Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuweisung einer Sozialwohnung in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf

Aktenzeichen  M 12 E 16.674

Datum:
16.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWoBindG BayWoBindG Art. 5
VwGO VwGO § 123

 

Leitsatz

1 Ein Anordnungsanspruch auf Benennung einer Person für eine Sozialwohnung in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf im Sinne des Art. 5 BayWoBindG ist nur dann glaubhaft gemacht, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei ist und keine anderen Bewerber vorrangig berücksichtigt werden müssen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf ist nicht möglich, da die zuständige Behörde nach Art. 5 S. 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten nur ein Benennungsrecht hat. Die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages mit den Wohnungssuchenden bleibt den Verfügungsberechtigten vorbehalten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller bewohnt derzeit mit seiner Ehefrau, seinem am … 2008 geborenen Sohn und seinen beiden Töchtern, geb. am … 2010 und … 2015, eine öffentlich geförderte Dreizimmerwohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 77,66 qm in der … in München.
Auf seinen Antrag vom …. Januar 2015 hin hat die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Bescheid vom 29. April 2015 für eine öffentlich geförderte Wohnung vorgemerkt. Als angemessene Wohnungsgröße wurden vier Wohnräume mit einer Fläche ab 10 qm festgesetzt. Die Dringlichkeit des Antrags wurde mit 98 Punkten (75 Grundpunkte, 8 Vorrangpunkte, 15 Anwesenheitspunkte) in Rangstufe I festgesetzt. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Am 4. Februar 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift beim Sozialgericht München beantragt,
ihm einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm sofort eine Wohnung zu vermitteln.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller seit fünf Jahren einen Antrag auf eine andere Wohnung gestellt habe, die näher zum Krankenhaus und zum Kinderarzt gelegen sei. Seine Tochter sei behindert und benötige im Notfall die Nähe zu einem Arzt. Er habe seit fünf Jahren die Dringlichkeitsstufe I und trotzdem kein einziges Wohnungsangebot bekommen. Die Situation sei inzwischen unerträglich geworden, derzeit wohnten fünf Personen in einer Dreizimmerwohnung.
Mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 15. Februar 2016 wurde der Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht München verwiesen.
Mittlerweile hat der Antragsteller am …. Februar 2016 einen erneuten Antrag auf Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung gestellt. Mit Bescheid vom 18. Februar 2016 wurde der Haushalt des Antragstellers mit fünf Personen für eine Vierzimmerwohnung mit einer Dringlichkeit von 100 Punkten (75 Grundpunkte, 8 Vorrangpunkte, 17 Anwesenheitspunkte) vorgemerkt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 11. März 2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller weder die Bewertung der Dringlichkeit noch die festgesetzte Wohnungsgröße beanstandet habe. Der Antragsteller sei mit Bescheid vom 29. April 2015 für eine öffentlich geförderte Wohnung vorgemerkt und in die Vormerkdatei der Antragsgegnerin aufgenommen worden. Aufgrund des akuten Mangels an geförderten Wohnungen habe dem Antragsteller bisher kein Wohnungsangebot erteilt werden können. Mit der zuerkannten Dringlichkeit sei realistischerweise auch nicht mit kurzfristigen Wohnungsvorschlägen zu rechnen. Dies liege am Mangel an Wohnungen in der benötigten Größe und am eingeschränkten Wohnlagenwunsch des Antragstellers. Eine höhere Bewertung der Dringlichkeit sei derzeit nicht möglich. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Tochter könnten allenfalls zu einer Bewertung mit 71 Grundpunkten führen. Akute, lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Wohnverhältnisse bestünden nach Aktenlage nicht. Wegen Überbelegung seien aber bereits 75 Grundpunkte zuerkannt worden. Da der Antragsteller die Bewertung der Dringlichkeit auch nicht beanstandet habe, sei davon auszugehen, dass er die unmittelbare Zurverfügungstellung einer Sozialwohnung begehre. Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin sei jedoch nicht möglich. Gegenüber dem Verfügungsberechtigten würden seitens der Antragsgegnerin mindestens fünf berechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl benannt. Die Entscheidung über den Abschluss des Mietvertrages bleibe dem Verfügungsberechtigten vorbehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Das Gericht legt den Antrag des Antragstellers gemäß §§ 122, 88 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- dahingehend aus, dass die Antragsgegnerin im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet werden soll, dem Antragsteller Wohnungsvorschläge zu unterbreiten bzw. ihm eine öffentlich geförderte Wohnung zuzuweisen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg. Zum einen würde mit der begehrten Anordnung die Hauptsache vorweggenommen werden. Zum anderen besteht nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Anordnungsanspruch auf Unterbreitung von Wohnungsvorschlägen bzw. auf Zuweisung einer geförderten Wohnung.
Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf gemäß Art. 5 Bayer. Wohnungsbindungsgesetz (BayWoBindG). Die Antragsgegnerin hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH v. 23.9.1987, DWW 1988, 55). Ein solcher Vormerkbescheid ist hier mit Datum vom 29. April 2015 und zuletzt am 18. Februar 2016 ergangen.
Als Folge dieser Dringlichkeitseinstufung ist die Antragsgegnerin verpflichtet, Wohnungsangebote in der damit erstellten Reihenfolge der Dringlichkeit zu erteilen. Die Benennung hängt von der Zahl der tatsächlich freiwerdenden Wohnungen ab, die dem festgestellten Wohnbedarf entsprechen, von der Anzahl vorgemerkter Bewerber mit entsprechendem Wohnbedarf sowie der Dringlichkeit und Dauer der Bewerbung. Ein Anordnungsanspruch wäre nur dann glaubhaft gemacht, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei wäre und keine anderen Bewerber dem Antragsteller vorgingen. Hierfür fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Die Antragsgegnerin hat im Verfahren vielmehr dargelegt, dass der Antragsteller vorgemerkt und in die Vormerkdatei der Antragsgegnerin aufgenommen wurde. Der Antragsteller wird damit seiner Dringlichkeit entsprechend berücksichtigt. Die Verpflichtung der Behörde, den Antragsteller für eine Wohnung zu benennen, würde den anderen Wohnungssuchenden, deren Anliegen noch dringlicher einzuordnen ist, unter Umständen einen erheblichen Nachteil zufügen. Der Mangel an öffentlich geförderten Wohnungen und die Vielzahl vorgemerkter Bewerber ist gerichtsbekannt.
Soweit der Antrag dahingehend ausgelegt werden könnte, dass der Antragsteller die Zurverfügungstellung bzw. Zuweisung einer Sozialwohnung begehrt, ist er zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung. Nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsrecht ist die unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin nicht möglich. Da es sich bei dem Gebiet der Antragsgegnerin um ein Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf im Sinne von Art. 5 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen in Bayern handelt, hat die Antragsgegnerin in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Gemäß Art. 5 Satz 2 BayWoBindG hat die zuständige Stelle den Verfügungsberechtigten mindestens fünf wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. Die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages mit den Wohnungssuchenden bleibt jedoch den Verfügungsberechtigten vorbehalten. Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin ist nicht möglich (BayVGH v. 21.8.1990 – 7 CE 90.1139).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).

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