Aktenzeichen B 4 S 16.639
AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1, § 54 Abs. 2 Nr. 1a, § 60a Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Ein Recht auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass der Ausländer im Zeitpunkt der Antragstellung noch im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist. Auf eine Neuerteilung findet § 31 AufenthG aber keine Anwendung. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der am …1973 geborene Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am …2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein und betrieb erfolglos ein Asylverfahren, das am 10.09.2007 rechtskräftig abgeschlossen wurde. In der Folgezeit wurde er mangels Vorliegens eines Reisepasses und der Verweigerung der Erklärung über eine freiwillige Ausreise im Bundesgebiet geduldet.
Am …2008 heiratete der Antragsteller die deutsche Staatsangehörige B. K.. Daraufhin wurde ihm am 29.01.2009 eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug bis zum 29.04.2009 erteilt. Die letzte Verlängerung wurde ihm nach einer mehrmonatigen Trennung (vom 11.12.2010 bis 24.07.2011) und anschließenden Versöhnung der Eheleute bis zum 23.02.2013 gewährt.
Mit Schreiben vom 25.06.2012 teilte die Ehefrau des Antragstellers mit, dass sie sich am 15.04.2012 endgültig von ihm getrennt habe. Die Ehe wurde am …2013 geschieden.
Am 14.02.2013 beantragte der Antragsteller die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Mit Urteil des Amtsgerichts Bayreuth vom 17.04.2015 wurde der Antragsteller wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Am 04.08.2015 gab der Antragsteller als Aufenthaltszweck zunächst an, er wolle ein duales Studium in Düsseldorf betreiben und seinen Lebensunterhalt durch eine geringfügige Beschäftigung sowie Leistungen des Jobcenters bestreiten. Unter Umständen wolle er auch einen Aufenthaltstitel zum Zwecke der Beschäftigung.
Mit Schreiben vom 16.09.2015 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags vom 14.02.2013 an. Er wurde darauf hingewiesen, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllt seien. Ihm wurde eine Gelegenheit zur Äußerung bis 15.10.2015 eingeräumt.
Mit Bescheid vom 03.12.2015 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 1), forderte ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Bescheides, im Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung innerhalb von 30 Tagen nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit zu verlassen (Nr. 2) und drohte ihm im Falle der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in die Islamische Republik Iran oder einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Nr. 3). Für den Fall einer notwendig werdenden Abschiebung befristete die Antragsgegnerin die Wirkung der Abschiebung auf ein Jahr ab dem Tag des Verlassens des Bundesgebietes (Nr. 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG seien seit der Scheidung des Antragstellers nicht mehr erfüllt. Ebenso seien auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt, da sein Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Darüber hinaus liege ein Ausweisungsinteresse vor, da der Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei. Damit erfülle er den Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG in der ab dem 01.01.2016 gültigen Fassung. Sonstige Aufenthaltsrechte seien nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich. Insbesondere sei kein eigenständiges Aufenthaltsrecht gemäß § 31 AufenthG erworben worden, da die erforderlichen Bestandszeiten der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht ausreichten.
Den gegen den Bescheid erhobenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Gericht mit dem rechtskräftigen Beschluss vom 19.07.2016 abgelehnt (B 4 S 16.442). Auf die Gründe wird verwiesen.
Die am 16.06.2016 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Gerichtsbescheid vom 06.10.2016 (B 4 K 16.443) wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen, nachdem auch Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht glaubhaft gemacht waren. Der Gerichtsbescheid wurde, nachdem ein Empfangsbekenntnis durch den Prozessbevollmächtigten trotz mehrfacher Aufforderung nicht abgegeben wurde, am 25.10.2016 durch Postzustellungsurkunde erneut versandt. Die Zustellung erfolgte am 27.10.2016.
Bereits am 16.06.2016 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers bei der Antragsgegnerin erneut die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beantragt und zur Begründung vorgetragen, dem Antragsteller komme ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu. Er erfülle die speziellen und allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen.
Mit Schreiben vom 11.07.2016 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags an.
