Verwaltungsrecht

Kein Absehen vom Visumverfahren nach Eheschließung in Dänemark

Aktenzeichen  Au 6 S 17.1709

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
VwGO VwGO § 123 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 5 Abs. 2
AufenthG AufenthG § 28 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AufenthG § 32 AufenthG

 

Leitsatz

1 Bei dem beabsichtigten Daueraufenthalt kommt es für die Frage, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 39 Nr. 3 AufenthV erst nach der Einreise entstanden sind, entscheidend auf die letzte Einreise in das Bundesgebiet, nicht auf die letzte Einreise in den Schengen-Raum an (BVerwG BeckRS 2011, 48919). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2 Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grds. vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine normal verlaufende Schwangerschaft hat grds. keinen Krankheitswert und führt für sich allein nicht zur Reiseunfähigkeit. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge der Antragstellerin zu 1 und des Antragstellers zu 2 werden abgelehnt.
II. Die Antragstellerin zu 1 und der Antragsteller zu 2 haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind kasachische Staatsangehörige und begehren vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der Abschiebungsandrohungen des Antragsgegners.
Die am … 1983 in Kasachstan geborene Antragstellerin zu 1 ist die nach eigenen Angaben allein sorgeberechtigte Mutter des am … 2011 in Kasachstan geborenen Antragstellers zu 2. Zum Vater des Antragstellers zu 2 besteht nach Angaben der Antragstellerin zu 1 kein Kontakt.
Die Antragstellerin zu 1 beantragte am 14. September 2017 bei der deutschen Auslandsvertretung in Almaty (Kasachstan) für sich und den Antragsteller zu 2 Schengen-Visa für den Hauptreisezweck „Besuch von Familie oder Freunden“, die noch am selben Tag ausgestellt wurden und vom 3. Oktober 2017 bis zum 27. Oktober 2017 gültig waren. Am 3. Oktober 2017 reiste sie zusammen mit dem Antragsteller zu 2 in die Bundesrepublik ein und heiratete am 12. Oktober 2017 einen deutschen Staatsangehörigen in Dänemark. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 beantragte die Antragstellerin zu 1 bei der zuständigen Ausländerbehörde für sich eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs. Die Antragstellerin zu 1 befindet sich in der sechsten Schwangerschaftswoche.
Mit Bescheid vom 7. November 2017 setzte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 eine Ausreisefrist bis zum 17. November 2017 und drohte die Abschiebung nach Kasachstan an. Die Wiedereinreise und der Aufenthalt im Bundesgebiet wurden für den Fall der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten nach der Ausreise untersagt. Die Abschiebungsandrohung sei rechtmäßig, insbesondere komme die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht in Betracht, so dass der Antragsgegner deren Ablehnung beabsichtige. Die Antragstellerin zu 1 verfüge nicht über einfache Kenntnisse der deutschen Sprache (Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens) i.S.d. §§ 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Zudem sei die Antragstellerin zu 1 nicht mit dem nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderlichen Visum eingereist und habe nicht die für die Erteilung erforderlichen Angaben bereits im Visumverfahren gemacht. Mangels Sprachkenntnissen bestehe auch kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG; besondere Umstände i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG seien ebenfalls nicht ersichtlich. Eine Fiktionsbescheinigung könne schon wegen § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht erteilt werden. Eine Duldung käme ebenfalls nicht in Betracht, da die Abschiebung weder tatsächlich noch – auch im Lichte des Art. 6 GG – rechtlich unmöglich gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sei. Durch die Nachholung des Visumsverfahrens würden die Ehegatten nicht unverhältnismäßig lange getrennt. Es sei den Ehegatten zuzumuten, das nur wenige Wochen dauernde Visumverfahren abzuwarten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von drei Monaten sei angesichts der bestehenden Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen und der Schutzwirkung des Art. 6 GG ermessensgerecht.
Mit Schreiben vom 8. November 2017 gab der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2017 in Hinblick auf ihre Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung, einer Duldung und auf Vorabzustimmung zur Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzugs.
