Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten zu auswärtigen Ärzten

Aktenzeichen  3 ZB 13.1321

Datum:
22.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 112337
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43, § 124 Abs. 2
BayBeamtVG Art. 45 Abs. 1 S. 1, Art. 50 Abs. 1 Nr. 1
BayHeilVfV § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 S. 1, § 12 S. 1 Nr. 1
BayRKG Art. 5, Art. 6

 

Leitsatz

1. Unterzieht sich der Beamte einer Behandlung außerhalb seines Wohnortes, obwohl sie in gleicher Weise auch dort hätte durchgeführt werden können, sind die angefallenen Fahrtkosten nur dann notwendig und erstattungsfähig, wenn infolge außergewöhnlicher Umstände zu einem auswärtigen Arzt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht und ohne dieses der Behandlungserfolg ernsthaft in Frage gestellt wäre (Bestätigung VGH München BeckRS 2010, 33650). (redaktioneller Leitsatz)
2. Solche außergewöhnlichen Umstände können bei einer langjährigen psychiatrischen Behandlung zu bejahen sein, wenn hierdurch ein besonderes Vertrauensverhältnis zum behandelnden Arzt entstanden ist, dem gegenüber der Beamte sich öffnen kann, und bei einem Wechsel zu einem ortsnäheren Psychiater der Erfolg der Behandlung ernsthaft in Frage gestellt wäre. (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch eine mehrjährige Erstattungspraxis des Dienstherrn von nicht notwendigen Fahrtkosten zu auswärtigen Fachärzten begründet keinen Vertrauensschutz in Bezug auf eine Fortsetzung dieser Praxis, da ein solcher Vertrauensschutz nur insoweit bestehen kann, als er nicht durch gesetzliche Bestimmungen ausgeschlossen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 1 K 13.400 2013-05-14 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt 6/7 und der Beklagte 1/7 der Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 6.066,50 € festgesetzt.

Gründe

I. Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel) und des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere rechtliche Schwierigkeiten) gestützte Antrag des Beklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, soweit der Beklagte darin verpflichtet wird, dem Kläger, der als Inspektor (BesGr A 9) bei der Polizeiinspektion V. im Dienst des Beklagten steht, die Fahrtkosten zwischen seinem Wohnsitz V. und der Praxis des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. in G. für die Behandlungstermine 14. Juli, 31. August, 8. September, 22. September, 14. Oktober, 21. Oktober, 10. November, 25. November und 22. Dezember 2011 in Höhe von insgesamt 819,- € zzgl. Zinsen ab Rechtshängigkeit zu erstatten, bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des 1961 geborenen Klägers, der aufgrund des von ihm am 29. August 1979 erlittenen, mit Bescheid der früheren Bezirksfinanzdirektion M. vom 13. August 1981 anerkannten Dienstunfalls, bei dem er im Rahmen einer Übung vom Strahl eines Wasserwerfers getroffen wurde, u. a. in psychiatrischer Behandlung steht, auf Erstattung der notwendigen und angemessenen Fahrtkosten zu Dr. R. gemäß § 12 Satz 1 Nr. 1 BayHeilVfV sowie Prozesszinsen hieraus (§ 291 BGB analog) bejaht.
Nach Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG vom 5. August 2010 (GVBl. S. 410), das mit Wirkung vom 1. Januar 2011 das BeamtVG i. d. F. der Bek. vom 31. August 2006 ersetzt hat (Art. 117 BayBeamtVG), wird einem Beamten, der durch einen Dienstunfall verletzt wird, Unfallfürsorge gewährt; insoweit steht für die am 31. Dezember 2010 vorhandenen Unfallfürsorgeberechtigten ein vor dem 1. Januar 2011 erlittener Dienstunfall gemäß § 31 BeamtVG einem Dienstunfall i. S. d. Art. 46 BayBeamtVG gleich (Art. 100 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG). Die Dienstunfallfürsorge umfasst nach Art. 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG u. a. das Heilverfahren. Dieses beinhaltet nach Art. 50 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG auch die notwendige ärztliche Behandlung. Das Nähere zu Umfang und Durchführung des Heilverfahrens regelt nach Art. 50 Abs. 4 BayBeamtVG die Verordnung über das Heilverfahren nach Dienstunfällen (Bayerische Heilverfahrensverordnung – BayHeilVfV) vom 10. Dezember 2010 (GVBl. S. 865), die ab 1. Januar 2011 an die Stelle der Verordnung zur Durchführung des § 33 des Beamtenversorgungsgesetzes (Heilverfahrensverordnung – HeilVfV) vom 25. April 1979 (BGBl. I S. 502) getreten ist (§ 14 BayHeilVfV).
