Verwaltungsrecht

Kein Abschiebeschutz nach erfolgreicher Tumortherapie

Aktenzeichen  AN 4 K 17.33329, AN 4 K 17.33442

Datum:
13.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144294
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 7, § 60a Abs. 2c
AsylG § 26 Abs. 1 – 3, § 43 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Ist die asylsuchende Familie ausschließlich wegen des Gesundheitszustandes des Kindes aus Georgien ausgereist, und wurde dem Sohn zwischenzeitlich erfolgreich ein Gehirntumor entfernt sowie die Therapie als abgeschlossen bezeichnet, können die erforderlichen Nachsorgemaßnahmen im Heimatland durchgeführt werden. Von einer schwerwiegenden und lebensbedrohenden Erkrankung, die die Voraussetzungen eines Abschiebeverbots erfüllen würde, kann nicht ausgegangen werden.  (Rn. 18 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Wahrung der Familieneinheit und die Ermöglichung einer gemeinsamen Ausreise von Familienangehörigen fällt in die Zuständigkeit der Ausländerbehörde. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässigen Klagen der Kläger zu 1) bis 3) sind unbegründet. Die Bescheide des Bundesamtes jeweils vom 8. Mai 2017, soweit sie entsprechend der in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2017 vom Klägerbevollmächtigten abgegebenen Erklärung angefochten sind, d.h. hinsichtlich der Verneinung von Abschiebungsverboten, der Ausreiseaufforderung unter Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise und Abschiebungsandrohung, sind nicht rechtswidrig, die Kläger werden hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt.
Weder im Falle des minderjährigen Klägers zu 3) noch – erst recht – im Falle seiner Eltern, der Kläger zu 1) und 2), die gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht geltend gemacht haben, be steht ein Rechtsanspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten, insbesondere solchen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 bis 4 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen.
Das Gericht verweist zunächst auf die zutreffende und ausführliche Begründung der angefochtenen Bescheide, insbesondere des Bescheids betreffend die Kläger zu 2) und 3), wo die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 bis 4 AufenthG sowie ferner Einzelheiten der medizinischen Versorgungslage in Georgien detailliert und zutreffend beschrieben sind. Das erkennende Gericht folgt diesen Ausführungen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Für sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG ist nichts ersichtlich.
Im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, nämlich den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2017 (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG), und ferner im Hinblick auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2017 (vgl. insoweit die hierüber gefertigte Sitzungsniederschrift), wird ergänzend noch bemerkt:
Der Gesundheitszustand des Klägers zu 3) hat sich inzwischen so weit gebessert, dass von einer akuten Lebensgefahr für den Kläger zu 3), die im Zeitpunkt der Einreise eventuell vorgelegen haben mag, jedenfalls jetzt keine Rede mehr sein kann. Aus dem von Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2017 vorgelegten aktuellen ärztlichen Bericht der Kinder- und Jugendklinik beim … vom 2. November 2017 geht zusammengefasst im Wesentlichen hervor: Der Gehirntumor (anaplastisches Ependymom WHO-Grad III) wurde beim Kläger zu 3) vollständig operativ entfernt, wobei am 30. Dezember 2016 noch ein Lokalrezidiv vollständig entfernt wurde. Die Therapie (einschließlich Chemotherapie und Strahlentherapie) wird in dem genannten ärztlichen Bericht mehrfach als abgeschlossen bezeichnet, Hinweise auf ein erneutes Rezidiv der Grunderkrankung oder auf eine Metastasierung hätten sich, so der ärztliche Bericht, nicht ergeben. Als Medikamente für den Kläger zu 3) bei Entlassung werden erwähnt L-Thyroxin, d.h. ein Mittel zur Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion, sowie Vitamin D1. Zum weiteren Vorgehen werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen: Weitere regelmäßige klinische und laborchemische Kontrollen in onkologischer Ambulanz; regelmäßige MRT-Bildgebung des ZNS (Zentralnervensystems) im Rahmen der Nachsorge; Refraktionskontrolle Ende November (2017) beim Augenarzt.
Demgemäß braucht, wie einleitend bereits bemerkt, jedenfalls zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2017, nicht mehr vom Vorliegen einer gesundheitlichen Situation (schwerwiegende bzw. lebensbedrohende Erkrankung) ausgegangen zu werden, wie sie Voraussetzung für die Feststellung eines Abschiebungsverbots, insbesondere nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen, wäre (vgl. ausdrücklich § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Wegen der erforderlichen Nachsorgemaßnahmen ist der Kläger zu 3), wie bereits das Bundesamt detailliert und überzeugend ausgeführt hat, auf das Gesundheitssystems seines Herkunftslandes Georgien verwiesen. Die Kläger zu 1) und 2) haben bereits gegenüber dem Bundesamt selbst angegeben, der Kläger zu 3) sei in Georgien einer MRT-Untersuchung unterzogen worden, es sei ihm auch ein sogenannter Shunt in Georgien implantiert worden. Auch dies belegt und bestätigt die Richtigkeit der Ausführungen des Bundesamtes in seinem angefochtenen Bescheid bezüglich der Kläger zu 2) und 3) zu den medizinischen Versorgungsmöglichkeiten in Georgien.
Auch die gegenwärtig vom Kläger zu 3) noch laut Angaben der Eltern in der mündlichen Verhandlung in Anspruch genommenen Maßnahmen der Physiotherapie, der Logotherapie und der Heilpädagogik, die insbesondere dem Zweck dienen sollen, Entwicklungsverzögerungen beim Kläger zu 3), die durch die in Deutschland vorgenommenen Gehirnoperationen ausgelöst worden sind auszugleichen, rechtfertigen und erfordern keine anderslautende Entscheidung. Solche Maßnahmen sind im Übrigen im oben genannten ärztlichen Bericht vom 2. November 2017 nicht erwähnt, insbesondere auch nicht bei den Therapieempfehlungen für die Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, geschweige denn dass solche gar als zwingend notwendig und lebenswichtig (im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) bezeichnet würden. Selbst wenn vergleichbare Leistungen in Georgien nicht oder nicht auf ähnlichem Niveau wie in Deutschland zu erlangen wären, würde dies an der hier zu treffenden Entscheidung nichts ändern (vgl. auch § 60a Abs. 2c AufenthG).
Dass die erforderlichen Medikamente für die Kläger in Georgien etwa nicht erschwinglich wären, wird mit der entsprechenden, erstmals mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 aufgestellten und nicht näher erläuterten gegenteiligen Behauptung nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht, zumal nicht angesichts der von Klägerseite nicht – konkret und substantiiert – in Zweifel gezogenen Ausführungen im angefochtenen Bundesamtsbescheid be züglich der Kläger zu 2) und 3) hinsichtlich der medizinischen Versorgungssituation in Georgien.
Für die Kläger zu 1) und 2), die Eltern des Klägers zu 3), wurden keine eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht. Entsprechendes gilt für sonstige Tatbestandsvoraussetzungen für Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 AufenthG. Demgemäß kommt eine Verpflichtung des Bundesamtes zur Feststellung von Abschiebungsverboten, insbesondere nach § 60 Abs. 7 Satz 1 bis 4 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen, für die Kläger zu 1) und 2) nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung von vorneherein nicht in Betracht (vgl. etwa bereits BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13.96; BayVGH, B.v. 15.5.2017 – 2 B 17.30026). Zu Recht hat das Bundesamt in seinen beiden angefochtenen Bescheiden darauf hingewiesen, dass die Wahrung der Familieneinheit, d.h. die Ermöglichung einer gemeinsamen Ausreise von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG, gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 AsylG in die Zuständigkeit der Ausländerbehörde fällt.
Nach alledem waren die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

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