Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zulassung zum Integrationskurs mangels guter Bleibeperspektive bei ungeklärter Staatsangehörigkeit

Aktenzeichen  AN 6 K 16.01504

Datum:
16.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1, Abs. 4 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Gelingt es einem Asylbewerber nicht, erforderliche Dokumente zum Nachweis seiner Herkunft zu beschaffen und bleibt seine Staatsangehörigkeit daher ungeklärt, kann eine gute Bleibeperspektive als Voraussetzung für die Teilnahme an einem Integrationskurs auf der Grundlage seines Herkunftslandes nicht angenommen werden.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Nur Ausländer, die die Voraussetzungen eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts erfüllen und nicht (mehr) teilnahmeberechtigt an einem Integrationskurs sind, können im Wege des Ermessens zu einem solchen Kurs zugelassen werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Zulassung zum Integrationskurs mit Bescheid vom 23. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2016 rechtmäßig ist, sodass der Kläger hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Mangels hinreichend sicherer Bleibeperspektive kommt eine Zulassung des Klägers zum Integrationskurs zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht.
Die Rechtsgrundlage für Zulassungen zum Integrationskurs für Ausländer, die – wie der Kläger – keinen Teilnahmeanspruch nach § 44 Abs. 1 AufenthG geltend machen können, findet sich in § 44 Abs. 4 AufenthG. Dieser ist für das vorliegende Verpflichtungsbegehren in der derzeit geltenden Fassung vom 31. Juli 2016 (BGBl I S. 1939) anzuwenden. Demnach kann ein Ausländer, der einen Teilnahmeanspruch nicht oder nicht mehr besitzt, im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden (Satz 1). Diese Regelung findet entsprechend auf deutsche Staatsangehörige Anwendung, wenn sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und in besonderer Weise integrationsbedürftig sind, sowie auf Ausländer, die eine Aufenthaltsgestattung besitzen und bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist (Nr. 1), eine Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG (Nr. 2) oder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG besitzen (Nr. 3) (Satz 2). Bei einem Asylbewerber, der aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a des Asylgesetzes stammt, wird vermutet, dass ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt nicht zu erwarten ist (Satz 3).
1. Auf die speziellen Regelungen in § 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann sich der Kläger nicht stützen.
Da er nicht deutscher Staatsangehöriger ist und weder eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG besitzt (§ 44 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 Nr. 2 AufenthG) noch im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist (§ 44 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 Nr. 3 AufenthG), kann er im Rahmen von § 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) allenfalls nach der dortigen Nummer 1 der Alternative 2 zum Integrationskurs zugelassen werden, wenn er eine Aufenthaltsgestattung besitzt und ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist. Da die Beklagte – in von den gesetzlichen Vorgaben her nicht zu beanstandender Weise – für Staatsangehörige des Herkunftslandes Eritrea aufgrund der hohen Schutzquoten für Asylbewerber aus diesem Herkunftsland grundsätzlich eine gute Bleibeperspektive annimmt, käme beim Kläger bei einem Nachweis, dass er behauptungsgemäß eritreischer Staatsangehöriger ist, eine darauf gestützte Zulassung zu einem Integrationskurs grundsätzlich in Frage. Einen Nachweis seiner eritreischen Staatsangehörigkeit hat der Kläger jedoch bis zum für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht beibringen können. Weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren auf Zulassung zum Integrationskurs hat der Kläger Originaldokumente vorgelegt, welche seine eritreische Staatsangehörigkeit belegen. Die im Klageverfahren vorgelegte Ablichtung eines angeblichen Personaldokumentes, welche nach dem Vortrag des Klägers seinen Ausweis abbildet und ihm von seinem in Eritrea lebenden Bruder