Mit Bescheid vom 29. November 2017 setzte der Antragsgegner dem Antragsteller zu 2 eine Ausreisefrist bis zum 15. Dezember 2017 und drohte ihm die Abschiebung nach Kasachstan an. Die Wiedereinreise und der Aufenthalt im Bundesgebiet wurden für den Fall der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten nach der Ausreise untersagt. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von drei Monaten sei angemessen, da sich seine Mutter auf den Schutz des Art. 6 GG berufen könne.
Gegen den Bescheid vom 7. November 2017 ließ die Antragstellerin zu 1 mit Schriftsatz vom 13. November 2017 Klage (Au 6 K 17.1706) erheben mit dem Antrag, den Beklagten und Antragsgegner unter Aufhebung der Abschiebungsandrohung vom 7. November 2017 zu verpflichten, der Klägerin und Antragstellerin zu 1 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen, hilfsweise, den Beklagten und Antragsgegner unter Aufhebung der vorgenannten Abschiebungsandrohung zu verpflichten, den Antrag der Klägerin und Antragstellerin zu 1 auf die Familienzusammenführung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Gleichzeitig ließ die Antragstellerin zu 1 beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Beklagten und Antraggegners vom 7. November 2017 wird angeordnet,
hilfsweise,
gemäß § 123 VwGO von der Abschiebung der Klägerin und Antragstellerin zu 1 bis zur Entscheidung über ihre Klage abzusehen.
Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 erweiterte der Bevollmächtigte der Antragstellerin zu 1 Klage und Antrag auch auf den Antragsteller zu 2 und beantragte im Klageverfahren, die Abschiebungsandrohung und Befristungsentscheidung des Beklagten vom 29. November 2017 aufzuheben.
Zugleich ließ der Antragsteller zu 2 durch seinen Bevollmächtigten beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Beklagten und Antraggegners vom 29. November 2017 wird angeordnet,
hilfsweise,
gemäß § 123 VwGO von der Abschiebung des Klägers und Antragstellers zu 2 bis zur Entscheidung über seine Klage abzusehen.
Die Abschiebungsandrohungen seien bereits deshalb rechtswidrig, weil die Antragsteller zuvor nicht angehört worden seien, obwohl der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2017 gegeben habe. Zudem sei über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Antragstellerin zu 1 noch nicht entschieden worden. Des Weiteren liege bei der Antragstellerin zu 1 ein Härtefall vor, der ihr das Nachholen des Visumverfahrens unzumutbar mache. Die Antragstellerin zu 1 habe in Kasachstan weder eine Wohnung noch eine Arbeitsstelle. Sie könne allenfalls für einen kurzen Aufenthalt zur Beantragung eines nationalen Visums bei Freunden übernachten. Zudem sei die Antragstellerin zu 1 inzwischen schwanger, die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1 werde derzeit medizinisch untersucht. Das Kind werde durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Der Antragsteller zu 2 habe einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG oder § 25 AufenthG. Die Nachholung des Visumverfahrens sei für ihn unzumutbar, da er nach der Ausreise seiner Mutter keine persönlichen Beziehungen zu Kasachstan mehr habe. Verwandte, die für ihn sorgen könnten, gebe es dort nicht; der Aufenthaltsort seines Vaters sei den Antragstellern unbekannt.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Er verweist auf die Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden vom 7. November 2017 und vom 29. November 2017 und führt ergänzend aus: Da sich die Antragstellerin zu 1 gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn (dem Antragsteller zu 2) in der Bundesrepublik aufhalte, sei die Ausreisefrist für die Antragstellerin zu 1 mit Schreiben des Antragsgegners vom 24. November 2017 auf den 1. Dezember 2017 verlängert worden. Einer vorherigen Anhörung der Antragsteller habe es in Bezug auf die Abschiebungsandrohung als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nicht bedurft. Die Eltern der Antragstellerin zu 1 lebten in Kasachstan, so dass die Antragstellerin zu 1 – alternativ zu einer Unterbringung bei Freunden – auch bei ihren Eltern unterkommen könne. Besondere Umstände, die eine Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar erscheinen ließen, lägen nicht vor. Um die Effektivität des Visumsverfahrens und seine Steuerungs- und präventive Kontrollfunktion nicht zu gefährden, sei § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eng auszulegen. Über die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Duldung, einer Fiktionsbescheinigung und einer Vorabzustimmung zur Erteilung eines Visums habe man noch nicht entschieden. Der Antragsteller zu 2 habe keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 AufenthG, da seine Mutter, die Antragstellerin zu 1, keinen entsprechenden Aufenthaltstitel innehabe. Die Antragstellerin zu 1 sei vielmehr ebenfalls ausreisepflichtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte.
II.
Der Hauptanträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sind ebenso unbegründet und daher abzulehnen wie auch die Hilfsanträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO.
1. Der zulässige Antrag der Antragstellerin zu 1 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist unbegründet.
a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetz sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung ist zulässig, da es sich bei der Abschiebungsandrohung um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung handelt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a VwZVG).
b) Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen der Antragstellerin zu 1 und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung gegeneinander abzuwägen. Bei der Abwägung kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgebliche Bedeutung zu, soweit diese bereits beurteilt werden können. Dabei ist in den von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO erfassten Konstellationen zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollzugsinteresses angeordnet hat und es deshalb des Vorliegens besonderer Umstände bedarf, um hiervon abweichend eine Aussetzung zu rechtfertigen.
Gemessen an vorstehenden Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin zu 1 aus, da insofern das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung das Interesse der Antragstellerin zu 1 an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt. Vorliegend wird ihre Klage aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Erfolg haben. Die Abschiebungsandrohung ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin zu 1 nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
c) Eine Anhörung vor Erlass der Abschiebungsandrohung war nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nicht erforderlich, da es sich dabei um eine Maßnahme zur Durchsetzung der Ausreisepflicht und damit um eine Vollstreckungsmaßnahme handelt (Masuch/Gordzielik in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 59 Rn. 7). Die gesetzte Frist zur Stellungnahme bezog sich dementsprechend auch nicht auf die Abschiebungsandrohung, sondern auf die derzeit noch nicht beschiedenen Anträge auf eine Aufenthaltserlaubnis, eine Duldung etc. Im Übrigen wurde eine Anhörung auch durch die Stellungnahme des Antragsgegners zum Vorbringen der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nachgeholt, so dass ein etwaiger Verstoß gegen eine Anhörungspflicht nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2012 – 10 C 12.1789 – juris Rn. 21).
d) Die Antragstellerin zu 1 ist vollziehbar ausreisepflichtig, da ihr durch ein Schengen-Visum vermitteltes Aufenthaltsrecht am 27. Oktober 2017 erloschen ist und sie damit ausreisepflichtig wurde (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ist durch die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht entfallen, da die Antragstellerin zu 1 mit einem Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 AufenthG eingereist ist. Somit kommt es auch nicht darauf an, dass über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bisher noch nicht entschieden wurde. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 AufenthG sind erfüllt. Die Ausreisefrist ist am 1. Dezember 2017 abgelaufen und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert, weil die Antragstellerin zu 1 offensichtlich nicht zur freiwilligen Ausreise bereit ist.
e) Ein eventuelles Abschiebungsverbot steht der Rechtmäßigkeit der Androhung nicht entgegen (§ 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Warum gleichwohl die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden sollte, ist nicht erkennbar.
2. Der zulässige Hilfsantrag der Antragstellerin zu 1 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Es liegt derzeit kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor, noch sind sonstige Gründe ersichtlich, aus denen die Abschiebung der Antragstellerin zu 1 nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Folglich wurde ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
a) Ein Anspruch der Antragstellerin zu 1 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 AufenthG besteht nicht.
aa) Einem Anspruch steht bereits entgegen, dass die Antragstellerin zu 1 bisher nicht nachgewiesen hat, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, § 2 Abs. 9 AufenthG.
Einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprechen nach § 2 Abs. 9 AufenthG dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (im Folgenden: GER). Es obliegt der Antragstellerin zu 1, den entsprechenden Nachweis zu erbringen, § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Der Nachweis über diese Kenntnisse ist zumindest durch ein geeignetes und zuverlässiges Zeugnis erbracht (BayVGH, B.v. 10.2.2016 – 10 ZB 14.2577 – juris Rn. 13). Das Sprachstandszeugnis muss auf einer standardisierten Sprachprüfung beruhen (vgl. beispielsweise Nr. 30.1.2.3.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009). Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin zu 1 bisher keine Nachweise über das geforderte Sprachniveau erbracht; ihre Kenntnisse der deutschen Sprache sind auch nicht offenkundig. Dass von dem Spracherfordernis nach § 30 Abs. 1 Satz 3 AufenthG abgesehen werden konnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
bb) Des Weiteren steht einem strikten Anspruch entgegen, dass die Antragstellerin zu 1 nicht mit dem erforderlichen nationalen Visum nach § 6 Abs. 3 AufenthG, sondern lediglich mit einem Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte in das Bundesgebiet eingereist ist und deshalb die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt ist. Weder ist bei ihr ein Ausnahmefall gegeben, in dem ein Aufenthaltstitel im Bundesgebiet ohne Durchführung des Visumverfahrens eingeholt werden kann, noch kann vom Visumverfahren nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden.
(1) Die Antragstellerin zu 1 ist nicht nach den auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruhenden Regelungen der §§ 39 ff. AufenthV ausnahmsweise berechtigt, den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen, und damit von dem Visumerfordernis befreit.
Nach § 39 Nr. 3 AufenthV kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind. Einreise meint dabei die letzte Einreise in das Bundesgebiet (BVerwG U.v. 11.1.2011 – 1 C 23.09 – juris).
Die Antragstellerin zu 1, für die allein die zweite Alternative der Vorschrift in Betracht kommt, war zwar bei der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug im Besitz eines gültigen Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind hier jedoch nicht nach, sondern vor ihrer letzten Einreise in das Bundesgebiet entstanden. Bei dem beabsichtigten Daueraufenthalt kommt es für die Frage, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erst nach der Einreise entstanden sind, entscheidend auf die letzte Einreise in das Bundesgebiet, nicht auf die letzte Einreise in den Schengen-Raum an (BVerwG vom 11.1.2011 a.a.O. Rn. 25; BayVGH vom 18.5.2009 – Az. 10 CS 09.853 – juris Rn. 19). Diese Auslegung des § 39 Nr. 3 AufenthV ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus der Stellung der Vorschrift im Vierten Abschnitt der Aufenthaltsverordnung, die nur Ausnahmen vom Visumerfordernis für nationale Titel gemäß § 6 Abs. 4 AufenthG betreffe. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für diese Auslegung, weil nur diejenigen Ausländer begünstigt werden sollen, die im Schengen-Visum zutreffende Angaben gemacht haben und bei denen sich der Aufenthaltszweck aufgrund nach der Einreise eingetretener neuer Umstände geändert hat (so auch stRspr. des BayVGH, vgl. etwa Beschluss vom 12.1.2010 – Az. 10 CS 09.2705 – juris Rn. 9). Zentrales Merkmal der inmitten stehenden Anspruchsnorm § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist die Eheschließung. Hierzu begab sich die Antragstellerin zu 1 während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet zusammen mit ihrem jetzigen Ehemann nach Dänemark, wo am 12. Oktober 2017 die Eheschließung erfolgte. Anschließend kehrte die Antragstellerin zu 1 wieder in das Bundesgebiet zurück, sodass die Eheschließung vor der hier relevanten letzten Einreise ins Bundesgebiet erfolgte.
Des Weiteren hat die Antragstellerin zu 1 den Sprachnachweis als weitere Anspruchsvoraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 AufenthG (s.o.) nicht erworben, als sie noch einen Aufenthaltstitel (hier: ihr bis zum 27. Oktober 2017 gültiges Schengen-Visum) innehatte. Erforderlich ist, dass die Antragstellerin zu 1 im Zeitpunkt des Eintritts der letzten Anspruchsvoraussetzung (hier: des Sprachnachweises) für die Erteilung der von ihr begehrten Aufenthaltserlaubnis noch über die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet aufgrund des ausgestellten Schengenvisums verfügt (unter Verweis auf den Wortlaut der Norm: BayVGH, B.v. 28.5.2015 – 10 CE 14.2123 – juris Rn. 10). Dies war hier nicht der Fall. Bis zum Ablauf des 27. Oktober 2017 verfügte die Antragstellerin zu 1 nicht über Sprachkenntnisse auf dem Niveau A 1 des GER.
(2) Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG liegen nicht vor. Weder besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, noch ist eine Nachholung des Visumverfahrens wegen besonderer Umstände unzumutbar.
Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nach §§ 27, 28 AufenthG besteht mangels Sprachnachweis nicht (s.o.).
Es wurde auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar ist. Diese Voraussetzung ist dem Zweck des Gesetzes entsprechend, die Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Zum einen müssen besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Zum anderen müssen diese Umstände es als nicht zumutbar erscheinen lassen, das Visumverfahren nachzuholen. Ein besonderer Umstand als Ausnahme der vom Gesetzgeber angenommenen regelmäßigen Zumutbarkeit kann dann vorliegen, wenn sich der Ausländer in einer Sondersituation befindet, die sich deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet. Für die Zumutbarkeitsprüfung ist eine Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzustellen.
Art. 6 GG gewährt keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 13 m.w.N.). Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 17.5.2011 a.a.O. Rn. 14 m.w.N.). Erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück (BVerfG, B.v. 17.5.2011 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Andernfalls sind dem im Bundesgebiet lebenden Familienmitglied grundsätzlich Anstrengungen zumutbar, die familiäre Lebensgemeinschaft durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 10 CS 12.2679 – juris Rn. 33). Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die vorherige Durchführung eines Visumverfahrens wichtigen öffentlichen Interessen dient. In Fällen wie dem vorliegenden soll die vorherige Durchführung des Visumverfahrens gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern (BayVGH, B.v. 21.2.2013 a.a.O. Rn. 35).
Die Nachholung des Visumverfahrens aus dem Heimatland ist der Antragstellerin zu 1 auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK grundsätzlich zumutbar (vgl. BVerfG, B.v. 4.12.2007 – 2 BvR 2341/06 – InfAuslR 2008, 239 Rn. 6; BayVGH, B.v. 2.2.2010 – 10 ZB 09.2155 – juris Rn. 9). Besondere Umstände, die vorliegend ein Absehen von dem Erfordernis der Durchführung eines Visumsverfahrens gebieten würden, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Allein die Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1 von ihrem Ehemann während des Zeitraumes der Durchführung des Visumsverfahrens örtlich getrennt ist, begründet keine Unzumutbarkeit. Die Antragstellerin zu 1 hat sich lange Jahre ohne ihren Ehemann in Kasachstan aufgehalten. Auch besteht die eheliche Lebensgemeinschaft erst seit ca. zwei Monaten und damit erst seit kurzem. Zudem wurde die Ehe geschlossen, als der Antragstellerin zu 1 lediglich ein Besuchs- und kein Daueraufenthalt erlaubt war, sie also nicht darauf vertrauen konnte, im Bundesgebiet bleiben zu