Verwaltungsrecht

Kein eigenständiges Aufenthaltsrecht wegen des Vorliegens eines Härtefalls

Aktenzeichen  M 9 K 15.5028

Datum:
13.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 115739
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Der Härtebegriff des § 31 Abs. 2 AufenthG umfasst nur ehebedingte Nachteile, also Beeinträchtigungen, die mit der Ehe oder ihrer Auflösung in Zusammenhang stehen (ebenso BVerwG BeckRS 2009, 38019). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Der Bescheid des Beklagten vom … Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Dies setzt indes gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG voraus, dass zwischen dem Kläger und seiner deutschen Ehefrau eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht. Allein das formale Band der Ehe reicht für sich genommen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu entfalten. Erst der bei beiden Eheleuten bestehende Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich herzustellen oder aufrechtzuerhalten, löst den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus. Die Beweislast für das Bestehen dieses Herstellungswillens als einer inneren Tatsache trägt der Ausländer (BVerwG, B.v. 22.5.2013 – 1 B 25/12 – juris).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2016 selbst eingeräumt, dass er seit dem November 2014 nicht mehr mit seiner deutschen Ehefrau zusammen lebt. Auch die als Zeugin einvernommene Ehefrau des Klägers hat erklärt, dass sie seit November 2014 nicht mehr mit ihrem Mann zusammengelebt habe und seit diesem Zeitpunkt auch nicht mehr bereit gewesen sei, eine eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen. Die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft hat sie auch für die Zukunft ausgeschlossen. Damit steht fest, dass die vorstehend genannte Voraussetzung für die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in Form einer tatsächlich im Bundesgebiet gelebten Lebensgemeinschaft seit November 2014 nicht mehr gegeben ist. Der einseitige Wille des Klägers, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen, reicht dafür nicht. Leben die Eheleute wie hier räumlich getrennt, bedürfte es erkennbarer Anhaltspunkte dafür, dass die von beiden so gewählte Ausgestaltung der Beziehung mit der für eine familiäre Lebensgemeinschaft notwendigen Voraussetzung eines intensiven persönlichen Kontakts und der zwischen Eheleuten bestehenden Verbundenheit vereinbar ist (BayVGH, U.v. 11.6.2013 – 10 B 12.1493 – juris Rn. 22). Dies ist hier nicht der Fall. Es handelt sich nach der überzeugenden Darstellung der Ehefrau des Klägers nicht um ein vorübergehendes Getrenntleben sondern eine dauerhafte Trennung.
2. Dem Kläger steht auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG zu.
Dies würde gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG voraussetzen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner deutschen Ehefrau seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger ist am 15. April 2012 erstmals in das Bundesgebiet eingereist. Nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2016 und der Vernehmung der Ehefrau als Zeugin steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die eheliche Lebensgemeinschaft der Partner schon im November 2014 endgültig beendet war. Es besteht keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die von beiden für diesen Zeitpunkt bestätigte Trennung nur vorübergehender Natur gewesen sein könnte. Nach der Aussage des Klägers ist es noch nicht einmal gelungen nach der Auflösung des gemeinsamen Wohnsitzes im November 2014 ein klärendes Gespräch über die Trennung zu führen. Nach der Erklärung der Ehefrau des Klägers vom 16. Juni 2015 (Bl. 336 der Behördenakte) war ihr im Juni 2015 noch nicht einmal der Aufenthaltsort des Klägers bekannt. Die eheliche Lebensgemeinschaft der Partner hat daher nur etwa zwei Jahre und sieben Monate im Bundesgebiet bestanden.
Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestands der ehelichen Lebensgemeinschaft kann nicht gemäß § 31 Abs. 2 AufenthG abgesehen werden.
Nach § 31 Abs. 2 AufenthG ist von der Voraussetzung eines dreijährigen rechtmäßigen Bestands der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Der Kläger hat allenfalls vorgetragen, dass ihm eine Rückkehr nach Tunesien nicht zumutbar wäre. Der Härtebegriff des § 31 Abs. 2 AufenthG umfasst indes nur ehebedingte Nachteile, also Beeinträchtigungen, die mit der Ehe oder ihrer Auflösung in Zusammenhang stehen (BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11/08 – juris). Nicht umfasst sind hingegen solche Nachteile, die gleichermaßen jeden Ausländer treffen, der in sein Heimatland zurückkehren muss. Insbesondere Nachteile, die sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Herkunftsstaats ergeben reichen nicht aus, um ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG zu begründen. Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben sind ehebedingte Nachteile im Fall des Klägers nicht erkennbar. Der Vortrag, dass er in Tunesien nicht mehr integrierbar sei, ist weder glaubhaft noch zielführend. Die Rückkehr des Klägers nach Tunesien ist ihm ohne weiteres zumutbar, da er nunmehr lediglich vier Jahre in Deutschland gelebt hat. Demgegenüber hat er sein gesamtes vorheriges Leben in Tunesien verbracht und ist dort weiter familiär verwurzelt. Er ist erst im Alter von 32 Jahren in das Bundesgebiet gekommen. Bei einem solchen Fall scheidet auch eine von dem Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung in Betracht gezogene Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK offensichtlich aus.
Die Abschiebungsandrohung unter Setzung einer Ausreisefrist beruht auf §§ 59, 58 AufenthG und ist nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat als unterlegene Partei gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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