Verwaltungsrecht

Kein Anordnungsanspruch auf hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung

Aktenzeichen  M 12 E 15.5485

Datum:
11.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO 123 I 2
BayWoBindG BayWoBindG Art. 5

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller bewohnt derzeit eine öffentlich geförderte Einzimmerwohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 36,64 in der …-Str. … in München.
Mit Bescheid vom … Januar 2015 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller für eine öffentlich geförderte Wohnung vorgemerkt. Als angemessene Wohnungsgröße wurde ein Wohnraum mit einer Fläche ab 10 qm festgesetzt. Die Dringlichkeit des Antrags wurde mit 21 Punkten (15 Grundpunkte, 6 Anwesenheitspunkte) in Rangstufe III festgesetzt.
Am … Juni 2015 hat der Antragsteller einen Änderungsantrag gestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Wohnsituation in der …-stadt … äußerst belastend sei. Es gebe keine Hausordnung. Bürgerliche Wohnverhältnisse seien dem Antragsteller sehr wichtig. Beigefügt war dem Antrag ein ärztliches Attest von Dr. …, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, aus dem sich ergibt, dass sich beim Antragsteller im Zusammenhang mit seiner äußerst belastenden Wohnsituation eine depressive Erkrankung entwickelt habe. Der Antragsteller finde in seiner Wohnung keine Ruhe mehr, leide an Schlafstörungen, innerer Unruhe, gedrückter Stimmung und deutlicher Minderung der Affizierbarkeit. Es sei medizinisch angezeigt, dass der Antragsteller in eine ruhigere Umgebung ziehen könne, da ansonsten eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands zu befürchten sei.
Mit Bescheid vom … Juni 2015 wurde daraufhin unter Beibehaltung der übrigen Festsetzungen im Bescheid vom … Januar 2015 die Dringlichkeit des Antrags mit nunmehr 97 Punkten (71 Grundpunkte, 26 Anwesenheitspunkte) in Rangstufe I festgesetzt. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Aufgrund seines Antrags vom … September 2015 wurde dem Antragsteller darüber hinaus am 24. September 2015 ein Wohnberechtigungsschein ausgestellt.
Mit Schreiben vom … November 2015, beim Sozialgericht München am 10. November 2015 eingegangen, hat der Antragsteller den Umzug in bürgerliche Wohnverhältnisse nach …, …, …, … beantragt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller ein Zuhause in deutscher Kultur mit einer Hausordnung und Werten suche. Er wohne seit über 20 Jahren in äußerst schlimmen Wohnverhältnissen. Er werde täglich belästigt und bedroht. Er wünsche sich ein Wohnen in traditionell bürgerlich deutsch-konservativer Umgebung in München-West oder im Umland.
Mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. Dezember 2015 wurde der Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht München verwiesen.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 4. Januar 2015 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller für eine öffentlich geförderte Wohnung vorgemerkt und in die Vormerkdatei der Antragsgegnerin aufgenommen worden sei. Aufgrund des akuten Mangels an geförderten Wohnungen habe dem Antragsteller bisher kein Wohnungsangebot erteilt werden können. Eine höhere Bewertung der Dringlichkeit sei derzeit nicht möglich. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien mit 71 Grundpunkten ermessensgerecht gewürdigt worden. Akute, lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Wohnverhältnisse bestünden nach Aktenlage nicht. Da der Antragsteller die Bewertung der Dringlichkeit auch nicht beanstandet habe, sei davon auszugehen, dass er die unmittelbare Zurverfügungstellung einer Sozialwohnung begehre. Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin sei jedoch nicht möglich. Gegenüber dem Verfügungsberechtigten würden seitens der Antragsgegnerin mindestens fünf berechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl benannt. Die Entscheidung über den Abschluss des Mietvertrages bleibe dem Verfügungsberechtigten vorbehalten. Im Übrigen ergebe sich bei der Auswahl der Mieterschaft in geförderten Objekten nach Dringlichkeit in der Regel eine „gemischte“ Bewohnerstruktur.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Das Gericht legt den Antrag des Antragstellers gemäß §§ 122, 88 VwGO dahingehend aus, dass die Antragsgegnerin im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet werden soll, dem Antragsteller Wohnungsvorschläge zu unterbreiten bzw. ihm eine öffentlich geförderte Wohnung zuzuweisen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allen bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg. Zum einen würde mit der begehrten Anordnung die Hauptsache vorweggenommen werden. Zum anderen besteht nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Anordnungsanspruch auf Unterbreitung von Wohnungsvorschlägen bzw. auf Zuweisung einer geförderten Wohnung.
Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf gemäß Art. 5 Bayer. Wohnungsbindungsgesetz (BayWoBindG). Die Antragsgegnerin hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH v. 23.9.1987, DWW 1988, 55). Ein solcher Vormerkbescheid ist hier mit Datum vom … Juni 2015 ergangen. Er ist auch bestandskräftig geworden.
Als Folge dieser Dringlichkeitseinstufung ist die Antragsgegnerin verpflichtet, Wohnungsangebote in der damit erstellten Reihenfolge der Dringlichkeit zu erteilen. Die Benennung hängt von der Zahl der tatsächlich freiwerdenden Wohnungen ab, die dem festgestellten Wohnbedarf entsprechen, von der Anzahl vorgemerkter Bewerber mit entsprechendem Wohnbedarf sowie der Dringlichkeit und Dauer der Bewerbung. Ein Anordnungsanspruch wäre nur dann glaubhaft gemacht, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei wäre und keine anderen Bewerber dem Antragsteller vorgingen. Hierfür fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Die Antragsgegnerin hat im Verfahren vielmehr dargelegt, dass der Antragsteller vorgemerkt und in die Vormerkdatei der Antragsgegnerin aufgenommen wurde. Der Antragsteller wird damit seiner Dringlichkeit entsprechend berücksichtigt. Die Verpflichtung der Behörde, den Antragsteller für eine Wohnung zu benennen, würde den anderen Wohnungssuchenden, deren Anliegen noch dringlicher einzuordnen ist, unter Umständen einen erheblichen Nachteil zufügen. Der Mangel an öffentlich geförderten Wohnungen und die Vielzahl vorgemerkter Bewerber ist gerichtsbekannt.
Soweit der Antrag dahingehend ausgelegt werden könnte, dass der Antragsteller die Zurverfügungstellung bzw. Zuweisung einer Sozialwohnung begehrt, ist er zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung. Nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsrecht ist die unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin nicht möglich. Da es sich bei dem Gebiet der Antragsgegnerin um ein Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf im Sinne von Art. 5 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen in Bayern handelt, hat die Antragsgegnerin in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Gemäß Art. 5 Satz 2 BayWoBindG hat die zuständige Stelle den Verfügungsberechtigten mindestens fünf wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. Die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages mit den Wohnungssuchenden bleibt jedoch den Verfügungsberechtigten vorbehalten. Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin ist nicht möglich (BayVGH v. 21.8.1990 – 7 CE 90.1139).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).

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