per E-Mail übersendet worden sein soll, kann ein amtliches Dokument zum Nachweis seiner Herkunft nicht ersetzen. Solange es dem Kläger nicht gelingt, erforderliche Dokumente zum Nachweis seiner Herkunft zu beschaffen und die Staatsangehörigkeit des Klägers daher ungeklärt ist, kann jedenfalls eine gute Bleibeperspektive des Klägers im Sinne des § 44 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 Nr. 1 AufenthG auf der Grundlage seines Herkunftslandes nicht angenommen werden; das Bundesamt trifft im Verfahren nach dieser Vorschrift auch keine Verpflichtung, bei bloßer Einreichung von Kopien von Ausweispapieren eine nähere Staatsangehörigkeitsprüfung vorzunehmen. Es kann dem Bundesamt nicht verwehrt werden, bei dieser Sachlage auf die Identitäts-/Staatsangehörigkeitsklärung im Rahmen des Asylverfahrens zu verweisen, und, solange diese zu keinem für den Antragsteller positiven Ergebnis geführt hat, die Zulassung zum Integrationskurs zu versagen (vgl. schon Beschluss der Kammer v. 19.9.2016 – AN 6 K 16.01070). Eine gleichheitswidrige Behandlung des Klägers liegt darin nicht, die Differenzierung danach, ob Originaldokumente die behauptete Staatsangehörigkeit nachweisen und – wenn nicht -, ob eine positive Entscheidung im Asylverfahren vorliegt, ist sachgerecht.
2. Da der Kläger hier bei der Beurteilung seines Zulassungsbegehrens zum Integrationskurs als Asylbewerber mit Aufenthaltsgestattung fallmäßig dem Spezialtatbestand des § 44 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 Nr. 1 AufenthG zuzuordnen ist, ist bereits sehr fraglich, ob nach der Gesetzessystematik für ihn ein alternativer Anspruch direkt aus § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG überhaupt in Betracht kommt.
Dies kann jedoch dahinstehen, denn jedenfalls stünde dem Kläger ein Anspruch auf Zulassung zum Integrationskurs im Ermessenswege auch unmittelbar aus § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht zu. Hiernach kann ein Ausländer, der einen Teilnahmeanspruch nicht oder nicht mehr besitzt, im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden. Im Hinblick auf die klare gesetzliche Intention kann § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG jedoch nur so verstanden werden, dass im Rahmen des behördlichen Ermessens lediglich Ausländer, die sich rechtmäßig hier aufhalten und über einen Aufenthaltstitel verfügen, der einen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland impliziert, zugelassen werden können. Dies ist bereits der Eingangsvorschrift des Kapitel 3 des Aufenthaltsgesetzes (Integration) zu entnehmen, wo in § 43 Abs. 1 AufenthG eindeutig ausgeführt ist, dass die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland gefördert wird. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG können damit nur Ausländer, die die Voraussetzungen eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthaltes erfüllen und die – aus welchen Gründen auch immer – nicht oder nicht mehr teilnahmeberechtigt an einem Integrationskurs im Sinne des § 44 Abs. 1 AufenthG (vgl. auch § 44 Abs. 2 und 3 AufenthG) sind, zu einem solchem Kurs zugelassen werden, sei es deshalb, weil – was die Kammer für vorzugswürdig erachtet – die aufenthaltsbezogene Voraussetzung bei der Zusammenschau von § 43 und § 44 AufenthG bereits ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal von § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darstellt (VG Ansbach, B.v. 13.9.2006 – AN 19 K 06.02014 – juris), oder deshalb, weil bei Fehlen dieser Voraussetzung sich das Ermessen auf Null in Richtung auf die Zulassungsversagung reduziert (vgl. BayVGH, U.v. 19.9.2007 – 19 BV 07.575 – juris). Angesichts der Darlegungen unter 1. ist hier aber ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt des Klägers im maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu erwarten, so dass die Möglichkeit einer Ermessensausübung zu seinen Gunsten nach § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG überhaupt nicht besteht.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe, die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind bei der im Fall des Klägers vorliegenden eindeutigen Konstellation nicht gegeben.

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