Aktenzeichen S 17 AS 83/16
BGB § 133, § 839 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3, Art. 34
ZPO § 257, § 258
Leitsatz
1 Wird im Klageverfahren aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs eine monatliche Zahlung für die Zukunft von einer Behörde begehrt, fehlt insoweit regelmäßig das erforderliche qualifizierten Rechtsschutzinteresses, da eine Besorgnis der Leistungsverweigerung grundsätzlich bei staatlichen Organen nicht anzunehmen ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Da ein Folgenbeseitigungsanspruch nicht im Voraus für die Zukunft entstehen kann, kann auf dieser Rechtsgrundlage nicht auf eine zukünftige Leistung geklagt werden. (Rn. 21 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klage ist unzulässig. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren noch keine Bescheide erlassen, auf die die Kläger einen Anspruch auf Folgenbeseitigung hätten stützen können.
1. Die Kammer durfte in der Besetzung entscheiden, in der sie letztlich entschieden hat. Das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 22.02.2016 wegen Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden der 17. Kammer nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) ist mit Beschluss vom 03.03.2016 (Az. S 1 SF 50/16 AB) zurückgewiesen worden.
2. Die Entscheidung konnte ohne die Kläger in der Hauptsache ergehen, weil die Kläger in der ordnungsgemäß zugestellten Ladung vom 02.09.2016 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind. Zwar hat das Gericht in der Ladung das persönliche Erscheinen der Kläger angeordnet, jedoch nur zum Zweck der Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten, um etwa eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits herbeizuführen. Die Anordnung ist in mündlicher Verhandlung durch Kammerbeschluss aufgehoben worden, nachdem die Kläger unentschuldigt nicht zum Termin erschienen sind. Aus der Anordnung des persönlichen Erscheinens ist im vorliegenden Fall nicht darauf zu schließen gewesen, dass ohne das Erscheinen der Kläger eine Sachentscheidung nicht ergehen durfte (vgl. dazu BSG, Beschl. vom 31.01.2008, B 2 U 311/07 B, juris, Rdrn. 4 f.).
3. Streitgegenstand ist ein Zahlungsanspruch der Kläger gegen den Beklagten in Höhe von monatlich 135,00 € ab Klageerhebung. Die Kläger haben diesen Zahlungsanspruch einerseits als „Folgenbeseitigungsanspruch“, andererseits als „Schadensersatzanspruch“ bezeichnet. Für einen grundsätzlich in § 44 SGB X verankerten Folgenbeseitigungsanspruch ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG der Sozialrechtsweg eröffnet, für einen Schadensersatzanspruch bestünde die Rechtswegzuständigkeit zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 GG. Eine Klärung in mündlicher Verhandlung, ob die Kläger das eine oder das andere begehren, war mangels Erscheinens der Kläger nicht möglich. Daher war das Gewollte durch Auslegung zu ermitteln.
Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Durch diese Vorschrift wird unter anderem der wesentliche Grundsatz auch des sozialgerichtlichen Verfahrens zum Ausdruck gebracht, dass das Gericht nur über die vom Kläger zur Entscheidung gestellten Anträge entscheiden darf. Diese Bindung des Gerichts bezieht sich auf den erhobenen Anspruch, nicht auf die Fassung der Anträge. Wenn die Klage keinen im Sinne des § 92 SGG bestimmten Antrag enthält, der eine zweifelsfreie Bestimmung des Gewollten ermöglicht, muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs. 1, § 112 Abs. 2 Satz 2 SGG). Erforderlichenfalls muss der Antrag entsprechend § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgelegt werden; hiernach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind das gesamte Vorbringen und alle bekannten Umstände zu berücksichtigen.
Vorliegend ergibt die Auslegung, dass die Kläger einen Betrag in Höhe von 135,00 € monatlich als Folgebeseitigungsanspruch für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens begehren. So haben sie ihr Begehr im Antrag explizit bezeichnet. Zudem wäre für die Verfolgung eines Amtshaftungsanspruchs eine Verweisung an die ordentlichen Gerichte mit daraus resultierender Gerichtskostenpflichtigkeit erforderlich, was einen wirtschaftlichen Nachteil für die Kläger darstellen würde. Das Auslegungsergebnis entspricht folglich auch dem Meistbegünstigungsgrundsatz.
4. Statthaft ist vorliegend die isolierte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, weil die Kläger die Verurteilung zu einer Leistung begehren, auf die sie einen Rechtsanspruch zu haben behaupten.
5. Die Klage ist unzulässig, weil sie nicht statthaft ist und ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorfristig erhobene Klage fehlt.
Zwar ist die Fälligkeit einer Leistung nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Leistungsklage, da auch gem. § 202 SGG i.V.m. § 259 Zivilprozessordnung (ZPO) auch auf künftige Leistungen geklagt werden darf. Nach § 259 ZPO kann auf künftige Leistung außer in den Fällen der §§ 257, 258 ZPO Klage erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Die Klage auf eine künftige Leistung setzt jedoch voraus, dass der Anspruch nicht erst künftig entstehen könnte, sondern seine Grundlage in einem Rechtsverhältnis findet, dessen rechtserzeugende Tatsachen schon eingetreten sind. Der Anspruch muss also dem Grunde nach bereits entstanden sein, wenn er auch von einer Gegenleistung abhängig oder bedingt sein darf (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, Rdnr. 1 zu § 259 m.w.N.).
Ein Fall der §§ 257 oder 258 ZPO liegt nicht vor. Rechtserzeugende Tatsachen für den von den Klägern geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch ab Klageerhebung sind nicht eingetreten. Voraussetzung für einen Folgenbeseitigungsanspruch ist grundsätzlich ein hoheitliches Handeln, das einen Eingriff in ein subjektives Recht darstellt. Hierdurch muss ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden sein, welcher zum Nachteil des Adressaten des hoheitlichen Handelns noch andauert. Denknotwendig können dieses Voraussetzungen erst mit der Vornahme neuer hoheitlichen Maßnahmen eintreten.
Auch ist ein Rechtsschutzbedürfnis für eine vorfristig erhobene Klage nicht erkennbar. Dieses ergibt sich in den Fällen des § 259 ZPO aus der Besorgnis der Leistungsverweigerung (Greger a.a.O, Rdnr. 3). Der Beklagte ist vorliegend eine Verwaltungsbehörde, für die der Vorrang des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) gilt. Im Falle einer berechtigten Forderung der Kläger gegen den Beklagten ist zu erwarten, dass diese erfüllt wird.
Die Klage war daher abzuweisen, wie geschehen.
5. Der Gegenstandswert beträgt 1.350,00 € (135,00 € monatlich multipliziert mit zehn Monaten).
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.