Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Befreiung von einem Ersatzunterricht bei Nichtteilnahme am Schulgottesdienst

Aktenzeichen  M 3 E 18.2207

Datum:
10.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20426
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 30, Art. 47 Abs. 1, Art. 56 Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

Es besteht kein Anspruch für nicht am Schulgottesdienst teilnehmende Schüler, während der regelmäßigen Unterrichtszeit vom Besuch einer verbindlichen sonstigen Schulveranstaltung (in Gestalt des „Ersatzunterrichts mit dem Themenbereich Ethik”) befreit zu werden.  (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen begehren die Verpflichtung des Antragsgegners, die Eltern der Antragstellerinnen über die Zeiten der Schulgottesdienste jeweils mindestens drei Tage vorab zu informieren und während der Zeit der Schulgottesdienste nicht an einem Ersatzunterricht teilnehmen zu müssen.
Die Antragstellerinnen besuchen im Schuljahr 2017/2018 die 8. bzw. 10. Jahrgangsstufe des …Gymnasiums … (im Folgenden: die Schule).
Mit Schriftsatz ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 27. Oktober 2016, eingegangen am 28. Oktober 2016, erhoben sie Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, das Kruzifix im Eingangsbereich der Schule zu entfernen.
Mit Schriftsatz der damaligen Bevollmächtigten vom 15. März 2017 erweiterten sie diese Klage dahingehend, als sie beantragten, den Beklagten zu verpflichten, von der Durchsetzung des Alternativunterrichts gegenüber den Antragstellerinnen keinen Gebrauch zu machen. Über die Klage … wurde noch nicht entschieden.
An der Schule finden im Schuljahr drei Schulgottesdienste statt, zu Beginn und am Ende des Schuljahrs und in der Weihnachtszeit. Schüler, die am Schulgottesdienst nicht teilnehmen, besuchen während dieser Zeit einen Unterricht, in dem sie sich mit allgemeinen Themen, die aus dem Fach Ethik stammen, befassen.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 30. April 2018, eingegangen am 2. Mai 2018, beantragten die Antragstellerinnen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München im Wege der einstweiligen Anordnung,
1.den Antragsgegner zu verpflichten, die Eltern der Antragstellerinnen über die Zeiten der Schulgottesdienste jeweils mindestens drei Tage vorab zu informieren, sowie
2.den Antragsgegner zu verpflichten, von einem Ersatzunterricht Abstand zu nehmen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, niemand dürfe zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an religiösen Übungen gezwungen werden. Es dürfte unstrittig sein, dass Schulgottesdienste freiwillige Veranstaltungen seien. Es sei geradezu sinnwidrig, daraus eine Pflicht zur Teilnahme an einem Ersatzunterricht abzuleiten, zumal das „Original“ ja kein Unterricht sei, der zu ersetzen wäre.
Überdies könne sich eine Teilnahmepflicht immer nur auf den regulären, stundenplanmäßigen Unterricht beziehen, der an der Schule aber während der Gottesdienste nicht stattfinde.
Die Antragstellerinnen und deren Eltern hätten außerdem, wie bei allen anderen schulischen Veranstaltungen auch, Anspruch darauf, rechtzeitig vorab zu erfahren, wann ein Schulgottesdienst stattfinde, damit ggf. eine Beaufsichtigung der Antragstellerinnen durch die Eltern stattfinden könne.
Der Antragsgegner führt dazu aus, es werde niemand zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an religiösen Übungen gezwungen, da es ganz offensichtlich die Möglichkeit gebe, nicht am Gottesdienst, sondern am Ersatzunterricht teilzunehmen, der mit kirchlichen Handlungen und religiösen Übungen nicht das Geringste zu tun habe.
Sowohl die Schulgottesdienste wie auch der Ersatzunterricht fänden während der allgemeinen regulären, stundenplanmäßigen Unterrichtszeit statt. Beides laufe unter dem Begriff der sonstigen Schulveranstaltung. Die Kernunterrichtszeit liege an der Schule zwischen 8.00 Uhr und 13.05 Uhr, die Gottesdienste seien nicht außerhalb dieser Kernzeit angesetzt.
Die Termine der Schulgottesdienste seien seit Jahren auf dem Terminplan der Homepage der Schule für alle einsehbar und würden mit einem Vorlauf von meist deutlich mehr als drei Tagen eingestellt. Des Weiteren sei kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass Eltern das Recht hätten, mindestens drei Tage vorab über die Zeiten der Schulgottesdienste informiert zu werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, auch des Verfahrens …, sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag führt nicht zum Erfolg.
