Verwaltungsrecht

Kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Beendigung der Ehe

Aktenzeichen  10 C 19.1351

Datum:
7.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19735
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 31 Abs. 4 S. 2
ARB 1/80 Art. 6
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Nach Ablauf des ersten Jahres nach dem Scheitern der Ehe des Ausländers steht eine befristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Ermessen der Behörde und unterliegt den allgemeinen Voraussetzungen, d. h. uneingeschränkt den Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 AufenthG. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 19.52 2019-06-27 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der der Kläger den in erster Instanz abgelehnten Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für seine Verpflichtungsklage auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis weiterverfolgt, bleibt ohne Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind nicht erfüllt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs, die regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme eintritt (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 3.1.2018 – 10 C 17.2195 – juris Rn. 3 m.w.N.), hier somit auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageerwiderung der Beklagten am 28. Januar 2019.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger voraussichtlich keinen Anspruch auf die begehrte Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis hat. Ein solcher Rechtsanspruch ergibt sich weder gemäß § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG noch besitzt der Kläger ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80.
Nach Ablauf des ersten Jahres nach dem Scheitern der Ehe des Klägers (im Mai 2007) steht eine befristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Ermessen der Behörde und unterliegt den allgemeinen Voraussetzungen, d. h. uneingeschränkt den Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 AufenthG; die Vergünstigung nach § 31 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gilt nur für das Jahr unmittelbar nach Ablauf der ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis (vgl. Tewocht in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.5.2019, AufenthG § 31 Rn. 29; Dienelt im Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, AufenthG § 31 Rn. 84). Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte ihr danach bestehendes Ermessen fehlerfrei betätigt, indem sie bei der gebotenen Abwägung dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung angesichts der wiederholten strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers zu Geld- bzw. kurzzeitigen Freiheitsstrafen und seines langjährigen Sozialleistungsbezugs den Vorrang gegenüber dessen Bleibeinteresse eingeräumt hat. Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe dabei verkannt, dass sein Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder XII infolge seiner schweren unfallbedingten Erkrankung von ihm nicht zu vertreten sei, von einem Missbrauch im Sinne von § 31 Abs. 2 Satz 4 AufenthG könne schon gar nicht die Rede sein, und dass es zu den strafrechtlichen Verurteilungen nur gekommen sei, weil die Strafverteidigung die (naheliegende) Frage der Schuldfähigkeit (des Klägers) nicht thematisiert habe, greift nicht durch. Denn das Verwaltungsgericht hat die schwere Verletzung des Klägers im Juli 1996 und seine damit im Zusammenhang stehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen gewürdigt aber gleichwohl festgestellt, dass der Kläger in den Jahren 2002 bis 2005 einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit als Produktionshelfer nachgehen konnte und aktuelle Bescheinigungen oder ärztliche Atteste über eine Erwerbsunfähigkeit nicht vorliegen. Soweit der Kläger mit seiner Beschwerde vorbringt, er sei gesundheitlich nicht in der Lage, dauerhaft am Arbeitsleben teilzunehmen, er beabsichtige, einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente zu stellen, und umfangreiche medizinische Ausführungen zu den bei ihm vorliegenden unfallbedingten Schädigungen macht, hat die Beklagte zu Recht eingewandt, diese Darlegungen seien rein spekulativ und entbehrten der erforderlichen ärztlichen Fachkompetenz. Immerhin sei der Kläger auch nach seinem Unfall einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und habe bislang auch Leistungen nach dem SGB II bezogen, was nach § 7 Abs. 1 SGB II die Erwerbsfähigkeit voraussetze. Auch das vom Kläger im Beschwerdeverfahren inzwischen vorgelegte ärztliche Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 11. Juli 2019, das den vom Kläger am 25. Juli 1996 erlittenen Unfall und die dabei erlittenen Verletzungen beschreibt und darüber hinaus ausführt, der Kläger „leidet aufgrund diesem Unfall immer noch an Folgeschäden. Um eine Verschlimmerung und weitere gesundheitliche Schäden zu vermeiden ist eine neurologische Beobachtung und Behandlung weiterhin zwingend notwendig.“, ist nicht geeignet, einen krankheitsbedingten nicht zu vertretenden Bezug von Sozialleistungen oder gar die angedeutete Schuldunfähigkeit auch nur ansatzweise zu belegen.
Dass der Kläger sich zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht (mehr) auf ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 berufen kann, hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt. Diesbezügliche Einwendungen hat der Kläger im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Weitere Gründe, aus denen sich die hinreichende Erfolgsaussicht seiner Klage ergeben könnte, hat der Kläger nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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