 Soweit der Kläger die Unverhältnismäßigkeit der der Zwangsgeldandrohung zugrunde liegenden Beseitigungsanordnung dergestalt rügt, das Verwaltungsgericht habe das zur Beseitigung des Nebengebäudes erforderliche Entfernen einer gemauerten Einfriedung, eines Gartenhauses und Teiches sowie die dadurch bewirkte leitungstechnische Abtrennung des Haupthauses außer Acht gelassen, ist sein Vortrag bereits nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 BayVwZVG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann die Androhung eines Zwangsmittels, wenn sie nicht mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist, nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Die Einwendungen des Klägers richten sich nur gegen die Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Grundverwaltungsaktes, die grundsätzlich in einem Verfahren gegen die Beseitigungsanordnung hätten vorgebracht werden müssen.
Das gilt auch für den klägerischen Vortrag, es sei keine Verpflichtung des Klägers zum Abriss des Nebengebäudes begründet worden, weder im Zuge der Grundstücksteilung mit der Folge der Schaffung der östlich an das klägerische Grundstück angrenzenden Grundstücke noch im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zur Bebauung der neuen Grundstücke.
Der Kläger dringt auch mit seinem Einwand, das Nebengebäude sei aufgrund einer veränderten Abstandsflächensituation materiell genehmigungsfähig, weil das Landratsamt gegen die östlich angrenzenden Grundstücksnachbarn wegen der Verletzung der Abstandsflächen zu seinem Grundstück hin vorgehe, nicht durch. Ungeachtet der Frage, ob das nachträgliche Entfallen der Voraussetzungen für den Erlass der zugrunde liegenden Beseitigungsverfügung im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG geltend gemacht werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2004 – 1 C 30.03 – BVerwGE 122, 293), liegt schon keine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage vor. Denn auch der Kläger hat grundsätzlich die Abstandsflächen auf seinem Grundstück einzuhalten (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO).
1.2 Darüber hinaus sind die Vollstreckungsvoraussetzungen für die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung gegeben. Insbesondere fehlt es nicht an einem wirksamen Grundverwaltungsakt im Sinn des Art. 19 Abs. 1 BayVwZVG und damit an einem Vollstreckungstitel (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2004 a.a.O.; BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12), da die Beseitigungsanordnung entgegen der Auffassung des Klägers nicht nichtig ist. Es liegt kein Fall der Nichtigkeit wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Ausführung nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG auf Fälle entsprechend anzuwenden ist, in denen eine Leistung zwar möglich ist, aber mit einem so hohen Aufwand oder so großen Schwierigkeiten verbunden ist, dass niemand sie vernünftigerweise in Betracht ziehen würde (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage, § 44 RN. 39 m.w.N. zum Meinungsstreit). Denn die vom Kläger zur Verhältnismäßigkeit der Beseitigungsanordnung vorgebrachten, bezüglich der leitungstechnischen Erschließung des Hauptgebäudes unsubstanziierten Einwände bieten keinen Anhalt, von einem so hohen Aufwand im obigen Sinn auszugehen.
Auch hat das Verwaltungsgericht zu Recht das Vorliegen eines offenkundig besonders schwerwiegenden Fehlers nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG verneint, wobei dahin gestellt bleiben kann, in welchem Verhältnis Absatz 1 und Absatz 2 dieser Vorschrift stehen (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 36.88 – DVBl 1992, 558). Besonders schwerwiegend im Sinn des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG sind nur solche Rechtsfehler, die deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sein können, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen (BVerwG, U.v. 26.9.1991 a.a.O.). Dafür besteht ausweislich der vorstehenden Ausführungen kein Anhaltspunkt.
2. Unabhängig von der ausreichenden Darlegung durch den Kläger ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aufweist, die die Zulassung der Berufung erforderlich machen würden.
3. Schließlich ist auch kein Verfahrensmangel erkennbar (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Im Hinblick auf den klägerischen Vortrag, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung die leitungstechnische Abtrennung des Haupthauses bei einem Abriss des Nebengebäudes nicht berücksichtigt, auch nicht im Rahmen der Ortsbesichtigung, fehlt es bereits an einer hinreichenden Substanziierung. Der anwaltlich vertretene Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht keinen Beweisantrag mit dem Inhalt der Klärung dieser Frage durch einen Sachverständigen gestellt. Es wäre daher seine Obliegenheit gewesen, im Zulassungsantrag näher darzulegen, warum sich dem Gericht ein entsprechender Aufklärungsbedarf hätte aufdrängen müssen. Insbesondere hätte der Kläger dartun müssen, inwiefern eine leitungstechnische Abtrennung des Haupthauses vorliegend mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, so dass darin ein Nichtigkeitsgrund für die Beseitigungsanordnung begründet sein könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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