Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft – Glaubhaftmachung im Asylverfahren

Aktenzeichen  AN 4 K 16.30358

Datum:
21.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 25 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG GG Art. 16a
VwGO VwGO § 86 Abs. 1 S. 1 Hs. 2

 

Leitsatz

Der Asylsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, sodass ihm nicht zuzumuten ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren (ebenso BVerwG NJW 1978, 2463). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (1.), auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG (2.) und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG (3.) hat. Auch die in Ziffer 5) und 6) getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken (4.). Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 18. März 2016 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Die in Ziffer 2) des angefochtenen Bescheides erfolgte Ablehnung der Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16a GG durch Ziffer 2 des Bescheides vom 18. März 2016 ist nicht Gegenstand der vorliegenden Klage. Denn gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am
21. September 2016 gestellten Klageantrag ist dieser allein auf die Aufhebung der Ziffer 1 sowie der Ziffern 3 bis 6 des ablehnenden Bescheids vom 18. März 2016 und auf die – insoweit – positive Verbescheidung gerichtet.
Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
Vorab ist unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des rechtlichen Gehörs im Hinblick auf die Abwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des daraufhin ergangenen, aber von der Kammer abgelehnten Antrags seiner anwaltlichen Vertreterin auf Terminverlegung zu bemerken:
Da ein persönliches Erscheinen des Klägers nicht angeordnet war, konnte ohne ihn verhandelt werden, § 102 Abs. 2 VwGO, worauf in der – ordnungsgemäß an die Klägervertreterin zugestellten – Ladung hingewiesen wurde. Für die in der mündlichen Verhandlung erschiene Rechtsanwältin ist mit dem Klageschriftsatz vom 6. April 2016 eine Vollmacht vorgelegt worden (Bl. 8 der Gerichtsakte), so dass Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts – ausschließlich – an diese zu richten waren (§ 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO). Auf das am 16. August 2016 unterschriebene und mit einem Kanzleistempel versehene Empfangsbekenntnis über den Erhalt der Ladung wird in diesem Zusammenhang hingewiesen (Bl. 28 der Gerichtsakte).
Maßgebliche Verlegungsgründe sind in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen worden. Die Klägervertreterin erklärte lediglich, momentan keinen Kontakt zum Kläger zu haben und seine Anschrift nicht zu kennen. Außerdem äußerte sie die Ansicht, dass es dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, wenn ihn etwaige Schreiben nicht erreicht haben sollten. Es stellt jedoch die alleinige Obliegenheit des Klägers dar vorzusorgen, dass ihn behördliche und gerichtliche Mitteilungen im Zusammenhang mit seinem Asylverfahren erreichen können; hierzu hat er Anschriftenänderungen mitzuteilen, § 10 Abs. 1 AsylG. Ein Verlegungsgrund ergibt sich aus einer etwaigen Obliegenheitsverletzung gerade nicht. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung am 21. September 2016 trotz Ausbleibens des Klägers und die Ablehnung des gestellten Verlegungsantrages verletzen den Kläger daher nicht in seinem Recht auf Wahrung des rechtlichen Gehörs, zumal der Kläger im Termin anwaltlich vertreten war.
Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils im Übrigen vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird, auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung am 21. September 2016, noch ausgeführt:
1.
Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.
Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Der Kläger hat die angebliche Verfolgung aufgrund seiner früheren Tätigkeit für die Amerikaner und seiner Zugehörigkeit zur muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Bei der Glaubhaftmachung im Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen daher keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i. V. m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die insoweit erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 – I C 33.71 -, BVerwGE 55, 82-86).
Der Kläger knüpft seine Furcht vor Verfolgung an eine angebliche Bedrohung durch Telefonanrufe und per SMS, die er aufgrund seiner Tätigkeit für die Amerikaner in den Jahren 2008 bis 2011 als Klempner erhalten habe. Unbekannte hätten ihn angerufen und ihn mit dem Tod bedroht. Seine Handynummer habe er ungefähr zehnmal gewechselt, und er sei viermal umgezogen. Das Bundesamt hat diesen Vortrag nach Auffassung des Gerichts zu Recht als unglaubhaft bewertet. Denn zum einen bleiben schon die äußeren Umstände der Bedrohung vage und widersprüchlich. An die Anzahl der Anrufe insgesamt konnte der Kläger sich nicht erinnern. Kurz vor seiner Ausreise seien es aber nach seiner Darstellung acht Anrufe gewesen. Gegenüber dem Bundesamt hatte der Kläger noch angegeben, viermal aufgrund der Drohanrufe umgezogen zu sein. Durch seine Rechtsanwältin hatte der Kläger schließlich vortragen lassen, er habe fünfmal den Wohnort gewechselt.
Zum anderen stellt sich die Frage, woher die Anrufer die – mehrfach geänderten – Telefonnummern gehabt haben sollen. Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt erklärt, man habe ihn am Telefon zunächst nach seinem Namen gefragt und ihn anschließend mit dem Tode bedroht. Diese Vorgehensweise wirft jedoch die Frage auf, wie die Unbekannten auf die Nummer und vor allem auf die Person des Klägers gekommen sind, wenn sie noch nicht einmal dessen Namen gekannt haben sollen. Erst auf Nachfrage führte der Kläger aus, dass er durch die Anrufer auch aufgefordert worden sei, seine Arbeit aufzugeben. Als er dies zwar zugesagt, aber dennoch weitergearbeitet habe, sei auf sein Haus geschossen worden. Obwohl es sich dabei um ein für den Kläger sehr gravierendes Ereignis gehandelt haben müsste, erfolgte dieser Vortrag erst auf Nachfrage des Bundesamtes und wird eher untergeordnet behandelt. Der Kläger gibt zudem keine Erklärung dafür, weshalb er noch im Jahre 2015 den geschilderten Drohanrufen ausgesetzt gewesen sei, obwohl er für die Amerikaner nach eigenen Angaben nur bis zum Jahre 2011 gearbeitet hat.
Dass der Kläger im gesamten Gebiet des Irak in Anknüpfung an seine sunnitische Religionszugehörigkeit verfahrensrelevante Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten hätte, macht der Kläger nicht – hinreichend konkret und substantiiert – geltend.
2.
Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da der Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
3.
Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
4.
Die in Ziffer 5 des Bescheids vom 18. März 2016 angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

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