Aktenzeichen 10 CE 19.2055
Leitsatz
1. Das Darlegungserfordernis aus § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO lässt keine Wiederholung früheren Vorbringens ausreichen, sondern verlangt eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts (Anschluss an OVG Koblenz BeckRS 2016, 40399). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Will ein ohne das erforderliche Visum eingereister Asylbewerber nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel erlangen, hat er grundsätzlich ein Sichtvermerkverfahren im Heimatland durchzuführen und muss ggf. ebenso gewisse Verzögerungen bei der Einleitung und Durchführung des Visumverfahrens hinnehmen (st. Rspr. siehe VGH München BeckRS 2016, 52295). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf vorläufige Aussetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bzw. Untersagung seiner Abschiebung nach Nigeria weiter.
Der Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger, dessen Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde (s. BayVGH, B.v. 9.11.2018 – 10 ZB 18.32880).
Am 11. Juli 2019 erkannte der Antragsteller die Vaterschaft zu einem aus der Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin zu erwartenden Kind an.
Am 17. Oktober 2019 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, ihn vorläufig nicht abzuschieben. Mit Beschluss vom 18. Oktober 2019 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil die Abschiebung weder tatsächlich noch rechtlich in Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmöglich sei. Der Antragsteller sei weder mit seiner Lebensgefährtin verheiratet, noch liege eine gelebte familiäre Beziehung vor. Im Übrigen sei ihm, insbesondere weil das Kind, für das er die Vaterschaft anerkannt habe, noch nicht geboren sei, die Nachholung des Visumverfahrens zumutbar. Dringende humanitäre Gründe für einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung im Ermessenswege lägen ebenfalls nicht vor.
Der Antragsteller legte hiergegen Beschwerde ein und beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. Oktober 2019 den Antragsgegner zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers aufzuheben.
Zur Begründung nahm der Antragsteller Bezug auf das bisher Vorgetragene.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, die der Senat ausschließlich prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Der Antragsteller hat den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO). Die Abschiebung eines Ausländers ist nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass der Antragsteller keine besonderen Umstände seines Einzelfalls dargetan bzw. glaubhaft gemacht, aufgrund derer die Nachholung des Visumverfahrens für ihn derzeit unzumutbar sein sollte. Eine gelebte familiäre Beziehung liege nicht vor, weil die Geburt des Kindes erst für Ende Dezember 2019/Anfang Januar 2020 zu erwarten sei und der Antragsteller derzeit von seiner Lebensgefährtin getrennt lebe.
Zu diesen zentralen Begründungspunkten im Beschluss des Verwaltungsgerichts finden sich in der Beschwerde des Antragstellers keinerlei Darlegungen, vielmehr verweist er ausdrücklich lediglich auf seinen bisherigen Vortrag. Damit genügt der Antragsteller indes schon nicht dem Darlegungserfordernis aus § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO, das gerade nicht eine Wiederholung früheren Vorbringens ausreichen lässt, sondern eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts verlangt (vgl. OVG RhPf, B.v. 6.1.2016 – 8 B 11060/15.OVG – juris Rn. 7 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22 f.). Dessen ungeachtet ist das Vorliegen einer Sondersituation, wonach die beabsichtigte Abschiebung eines werdenden Vaters unzumutbar sein kann (vgl. OVG Saarl, B.v. 8.1.2019 – 2 B 342/18 – juris Rn. 7; OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.2.2019 – OVG 11 S 7.19 – juris Rn. 7 f.; OVG Sachsen, B.v. 7.5.2019 – 3 B 102/19 – juris Rn. 11 ff.), nicht glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass die (nachträgliche) Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug auch nicht als bloße Förmlichkeit anzusehen ist. Will ein ohne das erforderliche Visum eingereister Asylbewerber nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel erlangen, hat er daher grundsätzlich – nicht anders als jeder andere Ausländer – ein Sichtvermerkverfahren im Heimatland durchzuführen und muss ggf. ebenso gewisse Verzögerungen bei der Einleitung und Durchführung des Visumverfahrens hinnehmen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2016 – 10 C 16.818 – juris Rn. 11; B.v. 20.6.2017 – 10 C 17.744 – juris Rn. 11; B.v. 24.1.2019 – 10 CE 18.1871 u.a. – juris Rn. 27).
Dringende humanitäre oder persönliche Gründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG sind aus vorstehenden Erwägungen, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, ebenfalls nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).