dürfen. Ferner besteht keine Beistandsgemeinschaft, für welche die ununterbrochene Anwesenheit der Antragstellerin zu 1 in der Bundesrepublik erforderlich wäre. Dass die Antragstellerin zu 1 ihre Wohnung in Kasachstan aufgegeben und dort keine Arbeitsstelle hat, macht ihre kurzzeitige Rückkehr nach Kasachstan ebenfalls nicht unzumutbar. Denn in dieser Hinsicht unterscheidet sie sich schon nicht von anderen in der Bundesrepublik lebenden Ausländern, die sich ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik erhoffen und deshalb regelmäßig keinen Zweitwohnsitz im Heimatstaat aufrechterhalten und wegen der Einreise in die Bundesrepublik ihre Arbeitsstelle im Heimatstaat aufgeben. Ein Sonderfall liegt damit nicht vor. Des Weiteren hat es die Antragstellerin zu 1 selbst zu vertreten, wenn sie ihren Wohnsitz und ihre Arbeitstätigkeit in Kasachstan aufgibt, obwohl sie nur ein 25-tägiges Aufenthaltsrecht in Deutschland hatte. Zudem ist ihr erwerbstätiger Ehemann der Antragstellerin zu 1 unterhaltspflichtig und die Antragstellerin zu 1 soweit ersichtlich erwerbsfähig. Sollte die Antragstellerin zu 1 daher weder bei ihren Eltern noch bei ihren Freunden unterkommen können, könnte sie sich ihren kurzfristigen Aufenthalt durch die (Wieder-)Aufnahme einer Kurzzeitbeschäftigung oder durch Unterhaltsleistungen ihres grundsätzlich hierzu verpflichteten Ehemanns finanzieren. Dass dies nicht möglich sein sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch die Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1 zusammen mit ihrem sechsjährigen Sohn eingereist ist, führt nicht zur Unzumutbarkeit der Ausreise. Ihr Sohn ist ebenfalls kasachischer Staatsangehöriger ohne Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik (s.u.) und kann die Antragstellerin zu 1 daher nach Kasachstan begleiten.
Dass die Antragstellerin zu 1 aufgrund gesundheitlicher Probleme in der Schwangerschaft auf den Beistand ihres deutschen Ehemanns in besonderer Weise angewiesen wäre, wurde ebenso wenig glaubhaft gemacht wie eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. Es ist Sache der Antragstellerin zu 1, die in ihrer Sphäre liegenden, für sie günstigen Umstände darzulegen. Im Schriftsatz vom 14. Dezember 2017 führt ihr Bevollmächtigter lediglich aus, dass die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 1 medizinisch geprüft würde. Woraus sich die Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1 ergeben soll, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Ein diesbezügliches fachärztliches Attest wurde nicht vorgelegt. Aus der vorgelegten Bescheinigung der Fachärzte für Allgemeinmedizin ergibt sich lediglich, dass die Antragstellerin zu 1 in der sechsten Woche schwanger ist. Eine Risikoschwangerschaft, aus der sich eine Reiseunfähigkeit ergeben könnte, wurde nicht glaubhaft gemacht. Eine normal verlaufende Schwangerschaft hat indes grundsätzlich keinen Krankheitswert und führt für sich allein nicht zur Reiseunfähigkeit. Bei einem unkomplizierten Schwangerschaftsverlauf können Schwangere bis zu vier Wochen vor dem voraussichtlichen Geburtstermin ohne gynäkologisches Attest fliegen. Darüber hinaus ist eine Ausreise per Flugzeug nicht zwingend. Kasachstan kann auch über den Landweg erreicht werden.
b) Die Antragstellerin zu 1 hat keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung bis zur Entscheidung in der Hauptsache gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Eine Abschiebung ist hinsichtlich der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen bzw. ihrer Schwangerschaft nicht gemäß Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK rechtlich unmöglich. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
3. Der nachträgliche Verfahrensbeitritt des Antragstellers zu 2 ist als nachträgliche subjektive Antragshäufung zulässig.
