Aktenzeichen B 4 E 17.116
Leitsatz
1 Zur Konkretisierung des Begriffs einer qualifizierten Berufsausbildung in § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG ist auf § 6 Abs. 1 S. 2 BeschV zurückzugreifen(VGH BW BeckRS 2016, 111609). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Ausbildung an der Berufsfachschule bedarf ein geduldeter Ausländer auch dann keiner Erlaubnis, wenn eine Nebenbestimmung in der Duldung die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht gestattet, da nach § 2 Abs. 2 AufenthG iVm § 7 Abs. 2 SGB IV nur die betriebliche Berufsbildung, also die duale Berufsausbildung in Ausbildungsbetrieb und Berufsschule, eine Erwerbstätigkeit darstellt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei der Prüfung, ob konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, ist nicht ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Aufnahme einer Ausbildung mit einer mehrmonatigen Duldung begründet keinen ausländerrechtlichen Vertrauensschutz, dass sie zu Ende gebracht werden kann, wenn nach Stellung des Antrages auf eine Ausbildungsduldung eine Aufenthaltsbeendigung möglich wird und damit bevorsteht. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens
3. Der Streitwert wird auf 6.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller begehren die Verpflichtung des Antragsgegners, ihnen Duldungen zu erteilen, hilfsweise von Abschiebemaßnahmen Abstand zu nehmen.
Die Antragsteller sind kosovarische Staatsangehörige, albanischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Der Antragsteller zu 1 reiste am 09.10.1996 erstmals ins Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der am 22.11.1996 abgelehnt wurde. Die Ablehnung wurde am 21.03.1998 rechtskräftig. Ab 15.09.1998 bis Mitte Mai 2000 wurde er wegen Passlosigkeit geduldet. Am 17.07.2000 stellte er einen Folgeantrag, der abgelehnt wurde. Die Ablehnung wurde am 22.08.2000 bestandskräftig. Nachdem auch ein zweiter Folgeantrag rechtskräftig abgelehnt worden war, wurde er am 03.03.2001 in den Kosovo abgeschoben. Die Wirkungen der Abschiebung wurden bis 31.05.2014 befristet. In den Jahren von 2002 bis 2013 lebte er nach eigenen Angaben als Flüchtling in der Schweiz und in Frankreich. Seine Ehefrau, die im Kosovo geborene Antragstellerin zu 2, lebte nach eigenen Angaben 1993 bis 2000 in Deutschland und anschließend bis 2015 im Kosovo. Die Antragstellerin zu 3 ist ihre gemeinsame eheliche Tochter.
Am 01.01.2015 reisten die Antragsteller zu 1 bis 3 ohne Visum ins Bundesgebiet ein. Bei einer Kontrolle in Würzburg wurden ihre kosovarischen ID-Karten fotografiert und anschließend die Originale zurückgegeben. Am 13.01.2015 stellte der Antragsteller zu 1 einen Asylfolgeantrag, die Antragstellerin zu 2 und 3 stellten jeweils Asylerstanträge.
Mit Bescheid der Regierung von N … – Regierungsaufnahmestelle vom 09.02.2015 wurden die Antragsteller zu 1 bis 3 dem Landkreis F …G … mit Wohnsitz in der Gemeinschaftsunterkunft G … zugewiesen. Der Antragsteller zu 1 erhielt als Folgeantragsteller am 11.03.2015 eine Duldungsbescheinigung mit der Auflage „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“, die nach mehrmaligen Verlängerungen ununterbrochen bis 22.03.2016 galt. Die Antragstellerin zu 2 erhielt zunächst eine Aufenthaltsgestattung.
Mit Bescheid vom 02.03.2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Anträge der Antragstellerinnen zu 2 und 3 auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab, erkannte keinen subsidiären Schutz zu, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen und drohte ihnen die Abschiebung in den Kosovo an. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde nicht angeordnet. Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und eine Klage dagegen blieben ohne Erfolg (VG Regensburg, B v. 17.03.2015 – RN S. 15.30232; U. v. 07.07.2015 – RN 2 K 15.30233). Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 sind damit seit 14.08.2015 ausreisepflichtig. Im Hinblick auf das noch anhängige Asylverfahren des Antragstellers zu 1 wurden die Antragstellerinnen zu 2 und 3 nach Angaben des Antragsgegners „stillschweigend“ geduldet. Eine Duldungsbescheinigung wurde ihnen nicht ausgestellt. Erst auf ihren Antrag vom 03.12.2015 hin erhielt die Antragstellerin zu 2 am 23.12.2015 eine bis 22.03.2016 gültige Duldung mit der Auflage „Erwerbstätigkeit nicht gestattet “.
Am 09.09.2015 schlossen der Antragsteller zu 1 und die Antragstellerin zu 2 jeweils einen Schulvertrag mit der Altenpflegeakademie … als Träger der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Sozialpflege in G …. Am 13.09.2015 begannen sie die zweijährige Vollzeitausbildung zum staatlich geprüften Sozialbetreuer, der auch den Abschluss zum Pflegehelfer mit einschließt. Die Ausbildung umfasst theoretischen Unterricht, Deutschunterricht und in die schulische Ausbildung integrierte pflegerische Praktika in sozialen Einrichtungen, die unentgeltlich abzuleisten sind.
Mit Bescheid vom 04.02.2016 lehnte das Bundesamt nach Durchführung eines weiteren Asylverfahrens den Antrag des Antragstellers zu 1 auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet sowie den Antrag auf subsidiären Schutz als unbegründet ab und drohte ihm die Abschiebung in den Kosovo an. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG befristete die Behörde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung, das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise. Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO blieb ohne Erfolg (VG Regensburg, B. v. 07.03.2016 – RN 4 S. 16.30398). Der Antragsteller zu 1 ist damit seit 08.03.2016 ausreisepflichtig. Auf die Klage gegen den Bescheid hin wurden die Einreise- und Aufenthaltsverbote aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen (U. v. 15.06.2016 – RN 4 K 16.30399). Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht Regensburg aus, es sei ermessensfehlerhaft, wenn gegenüber dem Antragsteller zu 1, anders als gegenüber der Antragstellerin zu 2, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet worden sei.
Am 12.03.2016 kam die Antragstellerin zu 4 in F … zur Welt. Die Geburt teilten die Antragsteller, anwaltlich vertreten, mit Schreiben vom 28.03.2016 dem Landratsamt F … -G …, mit und beantragten, auch die übrigen Antragsteller aufgrund der noch nicht bestehenden Ausreisepflicht der Antragstellerin zu 4 zu dulden. Außerdem beantragten sie, den Antragstellern zu 1 und 2 durch Hinnahme des weiteren Aufenthalts die Möglichkeit zu geben, die Berufsfachschule abzuschließen, damit sie anschließend einen Visumsantrag zur Arbeitsaufnahme als Altenpfleger stellen könnten. Die Geburt des Kindes zeigte der Antragsgegner erst am 15.09.2016 dem Bundesamt an.
Bereits mit Bescheid vom 18.03.2016 war den Antragstellern von der Regierung von O … die Ankunfts- und Rückkehreinrichtung in B … (ARE II) als künftiger Wohnsitz zugewiesen worden. Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und eine Klage gegen den Bescheid hatten keinen Erfolg (VG Regensburg, B. v. 03.05.2016 – RN 4 S. 16.30743; U. v. 22.06.2016 – RN 4 K 16.30685). Da die Antragsteller zu 1 und 2 den Mittelschulabschluss als externe Bewerber nachholen wollten, erklärte die Regierung von O … – Prozessvertretung gegenüber dem Verwaltungsgericht Regensburg, aufgrund der Gesamtumstände bis 31.07.2016 von der Vollstreckung des Umverteilungsbescheides abzusehen. Der Bescheid wurde bis heute nicht vollstreckt.
Am 20.07.2016 reichten die Antragsteller eine Petition zum Bayerischen Landtag ein. Seit 23.08.2016 ist die Regierung von O … – Zentrale Ausländerbehörde (ZAB O …) ausländerrechtlich zuständig.
Im September 2016 erwarb die Antragstellerin zu 2, die seit 13.06.2016 die Ausbildung zur Sozialbetreuerin nicht mehr fortführt, den Mittelschulabschluss. Am 13.09.2016 begann sie eine Teilzeitausbildung zur staatlich geprüften Pflegefachhelferin, die voraussichtlich am 31.07.2018 enden wird. Der Antragsteller absolviert weiter seine 2015 begonnene Ausbildung, die voraussichtlich bis 31.07.2017 dauern wird.
Am 20.09.2016 und erneut am 05.10.2016 forderte die ZAB O … den Antragsteller zu 1 auf, der Behörde ein Passfoto der Antragstellerin zu 4 zu übersenden. Am 13.10.2016 erklärte das Staatsministerium des Innern im Rahmen des Petitionsverfahrens gegenüber dem Landtagsamt, im Falle einer ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag der Antragstellerin zu 4, mit der zu rechnen sei, werde die Rückkehr in das Heimatland im Rahmen der geltenden Gesetze durchgesetzt werden. Am 18.10.2016 forderte die Regierung von O … die Antragsteller zu 1 und 2 auf, ihre Ausbildungen, die sie ohne Wissen des Landratsamtes F …-G … begonnen hätten und fortführten, sofort niederzulegen. Dieser Aufforderung kamen die Antragsteller zu 1 und 2 bis heute nicht nach. Am 21.11.2016 beantragten die Antragsteller, sie für die Dauer der noch laufenden Ausbildung zu dulden und verwiesen dabei darauf, dass keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bevorstünden, weil die Petition noch anhängig sei. Über diesen Antrag wurde bis heute nicht entschieden. Am 28.11.2016 übersandte die Regierung von O … drei Passersatzpapieranträge an die für die Beschaffung von Heimreisedokumenten zuständige Regierung von Ob …. Die anhängige Petition erklärte der Bayerische Landtag aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung am 07.12.2016 für erledigt.
Nachdem die Antragsteller zu 1 und 2 auf die Durchführung eines Asylverfahrens für die Antragstellerin zu 4 verzichtet hatten, stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 07.12.2016 das Asylverfahren der Antragstellerin zu 4 ein, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen, setzte eine Ausreisefrist von 30 Tagen, drohte widrigenfalls die Abschiebung in den Kosovo an und bestimmte ein Einreise- und Ausreiseverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung. Der Bescheid wurde am 28.12.2016 bestandskräftig.
Am 09.12.2016 erhielt die ZAB O … die Mitteilung, dass die Behörde nach Verifizierung der Antragsteller im Kosovo für die Antragsteller jeweils ein EU-Laissez-passer ausstellen könne. Am 22.12.2016 erteilte die ZAB O … den Antragstellern Duldungen bis 23.01.2017 mit der Nebenbestimmung, dass die Duldung mit der Bekanntgabe des Abschiebungs- oder Ausreisetermins erlösche. Die Antragsteller hielten sich laut einer Bestätigung der Gemeinschaftsunterkunft G … dort bis 14.02.2017 auf. Die Abschiebung der Antragsteller konnte am 15.02.2017 nicht durchgeführt werden, weil die Antragsteller in der Gemeinschaftsunterkunft G … nicht angetroffen wurden.
Mit Telefax vom 15.02.2017 haben die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth gemäß § 123 VwGO beantragt,
den Antragsgegner im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Duldungen zu erteilen, hilfsweise von Abschiebemaßnahmen Abstand zu nehmen.
Zur Begründung führen sie aus, die Antragsteller zu 1 und 2 hätten einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung. Die Erteilung scheitere insbesondere nicht daran, dass keine konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen dürften. Als die Antragsteller am 28.03.2016 beantragt hätten, ihnen zu ermöglichen, ihre Ausbildung bei der Berufsfachschule abzuschließen, sei der Asylantrag der am 12.03.2016 geborenen Antragstellerin zu 4 noch anhängig gewesen. Bei der erneuten Antragstellung am 21.11.2016 sei die Antragstellerin zu 4 immer noch nicht ausreisepflichtig und darüber hinaus eine Petition anhängig gewesen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Am 17.02.2017 teilte die Pfarrerin der Evangelisch- Lutherischen Kirchengemeinde G … der Polizeiinspektion G … mit, die Antragsteller befänden sich in der Christuskirche im Kirchenasyl. Nachdem das Gericht dem Antragsgegner am 21.02.2017 mitgeteilt hatte, es gehe davon aus, dass der Antragsgegner bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen absehe, verließen die Antragsteller am 28.02.2017 das Kirchenasyl und zogen wieder in die Gemeinschaftsunterkunft.
Mit Beschluss vom 01.03.2017 entzog das Amtsgericht F … dem Antragsteller zu 1 die Freiheit und ordnete im Wege einer einstweiligen Anordnung die Freiheitsentziehung bis spätestens 08.03.2017 an. Der Beschluss wurde nicht vollzogen. Die gegen den Beschluss erhobene sofortige Beschwerde zum Landgericht P … erledigte sich durch Zeitablauf.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die Anträge auf Erteilung von Duldungen bleiben ohne Erfolg.
1. Der Antrag des Antragstellers zu 1 ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers zu 1 vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass die Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
Der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller zu 1, dessen Ausreisefrist abgelaufen ist und der vor einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu seinen Ungunsten nicht zur freiwilligen Ausreise bereit ist, hat keinen Anspruch auf eine Duldung glaubhaft gemacht. Deshalb liegt wegen der drohenden Abschiebung zwar ein Anordnungsgrund, aber kein Anordnungsanspruch vor.
Der Antragsteller zu 1 hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung.
Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Abs. 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Gemäß § 60 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG darf die Ausübung der Erwerbstätigkeit einem geduldeten Ausländer nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können.
a) Die vom Antragsteller zu 1 absolvierte Ausbildung ist eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Beschäftigungsverordnung (BeschV), auf den zur Konkretisierung des Begriffs in § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zurückzugreifen ist (VGH BW, B. v. 20.12.2016 – 11 S 2516/16 – juris Rn. 4), liegt eine qualifizierte Berufsausbildung vor, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt. Da die vom Antragsteller zu 1 betriebene Ausbildung zum staatlich geprüften Sozialbetreuer in Vollzeitform zwei Jahre dauert, ist diese Voraussetzung erfüllt. Der Beruf Sozialbetreuer ist darüber hinaus nach Angaben der Altenpflegeakademie ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf. Daran ändert nichts, dass es sich bei der Ausbildung um eine rein schulische Ausbildung handelt und kein Ausbildungsbetrieb vorhanden ist (Fehrenbacher in HTK-AuslR, Stand März 2017, § 60a AufenthG / zu Abs. 2 Satz 4 Ausbildungsduldung Ziff. 2.2).
b) Der Antragsteller zu 1 hat die Ausbildung zum Sozialbetreuer aufgenommen. Dazu ist es erforderlich, dass sich der Ausländer an seinem Ausbildungsplatz eingefunden hat und die Ausbildung bereits begonnen hat. Außerdem müssen bei der Aufnahme der Ausbildung auch die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen beachtet worden sein (NdsOVG, B. v. 09.12.2016 – 8 ME 184/16 – juris Rn. 5f.).
Der Antragsteller zu 1 hat für die rein schulische Ausbildung mit der Altenpflegeakademie am 09.09.2015 einen Schulvertrag abgeschlossen und sich auf der Grundlage dieses Vertrages am 13.09.2015 an seinem Ausbildungsplatz eingefunden, um seine Ausbildung zu beginnen. Da das Bundesamt bis zu diesem Zeitpunkt nicht mitgeteilt hatte, dass kein Folgeverfahren durchgeführt wird, durfte seine Abschiebung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG nicht vollzogen werden, so dass er eine Duldung erhielt (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 71 AsylG Rn.15). Anders als für die Ausübung einer Beschäftigung oder eine betriebliche Ausbildung, für die nach § 4 Abs. 2 Satz 3, § 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i. V. m. § 32 Abs. 1 und Nr. 2 BeschV eine von der Ausländerbehörde ohne Zustimmung der Bundesagentur zu erteilenden Beschäftigungserlaubnis der Ausländerbehörde erforderlich gewesen wäre, bedurfte der geduldete Antragsteller zu 1 für die Ausbildung an der Berufsfachschule keiner Erlaubnis. Daran ändert auch die Nebenbestimmung in seiner Duldung „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“ nichts. Gemäß § 2 Abs. 2 AufenthG ist Erwerbstätigkeit nur die Beschäftigung i. S. v. § 7 Abs. SGB IV. Nach § 7 Abs. 2 SGB IV gehört dazu nur die betriebliche Berufsbildung, also die duale Berufsausbildung in Ausbildungsbetrieb und Berufsschule (Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2016, § 7 SGB IV, Rn. 147a).
c) Die Ausbildungsduldung ist auch nicht zwingend zu versagen, weil die Abschiebung des Antragstellers zu 1 aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann (§ 60a Abs. 2 Satz 4 i. V. m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Denn der Erteilung können nur solche Gründe entgegengehalten werden, die derzeit den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen hindern. Gründe, die den Vollzug ausschließlich in der Vergangenheit verzögert oder behindert haben, sind unbeachtlich (BayVGH, B. v. 28.04.2011 – 19 ZB 11.875 – juris Rn. 5 zu § 11 BeschVerfV).
Zwar hat der Antragsteller zu 1 in der Vergangenheit die Abschiebung verzögert, indem er seine ID-Karte nicht vorlegte. Dieses Verhalten verzögert jedoch derzeit seine Aufenthaltsbeendigung nicht mehr, weil die kosovarischen Behörden inzwischen, obwohl ihnen das Personaldokument lediglich in Kopie vorlag, mit der jederzeitigen Ausstellung eines Laissez-passer durch den Antragsgegner einverstanden sind.
d) Der Erteilung einer Ausbildungsduldung steht jedoch entgegen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen.
Maßgeblicher Zeitpunkt, zu dem die Tatbestandsmerkmale einer Norm, auf die sich ein Anordnungsanspruch i. S. v. § 123 VwGO stützt, erfüllt sein müssen, ist für das Gericht der Zeitpunkt seiner Entscheidung (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 123 Rn.27). Etwas Anderes gilt nur dann, wenn das materielle Recht, insbesondere der Zweck der gesetzlichen Vorschrift, ausnahmsweise gebietet, auf einen anderen Zeitpunkt, insbesondere auf den der Antragstellung, abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 18.04.2013 – 10 C 9/12 – BVerwGE 146,189/ 195 = InfAuslR 2013, 331/333 jew.Rn.18 zu § 32 und zu § 36 Abs. 1 AufenthG).
Bei der Prüfung, ob konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, ist nicht ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen.
Die gesetzliche Neuregelung in § 60a Abs. 2 Satz 4 und 5 AufenthG dient dazu, dass die Auszubildenden und ihre Ausbilder mit dem Anspruch auf Erteilung der Duldung für die gesamte Dauer der Berufsausbildung ein verstärktes Maß an Sicherheit erhalten sollten (BT-Drs. 18/8615 S.48). Der Duldungsanspruch, der im ursprünglichen Gesetzesentwurf nur den Verweis auf § 60a Abs. 6 AufenthG enthielt, wurde im Gesetzgebungsverfahren auf *Betreiben des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages durch das weitere negative Tatbestandsmerkmal, dass konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen, zusätzlich eingeschränkt. Damit wurde bezweckt, dass dann, wenn die Abschiebung absehbar ist, der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden soll und keine Duldung zum Zweck der Berufsausbildung erteilt werden darf (BT-Drs. 18/9090 S. 25).
Zweck der Neuregelung ist es damit, (nur dann) einen Anspruch auf eine Duldung für die gesamte Dauer der Ausbildung zu schaffen, wenn die Abschiebung des Ausländers noch nicht vorhersehbar ist. Dagegen ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht die Intention des Gesetzgebers, bereits begonnene Ausbildungsverhältnisse zu schützen, die sich als Folge einer bereits begonnenen Integration darstellen (so aber OVG Berlin-Bbg, B. v. 22.11.2016 -12 S. 61.16 – juris Rn.9). Vielmehr begründet, auch wenn der Anwendungsbereich der Vorschrift auch bereits aufgenommene Ausbildungsverhältnisse umfasst, die Aufnahme einer Ausbildung mit einer mehrmonatigen Duldung keinen ausländerrechtlichen Vertrauensschutz, dass sie zu Ende gebracht werden kann, wenn nunmehr, nach Stellung des Antrages auf eine Ausbildungsduldung, eine Aufenthaltsbeendigung möglich wird und damit bevorsteht. Die Gesetzesmaterialien geben auch nichts dafür her, dass die grundsätzliche Ausrichtung des Integrationsgesetzes am Prinzip des „Fördern und Forderns“, hinter dem die wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik und der Bedarf des Arbeitsmarktes an einer Vielzahl von Arbeitskräften stehen, auch nach der ordnungspolitisch motivierten Einfügung des negativen Tatbestandmerkmales unangetastet zu bleiben hätte (so aber VGH BW, B. v. 13.10.2016 – 11 S 1991/16 – InfAuslR 2017, 15/16). Das Gesetz gebietet es weiterhin nicht, durch die Festlegung eines frühen Zeitpunkts auszuschließen, dass die Ausländerbehörde einen Anspruch nachträglich beseitigt, indem sie nach Kenntnis von der Aufnahme der Berufstätigkeit im Wege der Antragstellung bis zur gerichtlichen Entscheidung Abschiebemaßnahmen einleitet (so aber VGH BW, InfAuslR 2017, 15/18). Eine Ausbildungsduldung dürfen nach dem Wortlaut des Gesetzes und der Begründung zur Einfügung des negativen Tatbestandsmerkmals (BT-Drs. 18/9090 S, 25) vielmehr nur Ausländer beanspruchen, bei denen nicht absehbar ist, wann aufenthaltsbeendende Maßnahmen bevorstehen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Heimatbehörden, wie z.B. die äthiopischen Auslandsvertretungen, erfahrungsgemäß nicht (zeitnah) bei der Vorbereitung von Rückführungen mitwirken, wenn Abschiebungen in ein bestimmtes Land auf absehbare Zeit für alle Staatsangehörigen oder wie z.B. in den Irak für bestimmte Personengruppen nicht durchgeführt werden oder wenn die Ausländerbehörde die Aufenthaltsbeendigung auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht zumindest weitgehend vorbereitet hat. Für die übrigen Ausländer bleibt immer noch der Weg, mit ggf. wiederholt verlängerten mehrmonatigen Duldungen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG Ausbildungen zu absolvieren, sofern nicht die in § 60 Abs. 6 AufenthG normierten Versagungsgründe eingreifen. Auf diese Weise wird sowohl den Interessen der Ausländer und ihren Ausbildern als auch dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung Rechnung getragen. Deshalb besteht keine Veranlassung, vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als maßgeblichem Zeitpunkt abzuweichen (im Ergebnis so auch VG Würzburg, B. v. 26.09.2016 – W 7 E 16.953 – juris Rn. 27; a. A. – jew. Antragstellung – VGH BW, B. v. 13.10.2016 – 11 S 1991/16 – InfAuslR 2017, 15/18; OVG Berlin-Bbg, B. v. 22.11.2016 – 12 S. 61.16 – juris Rn. 9 – 11; NdsOVG, B. v. 09.12.2016 – 8 ME 184/16 juris Rn. 8; offengelassen BayVGH, B. v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris Rn. 17f.).
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts stehen Abschiebemaßnahmen konkret bevor. Der Antragsgegner hat, nachdem die Abschiebung am 15.02.2017 daran gescheitert ist, dass u.a. der Antragsteller zu 1 in der Gemeinschaftsunterkunft nicht angetroffen wurde, jederzeit die Möglichkeit, für ihn erneut ein Laissez-passer auszustellen und eine Abschiebung zu organisieren, sofern er seiner Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommt.
Auf die Frage, ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen bereits beim Antrag auf eine Duldung bis zum Ende der Ausbildung am 28.03.2016, beim Inkrafttreten der Ausbildungsduldungsregelung in § 60 a Abs. 2 Sätze 4ff. AufenthG am 06.08.2016, oder jedenfalls bei der ausdrücklichen Beantragung einer Ausbildungsduldung am 21.11.2016 konkret bevorstanden, kommt es deshalb nicht an.
e) Gemäß § 60 a Abs. 2 Satz 12 AufenthG bleibt § 60 a AufenthG im Übrigen unberührt. Es ist jedoch weder glaubhaft gemacht noch ersichtlich, dass der Antragsteller zu 1 eine Duldung aus sonstigen Gründen beanspruchen kann. Die Erteilung einer weiteren Duldung im Anschluss an die zuletzt bis 23.01.2017 befristete Duldung hinaus wurde vom Antragsgegner auch nicht gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG schriftlich zugesichert.
2. Der Antrag der Antragstellerin zu 2 auf Erteilung einer Ausbildungsduldung oder einer Duldung aus einem sonstigen Grund im Wege einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet. Auch die Antragstellerin zu 2 hat keinen Anordnungsanspruch geltend gemacht.
Zwar hat sie mit ihrer am 13.09.2016 begonnenen dreijährigen Teilzeitausbildung zur Pflegefachhelferin eine staatlich anerkannte qualifizierte Berufsausbildung aufgenommen Jedoch stehen auch, was die Antragstellerin zu 2 betrifft, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts aufenthaltsbeendende Maßnahmen konkret bevor. Sonstige Duldungsgründe hat die Antragstellerin zu 2 ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
3. Schließlich sind auch die Anträge der beiden Antragstellerinnen zu 3 und 4 zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerinnen zu 3 und 4 haben ebenfalls keinen Anordnungsanspruch geltend gemacht. Insbesondere können sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie müssten zusammen mit ihren ebenfalls geduldeten Eltern, den Antragstellern zu 1 und 2, geduldet werden.
4. Als unterliegender Teil tragen die Antragsteller gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO). Der Streitwert beträgt insgesamt 6.000 EUR. Der Streitwert für eine Duldung in Höhe von 2.500 EUR im Klageverfahren wurde für die vier Antragsteller im Verfahren gemäß § 123 VwGO jeweils auf 1.250 EUR halbiert (§ 53 Abs. 2 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffern 6.3, 1.5 und 1.1.3 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).