Aktenzeichen Au 5 K 17.32151
Leitsatz
1 Die angespannte Sicherheitslage im Irak resultiert aus inneren Unruhen und Spannungen, die aber nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkriegs aufweisen, sodass kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Aussetzung der Abschiebung irakischer Staatsangehöriger in Bayern nach § 60a AufenthG steht einer verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG entgegen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage der Klägerin entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Bescheid des Bundesamtes vom 7. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist ihr weder der subsidiäre Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, noch liegen in ihrer Person nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen im Fall der Klägerin nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3 c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3 c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3 c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3 e Abs. 1 AsylG).
Bei der Beurteilung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936 ff.; VG München, U.v. 28.1.2015 – M 12 K 14.30579 – juris Rn. 23).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.
Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; Hess. VGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Begehren der Klägerin nicht zum Erfolg. Die Klägerin hat bereits nicht geltend gemacht, dass sie den Irak wegen eines asylrechtlich relevanten Merkmals im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG verlassen hat. Im Wesentlichen hat die Klägerin sowohl bei ihrer persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2017 auf ihre Tätigkeit bei den Peschmerga und ihre frühere Parteizugehörigkeit verwiesen. Im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten sei es wiederholt bereits ab Mai 2014 zu persönlichen Drohungen gegenüber der Klägerin gekommen. Dies zugrunde gelegt, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der gesamte Vortrag der Klägerin wirkt unglaubwürdig, in wesentlichen Teilen widersprüchlich und konstruiert. So ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin nach den gegen sie bereits im Mai 2014 ausgesprochenen Drohungen wegen ihrer militärischen Tätigkeit noch bis zu ihrer Ausreise im August 2015 diese Tätigkeit unverändert fortgesetzt haben will. Hinzu kommt, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eine eigene militärische Tätigkeit verneint hat. Nach Abbruch ihres Studiums sei sie zu Hause geblieben und habe mit ihrer Familie die Ausreise vorbereitet. Ebenso unschlüssig ist, aus welchen Gründen die Klägerin zwar Parteimitglied der PDK gewesen sein soll, sich verbal jedoch massiv gegen diese, ihre eigene Partei gewendet hat. Auch hat die Klägerin gegenüber dem Bundesamt erklärt, sie sei aus der Partei ausgeschlossen worden. In der mündlichen Verhandlung hat sie sich dahingehend eingelassen, dass ihr Vater einen Antrag auf Beendigung der Mitgliedschaft gestellt habe. Die Glaubwürdigkeit der Klägerin wird weiter durch die Schwierigkeiten bei der zeitlichen Einordnung der jeweiligen Ereignisse unterstrichen. Weiter wird die Glaubwürdigkeit der Klägerin dadurch erschüttert, dass sie auf Vorhalt des Bundesamtes, dass sie im vorgelegten Drohbrief nicht erwähnt werde, entgegnet hat, sie könne die arabische Sprache nicht lesen. Andererseits verfügt die Klägerin über ein Abitur und ein zumindest begonnenes Studium in der Petrochemie. Dass sie dieses erreicht haben will, ohne Arabisch lesen zu können, ist geradezu abwegig. In der Gesamtschau wirken die vorgetragenen Verfolgungshandlungen der Klägerin insgesamt konstruiert und in sich komplett widersprüchlich. Vor diesem Hintergrund scheidet eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für die Klägerin auf der Grundlage nach § 3 Abs. 1, 3 b AsylG aus.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3 c bis 3 e AsylG entsprechend.
Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt ist, wenn eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes droht.
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – BVerwGE 131, 198). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.).
Danach rechtfertigt die derzeitige Situation im Irak bzw. in, woher die Klägerin stammt, nicht die Annahme eines Bürgerkrieges im oben genannten Sinne und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Zwar ist die Sicherheitslage im Irak immer noch verheerend. Trotz der Verschlechterung der Sicherheitslage ab dem Jahr 2013 geht das Gericht aber davon aus, dass im Irak derzeit weder landesweit noch in der Herkunftsregion der Klägerin ein regionaler innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt festgestellt werden kann. Die angespannte Sicherheitslage resultiert vielmehr aus inneren Unruhen und Spannungen, die nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkrieges aufweisen.
Unabhängig davon begründet ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und kein interner Schutz besteht, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, § 3 e AsylG.
Eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben droht der Klägerin als Angehöriger der Zivilbevölkerung vorliegend aber nicht. Insoweit bleibt zu berücksichtigen, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die im Irak verbliebene Großfamilie (Onkel väterlicher- und mütterlicherseits, Großmutter) nach wie vor in der Provinz Kirkuk bzw. in der Provinzhauptstadt selbst leben.
Zwar kann sich auch eine allgemeine Gefahr willkürlicher Gewalt, die von einem bewaffneten Konflikt ausgeht, individuell verdichten und damit zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG führen. Für die Feststellung der Gefahrendichte können dabei die Kriterien, die im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung gelten, entsprechend herangezogen werden. Dabei ist davon auszugehen, dass ein innerstaatlicher Konflikt üblicherweise nicht eine solche Gefahrendichte hat, dass alle Bewohner des betroffenen Gebietes ernsthaft persönlich betroffen sein werden. Allgemeine Lebensgefahren, die lediglich Folge des bewaffneten Konfliktes sind, z.B. eine durch den Konflikt bedingte Verschlechterung der Versorgungslage, können nicht in die Bemessung der Gefahrendichte einbezogen werden.
Vorliegend kann, selbst wenn man im Irak einen innerstaatlichen oder internationalen Konflikt bejahte, nicht davon ausgegangen werden, dass der den bestehenden Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei ihrer Rückkehr in den Irak oder in die betroffene Region, vorliegend nach, woher die Klägerin stammt, allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die erforderliche Gefahrendichte im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist daher nicht gegeben.
3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben bzw. vorgetragen.
Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat die Klägerin nicht geltend gemacht bzw. sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Schwangerschaft der Klägerin führt ebenfalls nicht zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es handelt sich hierbei um ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das die Ausländerbehörde bei Vollstreckung der Abschiebung zu berücksichtigen hat, § 60 a Abs. 2 AufenthG. Dem Erlass einer Abschiebungsandrohung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten nicht entgegen, § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG (vgl. VG München, U.v.15.1.2015 – M 12 K 14.31140 – juris Rn. 45).
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden, wie sie die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, auch Gefahren durch die desolate Versorgungslage neben Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Gz. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekanntgegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehöriger grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiter in dem Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – NVwZ 2001, 1420). Demzufolge ist in Bayern die Abschiebung irakischer Staatsangehöriger weiterhin ausgesetzt. Damit liegt eine Erlasslage im Sinne des § 60 a AufenthG vor, welche dem betroffenen Ausländer derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, so dass der Klägerin nicht zusätzlich Schutz vor der Durchführung einer Abschiebung etwa in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren wäre (vgl. BVerwG, B.v. 1.9.2005 – 1 B 68/05 – juris; B.v. 22.3.2006 – 1 C 13.05 – www.bverwg.de). Sofern man davon ausgeht, dass für kurdische Volkszugehörige aus den Autonomiegebieten selbst eine Rückführung nach Erbil derzeit möglich ist, sind ebenfalls keine Gründe zu Gunsten der Klägerin erkennbar, diesem ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzuerkennen.
Sonstige Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b Abs. 1 AsylG.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO.