Verwaltungsrecht

Kein Abschiebungsverbot im Asylfolgeverfahren für äthiopischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  AN 3 K 16.31180

Datum:
31.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 13 Abs. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 31 Abs. 3 S. 1, § 71 Abs. 1
VwVfG VwVfG § 51 Abs. 1, 2, 3
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Anlässlich einer Entscheidung über einen Folgeantrag darf sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht mit der Prüfung begnügen, ob die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Vielmehr hat es festzustellen, ob die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegeben sind. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag zulässig (siehe 1.), aber insgesamt unbegründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 1. August 2016 (Hauptantrag, siehe 2.) noch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsantrag, siehe 3.).
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist für das Gericht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylG.
1. Die gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG erhobene Anfechtungsklage ist allein statthafte Klageart.
Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes zum 6. August 2016 (BGBl. 2016 I 1939) als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn.15 ff.). Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageantrag betrachtet worden war, ist daran aufgrund der Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts durch das Integrationsgesetz nicht festzuhalten (so ausdrücklich BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 17).
Für das Rechtsschutzziel der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG ist in der Hauptsache weiterhin eine hilfsweise zu erhebende Verpflichtungsklage statthaft (BVerwG, U.v. 14.12.2016, a.a.O. Rn 20). Denn dabei handelt es sich um einen eigenen Streitgegenstand, der von Unzulässigkeitsentscheidung nach §§ 71, 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG nicht umfasst wird. Nach der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG (in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016, a.a.O.) hat das Bundesamt in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge (nach § 71 AsylG i.V.m. § 13 Abs. 2 AsylG also über einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a GG), auf Flüchtlingszuerkennung (§ 3 Abs. 1 AsylG) sowie auf Feststellung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylG)) festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
In Bezug auf § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hat sich das Bundesamt somit anlässlich einer Entscheidung über einen Folgeantrag sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen (BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 20). Es darf sich nicht mit der Prüfung begnügen, ob die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Vielmehr hat es festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegen (es war deshalb nicht richtig, dass sich das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid auch hinsichtlich der Prüfung des Vorliegens nationaler Abschiebungsverbote mit der Prüfung des Vorliegens von Wiederaufnahmegründen begnügt hat). Stellt das Bundesamt fest, dass keine nationalen Abschiebungsverbote vorliegen oder trifft es – wie vorliegend – entgegen § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG die vorgesehene Feststellungsentscheidung nicht, dann kann der betroffene Ausländer zusätzlich zu der gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig gerichteten Anfechtungsklage hilfsweise eine Verpflichtungsklage auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG erheben (BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 20 a.E.).
2. Die gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG (Ziffer 1. des Bescheids) erhobene Anfechtungsklage ist unbegründet. Ziffer 1. des Bescheids des Bundesamts vom 1. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat den Folgeantrag zu Recht (als unzulässig) abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen (§§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG)
Der Kläger, der im Bundesgebiet bereits zwei Asylverfahren erfolglos abgeschlossen hat, beschränkte seine Antragstellung inhaltlich erkennbar von vorherein auf die Feststellung von Abschiebungsverboten und machte keinerlei Gründe geltend, die zum Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG führen könnten. Dass die Beklagte gleichwohl nochmals prüfte, ob ein Folgeverfahren i.S. des § 71 Abs. 1 AsylG für den Kläger durchzuführen ist, stellt insoweit keinen Nachteil für diesen dar.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Zwar leidet er ausweislich des vorgelegten Attestes des … an Diabetes Typ 2 unter Metformintherapie und an einer reaktiven Depression.
Nähere Ausführungen zum Grad der Erkrankungen lässt das Attest vermissen.
Nach der Auskunftslage ist eine Therapie des Typ 2 Diabetes auch in Äthiopien grundsätzlich behandelbar und in Zentren (z.B. in der Universitätsklinik in Jimma, an der es eine Diabetes-Klinik gibt) auch verfügbar (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. März 2017, IV
1.1.2.; siehe auch „Merck Corporate Responsibility Bericht 2012“, abrufbar unter http://berichte.merck.de/2012/cr-bericht/produkte/accesstohealth/preisgestaltungherste, wonach Metformin auch in Äthiopien als „unentbehrliches Arzneimittel“ der WHO erhältlich ist), so dass die nach § 60 Abs. 7 Satz 1 erforderliche erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Klägers für den Fall seiner Rückkehr ins Heimatland nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann.
Eine Behandlungsbedürftigkeit der weiteren Erkrankungen des Klägers ist weder vorgetragen noch belegt.
Eine weitergehende Begutachtung des Gesundheitszustandes des Klägers – wie von seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung angeregt – war deshalb nicht notwendig.
Ausweislich des Attests des … vom 20. September 2016 ist der Kläger grundsätzlich arbeitsfähig, so dass es ihm gelingen wird, sich in Äthiopien eine Existenz aufzubauen und auch die notwendigen Medikamente zu beschaffen, auf die eine Vielzahl von Äthiopiern ebenfalls angewiesen sind, da es sich bei Diabetes Typ 2 um eine Krankheit handelt, die mittlerweile auch in Äthiopien weit verbreitet ist.
4. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das ihr im Rahmen des § 11 Abs. 1 und 3 AufenthG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, sind nicht ersichtlich und wurden vom Kläger nicht vorgetragen.
Die gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage war nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

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