Nach § 12 Satz 1 Nr. 1 BayHeilVfV werden Fahrtkosten außer in den in § 26 Satz 1 BayBhV genannten Fällen auch für Fahrten zu ambulanten Behandlungen erstattet; für die Erstattung finden Art. 5 und Art. 6 Abs. 6 BayRKG entsprechende Anwendung (§ 12 Satz 2 BayHeilVfV). Fahrtkosten werden erstattet, wenn sie aus Anlass der Heilbehandlung notwendig und angemessen waren. Dies folgt aus Art. 50 Abs. 1 BayBeamtVG sowie §§ 1, 4 Abs. 1 Satz 1 BayHeilVfV, wonach nur die notwendigen und angemessenen Kosten des Heilverfahrens erstattet werden. Die Einschränkung bezieht sich nicht nur auf die Notwendigkeit der Fahrt zum Behandler als solche und auf die Wahl des konkreten Beförderungsmittels, sondern auch auf die Behandlung außerhalb des Wohnorts. Fahrtkosten sind deshalb grundsätzlich nur in dem Umfang erstattungsfähig, der erforderlich ist, um den Beamten zum nächstgelegenen Ort zu bringen, an dem eine medizinisch ordnungsgemäße Behandlung möglich ist (BayVGH, B. v. 22.10.2010 – 3 ZB 10.1674 – juris Rn. 6). Unterzieht sich der Beamte einer Behandlung außerhalb seines Wohnortes, obwohl sie in gleicher Weise auch dort hätte durchgeführt werden können, sind die angefallenen Fahrtkosten daher i.d.R. nicht notwendig und auch nicht erstattungsfähig. Anderes kann jedoch dann gelten, wenn infolge außergewöhnlicher Umstände zu einem auswärtigen Arzt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht und ohne dieses der Behandlungserfolg ernsthaft in Frage gestellt wäre (BayVGH, B. v. 22.10.2010 a. a. O. Rn. 12).
Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass aufgrund der langjährigen psychiatrischen Behandlung des Klägers durch Dr. R. ein besonderes Vertrauensverhältnis zu diesem entstanden ist, dem gegenüber er sich öffnen kann, so dass bei einem Wechsel zu einem ortsnäheren Psychiater der Erfolg der Behandlung ernsthaft in Frage gestellt wäre. Hierbei hat es sich zu Recht auf das nervenärztliche Gutachten Dres. L. und E. vom 1. Dezember 2010 gestützt, wonach ein Wechsel des psychiatrischen Behandlers des Klägers zwar prinzipiell möglich, aufgrund des damit verbundenen Verlusts einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung hinsichtlich des zuletzt stabilen Verlaufs der Behandlung jedoch nicht ohne Risiko sei. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Soweit der Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht gehe von falschen Tatsachen aus, wenn es das Gutachten so auslege, dass durch einen Wechsel des Behandlers der Erfolg der Behandlung des Klägers ernstlich in Frage gestellt wäre, obwohl der Wechsel des Behandlers prinzipiell für möglich erachtet werde, greift er in der Sache die Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) an, ohne diesbezüglich ernstliche Zweifel aufzuzeigen. Der Beklagte legt nicht substantiiert dar, dass die tatsächlichen Feststellungen ersichtlich nicht zutreffen oder etwa wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind, sondern bewertet lediglich die betreffende Aussage des Gutachtens anders als das Verwaltungsgericht. Soweit der Beklagte anführt, das Verwaltungsgericht unterstelle nur, dass die Behandlung durch einen anderen Psychiater ein Risiko darstelle, trifft dies nicht zu, da das Gutachten dieses Risiko nicht ausschließen konnte. Mängel des Gutachtens legt er insoweit nicht dar. Soweit der Beklagte behauptet, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei ausweislich der von Dr. R. abgerechneten GOÄ-Ziffern gar keine Psychotherapie durchgeführt worden, ist dies nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen kann nach GOÄ-Nr. 806 auch eine Exploration und ein eingehendes therapeutisches Gespräch abgerechnet werden. Soweit der Beklagte die Notwendigkeit der psychiatrischen Behandlung an sich bestreiten sollte, hat er diese nicht substantiiert in Frage gestellt. Der Hinweis darauf, dass sich der Kläger auch im Fall des Todes oder der Aufgabe der Praxis von Dr. R. einen neuen Psychiater suchen müsse, liegt neben der Sache.