Die Antragstellerin zu 1 und der Antragsteller zu 2 sind einfache Streitgenossen i.S.d. § 64 VwGO i.V.m. § 60 ZPO, da ihre streitgegenständlichen Verpflichtungen auf einem im Wesentlichen gleichartiger tatsächlicher Grund beruhen. Gleichartigkeit (Gleichheit oder Identität nicht erforderlich) liegt vor bei einer Übereinstimmung nach dem abstrakten Inhalt des Anspruchs oder wenn die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt und der Tatsachenstoff im Wesentlichen gleichartig ist (Weth in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 60 Rn. 10). Dies ist hier der Fall. Mutter und Sohn sind jeweils mit einem am selben Tag beantragten und gleichlang gültigen Schengen-Visum eingereist; ein Aufenthaltsrecht des Sohnes kommt allenfalls als Folge eines Aufenthaltsrechts der Mutter in Betracht. Damit besteht ein sachlicher Zusammenhang. Auch die Voraussetzungen der objektiven Antragshäufung nach § 44 VwGO, die bei einer subjektiven Antragshäufung stets ebenfalls vorliegt (Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 64 Rn. 6), sind gegeben. Ein tatsächlicher Zusammenhang, bei dem die unterschiedlichen Ansprüche sei es dem Entstehungsgrund, sei es der erstrebten Wirkung nach einem einheitlichen Lebensvorgang zuzurechnen sind (Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 44 Rn. 9), liegt bei der gebotenen weiten Auslegung (W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 64 VwGO Rn. 4) vor (s.o.); ebenso ist das hiesige Gericht auch für den Antrag des Antragstellers zu 2 zuständig. Auch die Voraussetzungen der Antragsänderung nach § 91 VwGO durch den Beitritt des Antragstellers zu 2 (vgl. Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 91 Rn. 20) sind erfüllt. Zum einen hat der Antragsgegner auf die Antragserweiterung erwidert, ohne zu widersprechen und damit seine Einwilligung gem. § 91 Abs. 2 VwGO erklärt. Zum anderen ist eine Antragserweiterung wegen des einheitlichen tatsächlichen Lebenssachverhalts sachdienlich (s.o.).
4. Der zulässige Antrag des Antragstellers zu 2 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist unbegründet. Insoweit sind die hierfür maßgeblichen rechtlichen Erwägungen dieselben wie jene in Bezug auf die Antragstellerin zu 1, so dass auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden kann. Insbesondere ist eine Ausreisefrist von knapp zwei Wochen bis zum 15. Dezember 2017 in Hinblick auf die schon seit dem 27. Oktober 2017 bestehende Ausreisepflicht des Antragstellers zu 2 angemessen i.S.d. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
5. Der zulässige Hilfsantrag des Antragstellers zu 2 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Es liegt derzeit kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor, noch sind sonstige Gründe ersichtlich, aus denen die Abschiebung des Antragstellers zu 2 nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Folglich wurde ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
a) Der Antragsteller zu 2 hat keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG.
Die Antragstellerin zu 1 als soweit ersichtlich allein sorgeberechtigte Mutter hat keinen Aufenthaltstitel i.S.d. § 32 Abs. 1 AufenthG inne, insbesondere keine Aufenthaltserlaubnis. Dies ist jedoch Voraussetzung eines Anspruchs nach § 32 Abs. 1 AufenthG (OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.7.2017 – 11 S. 48.17 – juris Rn. 3). Sie hat hierauf auch keinen Anspruch (s.o.).
b) Der Antragsteller zu 2 hat keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 4 AufenthG.
Eine besondere Härte liegt nur vor, wenn nach den Gegebenheiten des Einzelfalls das Interesse des minderjährigen Kindes und des im Bundesgebiet lebenden Elternteils an dem Zusammenleben im Bundesgebiet deswegen vorrangig ist, weil sich die Lebensumstände wesentlich geändert haben, die das Verbleiben des Kindes im Heimatland ermöglicht haben, und weil dem Elternteil eine Rückkehr in das Heimatland gegenwärtig nicht zumutbar ist (OVG Berlin-Bbg, B.v. 9.2.2015 – OVG 11 N 3.14 – juris Rn. 7 m.w.N.; Bergmann/Dienelt, AufenthG, 11. Aufl., § 32 Rn. 64). Die Änderung der Lebensumstände muss danach nicht durch die Ausreise der Eltern (oder des Elternteils), sondern nach ihrer Ausreise eingetreten sein, ohne dass dies zuvor absehbar war (OVG Berlin-Bbg, B.v. 16.7.2009 – OVG 2 B 4.09 – juris Rn. 19). Daran fehlt es hier. Zum einen hat der Antragsteller zu 2 nicht vorgetragen, dass sich Umstände in Kasachstan über die – insoweit unbeachtliche – Ausreise seiner Mutter hinaus geändert haben. Zum anderen ist seine Mutter die Rückkehr in ihr Heimatland zumutbar; sie ist hierzu sogar verpflichtet (s.o.).