Hinsichtlich Ziffer 1. des Antrags dürfte der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig sein.
Der Termin des in diesem Schuljahr am 20. Juli 2018 stattfindenden Abschluss-Gottesdienstes ist bereits jetzt unter der Terminübersicht auf der Homepage der Schule öffentlich einsehbar (1. Std. Jgst. 5-7; 3. Std. Jgst. 8-12). Nachdem die Schule darauf hingewiesen hat, dass dies seit Jahren mit einem Vorlauf von meist deutlich mehr als drei Tagen in dieser Weise erfolgt, ein darüber hinaus gehender Anspruch, als Eltern persönlich informiert zu werden, nicht geltend gemacht wurde, besteht insoweit keine Notwendigkeit für vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz.
Darüber hinaus ist der Antrag sowohl in Ziffer 1. wie auch in Ziffer 2. unbegründet.
Ein Anspruch der Eltern von Schülerinnen und Schülern, über das an der Schule praktizierte Maß hinaus, das im Übrigen den von den Eltern gestellten Forderungen entspricht, über die Schulgottesdienste persönlich informiert zu werden, wurde nicht glaubhaft gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
Die Verpflichtung von Schülerinnen und Schülern, die nicht am Schulgottesdienst teilnehmen, einen Ersatzunterricht zu besuchen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG haben alle Schülerinnen und Schüler insbesondere die Pflicht, am Unterricht regelmäßig teilzunehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen zu besuchen.
Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, während der regelmäßigen Unterrichtszeit als verbindliche sonstige Schulveranstaltung dreimal pro Schuljahr einen Schulgottesdienst mit der Alternative eines Ersatzunterrichts aus dem Themenbereich Ethik anzusetzen. Insbesondere ist eine Verletzung der (negativen) Religionsfreiheit nicht erkennbar.
Grundsätzlich sind gemäß Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG die Schülerinnen und Schüler verpflichtet, am Unterricht während der regelmäßigen Unterrichtszeit teilzunehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen zu besuchen. Wenn den Schülern, die dies wollen, die Möglichkeit eröffnet wird, während dieser Unterrichtszeit an einem Schulgottesdienst teilzunehmen, ändert dies nichts daran, dass es sich bei dieser Zeit um Unterrichtszeit handelt.
Nachdem keinerlei Verpflichtung zur Teilnahme am Schulgottesdienst besteht, besteht im Gegenzug dazu allerdings auch keinerlei Anspruch für nicht am Schulgottesdienst teilnehmende Schüler, während der regelmäßigen Unterrichtszeit vom Besuch einer verbindlichen sonstigen Schulveranstaltung (in Gestalt des „Ersatzunterrichts mit dem Themenbereich Ethik) befreit zu werden. Nachdem gemäß Art. 47 Abs. 1 BayEUG Ethikunterricht für diejenigen Schülerinnen und Schüler Pflichtfach ist, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, liegt es nahe, als Alternative zu dem Schulgottesdienst eine solche schulische Veranstaltung aus dem Fach Ethik anzubieten.
Eine Schulveranstaltung der dargestellten Art entspricht auch den Vorgaben des Art. 30 BayEUG für sonstige schulische Veranstaltungen. Sie ist eine Veranstaltung einer Schule, die einen unmittelbaren Bezug zu den Aufgaben der Schule, nämlich Erziehung und Unterricht, aufweist. Sie kann den Unterricht sachlich ergänzen, erweitern, unterstützen oder verdeutlichen (Art. 30 Sätze 2 und 3 BayEUG).
Nachdem darüber hinaus gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 der Schulordnung für schulartübergreifende Regelungen an Schulen in Bayern vom 1. Juli 2016 (GVBl 2016, 164) (BaySchO) die Aufsichtspflicht der Schule sich auf die Zeit erstreckt, in der die Schülerinnen und Schüler am Unterricht oder an sonstigen Schulveranstaltungen teilnehmen, einschließlich einer angemessenen Zeit vor Beginn und nach Beendigung des Unterrichts oder der Schulveranstaltungen, stellt die Schulveranstaltung mit den alternativen Teilnahmemöglichkeiten auch eine sinnvolle Ausgestaltung der Aufsichtspflicht der Schule dar.
Aus den dargestellten Gründen war der Antrag deshalb abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

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