Mit Bescheid vom 28.07.2016 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab. Zur Begründung wird unter Hinweis auf den bestandskräftigen Bescheid vom 03.12.2015 und den Wegfall der Fortgeltungswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgeführt, dass nur eine Neuerteilung in Betracht komme, § 31 AufenthG aber nur bei einer Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis Anwendung finde. Daneben seien auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt, da ein Ausweisungsinteresse gegeben und die Visumpflicht nicht erfüllt sei. Einer erneuten Abschiebungsandrohung bedürfe es nicht. Der Antragsteller sei weiterhin vollziehbar ausreisepflichtig.
Die Zustellung des Bescheids erfolgte laut Postzustellungsurkunde am 09.09.2016.
Mit Schriftsatz vom 15.09.2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheids vom 28.07.2016 zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Außerdem hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen,
hilfsweise,
die Antragsgegnerin gemäß § 123 VwGO im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchzuführen.
Eine nähere Begründung des Antrags erfolgte trotz Ankündigung nicht.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 23.09.2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält allenfalls einen Antrag nach § 123 VwGO für statthaft. Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Es seien keine Gründe ersichtlich, wonach eine Ausreise des Antragstellers vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens unzumutbar wäre.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 15.09.2016 gegen die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung bzw. Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.07.2016 ist nicht statthaft.
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels keine aufschiebende Wirkung haben, greift nur dann, wenn der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend gilt.
Bei Stellung des Verlängerungsantrags am 16.06.2016 war der Antragsteller nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels, weil sein früherer Verlängerungsantrag vom 14.02.2013 bereits mit bestandskräftigem Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.12.2015 abgelehnt war (Beschluss des Gerichts vom 19.07.2016 – B 4 S 16.442; Gerichtsbescheid vom 06.10.2016 – B 4 K 16.443). Mangels Fortgeltungswirkung der am 23.02.2013 abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis greift die ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde vom 28.07.2016 nicht in eine dem Antragsteller durch den Verlängerungsantrag vermittelte Rechtsposition ein.
2. Statthaft ist bei der hier vorliegenden Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der hilfsweise gestellte Antrag nach § 123 VwGO, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchzuführen.
Zwar kann das Vorliegen eines Anordnungsgrundes bejaht werden, da die Antragsgegnerin eine Rückführung des Antragstellers in sein Heimatland in die Wege geleitet hat. Der Antrag ist aber unbegründet weil die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht vorliegen.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG glaubhaft gemacht.
Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Aus rechtlichen Gründen unmöglich ist die Abschiebung unter anderem dann, wenn dadurch die Verwirklichung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Dies ist beim Antragsteller nicht der Fall, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verlängerung/Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter keinem Gesichtspunkt erfüllt sind.
Als das vom Antragsteller geltend gemachte „eigenständige Aufenthaltsrecht“ kommt nur § 31 Abs. 1 AufenthG in Frage, wonach die Aufenthaltserlaubnis eines ausländischen Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft – die mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden haben muss – als eigenständiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert wird.
Ein Recht auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG scheidet hier schon deshalb aus, weil der Antragsteller aufgrund der Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis mit bestandskräftigem Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.12.2015 zum Zeitpunkt der Beantragung am 16.06.2016 nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und somit eine „Verlängerung“ begrifflich nicht möglich ist. Auf eine Neuerteilung findet § 31 AufenthG aber keine Anwendung.
Daneben fehlt es auch an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, da ein Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG (vorsätzliche Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit; Nr. 1a gültig seit 17.03.2016) besteht. Die Verurteilung des Antragstellers zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten war bereits ein Ablehnungsgrund im Bescheid vom 03.12.2016, damals noch gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Ferner dürfte auch der Lebensunterhalt des Antragstellers gegenwärtig nicht mehr gesichert sein (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Es wurden jedenfalls keine aktuellen Angaben zur Lebensunterhaltssicherung durch die Antragstellerseite gemacht.
Der Antrag nach § 123 VwGO war daher abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten trägt.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (jeweils halber Auffangwert für Haupt- und Hilfsantrag).