2. Aus den unter 1. dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache nicht die behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
II. Der Antrag des Klägers hat gleichfalls keinen Erfolg. Er hat die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Sein Vorbringen erschöpft sich vielmehr in der unstrukturierten Vermengung von Schilderungen des Sachverhalts aus seiner Sicht und Kritik an der angefochtenen Entscheidung, ohne sich substantiiert mit dieser auseinanderzusetzen. Im Übrigen liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.
1. An der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen auf der Grundlage des innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gemachten Vorbringens keine ernstlichen Zweifel i. S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen, den Beklagten zu verpflichten, die Fahrtkosten zwischen dem Wohnsitz des Klägers in V. und der HNO-Praxis Dres. H./H. in M., bei denen er wegen körperlicher Beschwerden infolge des Dienstunfalls vom 29. August 1979 in Behandlung steht, für die Behandlungstermine 24. März, 13. Mai und 30. Juni 2011 in Höhe von insgesamt 247,50 € zzgl. Zinsen ab Rechtshängigkeit zu erstatten (1.1), sowie festzustellen, dass der Beklagte auch in Zukunft über den 30. Juni 2011 hinaus verpflichtet ist, wie bisher Fahrtkosten des Klägers zu fachärztlichen und therapeutischen Behandlungen zu Ärzten seiner Wahl im Raum M. zu erstatten (1.2), zu Recht abgewiesen.
1.1 Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei einen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten zur HNO-Praxis Dres. H./H. in M. am 24. März, 13. Mai und 30. Juni 2011 in Höhe von insgesamt 247,50 € zzgl. Zinsen hieraus (§ 291 BGB analog) abgelehnt.
1.1.1 Ein solcher Anspruch folgt nach zutreffender Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht aus Art. 45, Art. 50 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BayBeamtVG i. V. m. § 12 BayHeilVfV, Art. 6 Abs. 6 BayRKG, weil es sich bei der HNO-Praxis in M. nicht um die dem Wohnsitz des Klägers nächstgelegene HNO-Praxis handelt und er sich auch nicht darauf berufen kann, dass infolge außergewöhnlicher Umstände ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den HNO-Ärzten besteht, ohne das der Behandlungserfolg ernsthaft in Frage gestellt wäre, so dass die dadurch entstandenen Fahrtkosten nicht notwendig und nicht zu erstatten sind. Hiergegen trägt der Kläger auch nichts vor.