c) Ein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Antragsteller zu 2 ist weder als Asylberechtigter oder international Schutzberechtigter anerkannt, noch sind Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG ersichtlich (§ 25 Abs. 1 bis Abs. 3 AufenthG). Der Antragsteller zu 2 ist auch vollziehbar ausreisepflichtig (s.o.) und strebt einen dauerhaften und damit nicht nur vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik an, so dass auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG nicht in Betracht kommt. Die Ausreise ist dem Antragsteller zu 2 auch nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich (dazu sogleich), so dass auch kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besteht.
d) Darüber hinaus erfüllt der Antragsteller zu 2 auch nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, da er nicht mit dem erforderlichen Visum für einen dauerhaften Aufenthalt eingereist ist. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 2. a) bb) verwiesen werden. Ein Absehen vom Erfordernis des Visumverfahrens ist auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG möglich. Zum einen hat der Antragsteller zu 2 keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis (s.o.), zum anderen liegen auch keine besonderen Umstände, die eine Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar erscheinen lassen, vor. Dass sich der Antragsteller zu 2 im Vergleich zu anderen – auch minderjährigen – Ausreisepflichtigen in einer besonderen Situation befindet, wurde nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ergibt sich eine besondere Härte nicht schon dadurch, dass sich die Mutter des Antragstellers zu 2 derzeit in der Bundesrepublik befindet und der Antragsteller zu 2 nach Vortrag seines Bevollmächtigten keine Verwandten in Kasachstan hat, die für ihn sorgen könnten. Seine ihn begleitende Mutter ist ebenfalls zur Ausreise verpflichtet (s.o.). Der Antragsteller zu 2 kann daher zusammen mit seiner Mutter nach Kasachstan zurückkehren und diese dort für ihn sorgen. Die Gefahr, dass der Antragsteller zu 2 in Kasachstan auf sich allein gestellt ist, besteht folglich nicht. Der Antragsteller zu 2 hält sich zudem erst seit zwei Monaten in der Bundesrepublik auf, weshalb auch in Hinblick auf die nur sehr kurze Aufenthaltsdauer eine Unzumutbarkeit nicht ersichtlich ist. Da der minderjährige Antragsteller zu 2 nach Vortrag der Antragstellerin zu 1 das Kind aus einer vorherigen Beziehung der Antragstellerin zu 1 ist, besteht sogar ein gesteigertes Interesse daran, dass der Antragsteller zu 2 zunächst nach Kasachstan zurückkehrt und ein Visumverfahren durchgeführt wird. Erst im Visumverfahren kann umfassend geprüft werden, ob durch einen dauerhaften Aufenthalt des Antragstellers zu 2 im Bundesgebiet etwaige Sorge- und Umgangsrechte des Kindsvaters berührt werden oder ob – wie die Antragstellerin zu 1 vorträgt – die Kindsmutter das alleinige Sorgerecht ausübt und kein Kontakt zum Kindsvater besteht. Es besteht mithin ein gesteigertes öffentliches Interesse daran, dass die Kindsmutter nicht durch das eigenmächtige, dauerhafte Verbringen des Kindes ins Ausland für den Kindsvater vollendete Tatsachen schafft, ohne dass die zuständigen Behörden zuvor Gelegenheit hatten, einen dauerhaften Aufenthaltswechsel des Minderjährigen zu prüfen.
6. Der Antragsteller zu 2 hat auch keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung ergibt sich auch nicht aus seinem Recht auf Privatleben nach Art .8 EMRK. In Hinblick auf den nur kurzen Aufenthalt des Antragstellers zu 2 in der Bundesrepublik und der hohen Bedeutung des Visumverfahrens im Ausländerrecht (s.o.) ist eine Abschiebung des Antragstellers zu 2 verhältnismäßig.
7. Die Antragstellerin zu 1 und der Antragsteller zu 2 haben die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1, § 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO zu tragen.
8. Die Höhe des Streitwerts folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3, Nr. 1.5 und Nr. 8.3 des Streitwertkatalogs.

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