1.1.2 Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus einem behaupteten Vergleich mit der früheren Bezirksfinanzdirektion R. Der Kläger hat mit dieser zwar ab Mitte 1999 Verhandlungen geführt, infolge derer sich der Beklagte mit Bescheid vom 29. November 2000 bereit erklärt hat, ihm die künftig anfallenden erforderlichen Fahrten zu Heilmaßnahmen im Rahmen der Dienstunfallfürsorge im medizinisch notwendigen und angemessenen Umfang zu erstatten, und der Kläger die Verfahren vor dem BayVGH (3 B 95.1261) und dem Landgericht P. (4 O 1208/97) für erledigt erklärt hat. Die Beteiligten haben jedoch – unabhängig davon, ob sie einen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag gemäß Art. 54 BayVwVfG geschlossen haben, ob man insoweit von einem koordinations- (Art. 54 Satz 1 BayVwVfG) oder subordinationsrechtlichen Vertrag (Art. 54 Satz 2, Art. 55 BayVwVfG) ausgeht und ob die Schriftform des Art. 57 BayVwVfG durch den Schriftwechsel gewahrt wurde oder der Vertrag nach Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i. V. m. § 125 BGB formnichtig ist – keinen Vergleich mit dem Inhalt geschlossen (Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i. V. m. §§ 145 ff. BGB analog), dass dem Kläger Fahrtkosten zu HNO-Ärzten in M. auch dann zu erstatten sind, wenn sie entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 HeilVfV nicht notwendig sind. Danach werden die Kosten für die Benutzung von Beförderungsmitteln (nur dann) erstattet, wenn die Benutzung aus Anlass der Heilbehandlung notwendig war. Diese Notwendigkeit (die auch nach § 33 BeamtVG bestehen muss) beinhaltet auch die Angemessenheit, die in § 1 Abs. 1 HeilVfV angesprochen ist (BayVGH, B. v. 22.10.2010 a. a. O. Rn. 6). Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beteiligten sich in der Besprechung am 19. August 1999 darauf geeinigt hätten, Fahrtkosten in Zukunft unabhängig von deren Notwendigkeit zu erstatten. Ein solcher Wille lässt sich auch dem Schreiben des früheren Bevollmächtigten, Rechtsanwalt R., an den Kläger vom 23. August 1999 nicht entnehmen, man habe sich dahingehend geeinigt, dass er auch in Zukunft das Recht haben werde, seine Fachärzte in M. auf Kosten der BFD zu konsultieren. Die Bezirksfinanzdirektion R. hat ausweislich der Schreiben vom 6. Juni, 24. Juli und 10. November 2000 dem Kläger lediglich zugesichert, dass dieser wie bisher auch in Zukunft die erforderlichen Fahrtkosten zu Fachärzten seiner Wahl nach M. erstattet bekommen wird. Ein Wille der Bezirksfinanzdirektion R., ihm auch nicht notwendige Fahrtkosten zu erstatten, kann auch nicht unterstellt werden, da diese damit gegen das Verbot des § 3 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG verstoßen hätte, wonach Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die eine höhere als die gesetzlich zustehende Versorgung, worunter auch Unfallfürsorgeansprüche fallen (§ 2 Nr. 4 BeamtVG), verschaffen sollen, unwirksam sind (BVerwG, U. v. 7.4.2005 – 2 C 5.04 – juris Rn. 35).
Hiergegen kann der Kläger auch nicht anführen, Geschäftsgrundlage des Vergleichs sei gewesen, dass er auch in Zukunft das Recht besitze, seine HNO-Fachärzte in M. zu konsultieren, ohne dass es auf die Notwendigkeit der Fahrtkosten i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 1 HeilVfV ankomme. Auch wenn der Kläger im Rahmen der Verhandlungen davon ausgegangen sein sollte, dass die Bezirksfinanzdirektion R. – wie schon in der Vergangenheit – die Fahrtkosten zu der HNO-Praxis nach M. ohne Prüfung, ob sie aus Anlass der Heilbehandlung notwendig i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 1 HeilVfV seien, erstatten werde, handelt es sich lediglich um einseitige Vorstellungen (Motive) des Klägers, die nicht von beiden Beteiligten zur Geschäftsgrundlage des Vergleichs gemacht wurden, sondern als reiner Motivirrtum unbeachtlich sind. Fehlvorstellungen über Begleitumstände der Streitbeilegung sind nur dann rechtserheblich, wenn sie zur gemeinsamen Vergleichsgrundlage erhoben worden sind. Bleibt der Irrtum hingegen als Motivirrtum im Vorfeld der nicht in die Regelung einbezogenen Umstände, ist er (wie auch sonst im Vertragsrecht) unerheblich (VGH BW, U. v. 29.6.2015 – 9 S 280/14 – juris Rn. 164). Der Hinweis auf die polizeiärztliche Stellungnahme von Dr. P. vom 13. Januar 2000, in der dieser ausgeführt hat, er trete den Vorstellungen des Klägers bei, was vom Beklagten zur Grundlage des Bescheids vom 29. November 2000 gemacht worden sei, liegt insoweit neben der Sache, da sich die diesbezügliche Aussage ersichtlich nur auf die Anfrage der Bezirksfinanzdirektion R. hinsichtlich der MdE des Klägers und nicht auf die Notwendigkeit der Fahrtkosten zu HNO-Ärzten nach M. bezog.
Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger eine Anpassung des Vergleichs gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG geltend gemacht hätte (BVerwG, B. v. 19.2.2003 – 9 B 85.02 – juris Rn. 3). Eine wesentliche Änderung der für die Festsetzung des Vergleichsinhalts maßgebenden Verhältnisse, die dazu führen würde, dass dem Kläger das Festhalten an der ursprünglichen Regelung nicht mehr zuzumuten wäre, hat er nicht dargelegt. Die dem Vergleich zugrunde liegende Rechtlage hat sich nicht geändert. Vielmehr beharrt der Kläger darauf, dem Vergleich nachträglich einen für ihn günstigeren, jedoch nicht vereinbarten (und zulässigen) Inhalt zu geben. Zudem steht einem Anpassungsanspruch entgegen, dass der Bescheid vom 29. November 2000, wonach ausdrücklich nur erforderliche Fahrten i. S. d. § 8 HeilVfV zu erstatten sind, bestandkräftig geworden ist, obwohl der Kläger mit einer hiergegen gerichteten Klage die Möglichkeit gehabt hätte, einen etwaigen Anpassungsanspruch gerichtlich überprüfen zu lassen (BVerwG, B. v. 19.2.2003 a. a. O. Rn. 5).
Auch der Hinweis darauf, dass eine Ablehnung der Erstattung der Fahrtkosten zu HNO-Ärzten in M. Treu und Glauben (§ 242 BGB analog) widersprechen würde, nachdem der Kläger die Gerichtsverfahren für erledigt erklärt habe, was er nicht rückgängig machen könne, führt nicht dazu, dass ihm – entgegen dem (damals wie heute) geltenden Recht (§ 8 Abs. 1 Satz 1 HeilVfV, § 3 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG bzw. § 12 Satz 1 Nr. 1 BayHeilVfV, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Bay BeamtVG) eine höhere als die gesetzlich zustehende Versorgung zuerkannt werden kann. Zwar kann die Berufung auf die Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags dem auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen und sich im Einzelfall hieraus auch ein Erfüllungsanspruch ergeben. Dies ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn das Ergebnis nach der Rechtsordnung andernfalls schlechthin unerträglich wäre, weil eine Rückabwicklung der erbrachten Leistung des Gläubigers unmöglich ist und dem Leistungspflichtigen Kenntnis der Nichtigkeit bzw. Arglist oder ein anderer besonders schwerer Verstoß gegen Treu und Glauben vorzuwerfen ist (OVG Hamburg, U. v. 19.3.2008 – 2 Bf 192/05 – juris Rn. 48). Das ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall, auch wenn der Kläger die von ihm für erledigt erklärten Verfahren nicht wiederaufnehmen kann, da der Beklagte sich bereits im Jahr 2000 auf die geltende Rechtslage berufen und diese nunmehr umgesetzt hat.
Diesbezüglich kann sich der Kläger auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da dieser nur insoweit bestehen kann, als er nicht durch gesetzliche Bestimmungen ausgeschlossen ist. Selbst wenn also der Beklagte dem Kläger insoweit zu Unrecht für die Vergangenheit Fahrtkosten zu dessen HNO-Ärzten in M. erstattet und nicht zurückgefordert haben sollte, konnte der Kläger angesichts der unzweifelhaften Rechtslage, auf die in den Schreiben vom 6. Juni, 24. Juli und 10. November 2000 und im Bescheid vom 29. November 2000 auch ausdrücklich Bezug genommen wird, nicht darauf vertrauen, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Wenn der Beklagte nunmehr endgültig entschieden hat, jedenfalls ab 2011 nur noch die notwendigen und angemessenen Fahrtkosten für die Behandlung bei HNO-Ärzten zu erstatten, ist dies nicht zu beanstanden. Denn das Vertrauen des Klägers auf die bisherige Praxis des Beklagten ist bereits seit 2009 erschüttert und damit nicht mehr schutzwürdig. Zudem ist der Beklagte an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden und hat bei jedem Antrag auf Fahrtkostenerstattung ohne Ermessensspielraum über die Notwendigkeit der Fahrkosten zu entscheiden. Frühere Entscheidungen sind insoweit ohne Bedeutung.
1.2 Das Verwaltungsgericht hat auch die Klage auf Feststellung gemäß § 43 VwGO, dass der Beklagte auch in Zukunft über den 30. Juni 2011 hinaus verpflichtet ist, wie bisher Fahrtkosten des Klägers zu Behandlungen zu Ärzten seiner Wahl im Raum M. zu erstatten, zutreffend mangels Rechtsschutzbedürfnis‘ als unzulässig abgewiesen, weil die Notwendigkeit und Angemessenheit der Fahrtkosten für eine Behandlung bei bestimmten Ärzten nicht vorab generalisierend und antizipierend festgestellt werden kann. Da die Notwendigkeit und Angemessenheit der Fahrtkosten zu Behandlungen durch Ärzte außerhalb des Wohnsitzes des Klägers nach §§ 1, 12 BayHeilVfV (ebenso wie nach §§ 1 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 HeilVfV) jeweils durch die zuständige Behörde zu prüfen ist (BayVGH, B. v. 22.10.2010 a. a. O. Rn. 4), kommt die generelle Feststellung, dass Fahrtkosten zu Behandlungen durch Ärzte seiner Wahl im Raum M., die der Kläger auch nicht auf bestimmte Ärzte wie Dr. R. oder die Dres. H./H. beschränkt hat, auch in Zukunft erstattungsfähig sind, deshalb nicht in Betracht. Dem Kläger ist vielmehr zuzumuten, für jeden Arzttermin – ebenso wie für die Behandlungskosten selbst – beim zuständigen Landesamt für Finanzen Antrag auf Erstattung der hierfür entstandenen Fahrtkosten zu stellen, und im Falle einer Ablehnung hiergegen ggf. mittels Widerspruch und/oder Verpflichtungsklage vorzugehen. Hiergegen trägt der Kläger nichts substantiiert vor.
2. Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in der Frage sieht, ob § 8 HeilVfV dem Dienstherrn ausnahmslos gebietet, in jedem Fall nur die unumgänglich notwendigen Fahrtkosten zu tragen, oder ob er stattdessen befugt ist, derartige Fahrtkosten bei einer im Wege eines Vergleichs zugesagten Kostenübernahme zu auswärtigen Fachärzten zu übernehmen, ist dies nach dem unter 1.1.2 Ausgeführten zu verneinen, da nach §§ 1 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 HeilVfV nur notwendige und angemessene Fahrtkosten zu erstatten sind. Dies ist nach der unter 1.1.2 zitierten Rechtsprechung des Senats (BayVGH, B. v. 22.10.2010 a. a. O. Rn. 6) geklärt.
3. Soweit der Kläger schließlich – sinngemäß – eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der von ihm zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2003 (9 B 85.02 – NVwZ-RR 2003, 470) i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) behauptet, hat er diesen Zulassungsgrund schon nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Im Übrigen weicht das erstinstanzliche Urteil nach dem unter 1.1.2 Ausgeführten nicht von der genannten Entscheidung ab.
III. Die Zulassungsanträge des Beklagten und des Klägers waren deshalb mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzulehnen, wobei die Kosten nach dem jeweiligen Obsiegen zu verteilen waren. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 und 3 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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