Aktenzeichen B 4 E 16.532
Leitsatz
Einem mit einem deutschen Ehegatten verheirateten kosovarischen Staatsangehörigen, der sich durch Untertauchen seiner Abschiebung entzogen hat, ist es auch unter Berücksichtigung der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Lebensplanung zumutbar, die Ehe im Kosovo zu schließen, von wo aus er ein Visumverfahren zum Ehegattennachzug betreiben kann. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung eine Aussetzung der Abschiebung im Hinblick auf eine beabsichtigte Eheschließung.
Der Antragsteller, ein kosovarischer Staatsangehöriger, reiste am 12.11.2014 ins Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (i. F. Bundesamt) vom 12.11.2015 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung in den Kosovo zur Ausreise binnen Wochenfrist aufgefordert. Gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Am 09.03.2016 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die asylrechtliche Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 12.11.2015 als offensichtlich unbegründet ab … Mit Bescheid vom 28.12.2015 wies die Regierung von Oberfranken dem Antragsteller die Ankunfts- und Rückführungseinrichtung (ARE) in Bamberg als Wohnsitz zu.
Eine für den 23.03.2016 geplante Abschiebung konnte wegen Unauffindbarkeit des Antragstellers nicht durchgeführt werden. Am 17.05.2016 teilte die deutsche Staatsangehörige D.S. mit, der Antragsteller wohne jetzt bei ihr in Stuttgart. Am 28.07.2016 verhinderte der Antragsteller die Durchführung der Luftabschiebung, indem er sich weigerte in ein Polizeifahrzeug einzusteigen, das ihn zum Flughafen bringen sollte.
Mit Telefax vom 28.07.2016, das gegen die „Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Regierung von Oberfranken – Zentrale Ausländerbehörde“ gerichtet ist, haben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt,
den Antragsgegner zu verurteilen, die Abschiebung des Antragstellers ab Zustellung dieses Beschlusses auszusetzen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller begehre die Aussetzung der Abschiebung wegen seiner unmittelbar bevorstehenden Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen. Zwar habe das Standesamt noch nicht mitgeteilt, dass die Eheschließung vorgenommen werden könne. Es fehle noch eine aktuelle Meldebescheinigung. Dafür sei aber nicht der Antragsteller verantwortlich, sondern der Antragsgegner. Denn bei einer Vorsprache der Verlobten des Antragstellers in Bamberg am 20.04.2016 habe sich die Zentrale Ausländerbehörde geweigert, eine aktuelle Meldebestätigung auszustellen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller habe keinen zu sichernden Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs, 1 Nr. 1 AufenthG. Auch Art. 6 Abs. 1 GG gebiete nicht, dass er in Deutschland heiraten könne und ihm dann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werde. Vielmehr sei es ihm zumutbar, im Kosovo die Ehe einzugehen und dann mit einem Visum zum Familiennachzug erneut ins Bundesgebiet einzureisen.
In einem Telefonat am 29.07.2016 teilte der Antragsgegner mit, die Abschiebung sei eventuell schon am 04.08.2016 möglich, jedenfalls aber für den 30.08.2016 fest eingeplant.
Mit Beschluss vom 29.07.2016 ordnete das Amtsgericht Ludwigsburg Abschiebehaft als Sicherungshaft bis längstens 30.08.2016 an …
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen verwiesen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass die Antragsteller das von ihnen behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
a) Richtiger Antragsgegner ist der Freistaat Bayern. Gegen diesen Antragsgegner sollte der Antrag nach verständiger Würdigung auch gerichtet sein. Zwar ist in der Antragsschrift vom 29.07.2016 die Bundesrepublik Deutschland als Antragsgegner genannt. Diese falsche Bezeichnung ist jedoch unschädlich, weil nach dem erkennbaren objektiven Sinn der Parteibezeichnung der Rechtsträger der dort ebenfalls genannten Regierung von O.- Zentrale Ausländerbehörde – Antragsgegner sein sollte (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 82 VwGO Rn. 3).
b) Der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller, dessen Ausreisefrist abgelaufen ist, hat keinen Anspruch auf eine Duldung glaubhaft gemacht. Deshalb liegt wegen der drohenden Abschiebung zwar ein Anordnungsgrund, aber kein Anordnungsanspruch vor.
Gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
aa) Die Abschiebung des Antragstellers ist nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Zwar besitzt er keinen gültigen Pass und sein Personalausweis ist ebenfalls abgelaufen, er kann aber mit einem Laissez-Passer abgeschoben werden.
bb) Die Abschiebung ist auch nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich.
(1) Rechtlich unmöglich kann eine Abschiebung sein, wenn es durch die Abschiebung unmöglich gemacht oder jedenfalls in unzumutbarer Weise erschwert wird, eine ausländerrechtliche Rechtsposition im Bundesgebiet zu verfolgen (BayVGH, B. v. 25.01.2010 -10 CE 09.2762 – juris Rn. 10). Aufgrund der beabsichtigten Eheschließung ist davon auszugehen, dass der Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG anstrebt.
Der Erteilung jedweder Aufenthaltserlaubnis steht hier jedoch die sich aus § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 i. V. m. Abs. 1 AufenthG ergebende Titelerteilungssperre entgegen, die selbst für den Fall eines gesetzlichen Anspruchs auf einen Aufenthaltstitel gilt.
Gemäß § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt gegen einen Ausländer, dessen Asylantrag nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, bei dem das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen, das gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam wird. Von dieser Möglichkeit hat das Bundesamt in seinem Bescheid vom 12.11.2015 Gebrauch gemacht mit der Folge, dass mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils des VG R… vom 09.03.2016 der Antragsteller gemäß § 11 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 AufenthG einem Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegt, welches die Erteilung eines Aufenthaltstitels selbst im Falle eines Anspruchs verbietet. Es kann deshalb dahinstehen, inwieweit im vorliegenden Fall überhaupt die speziellen (Spracherfordernis, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) oder allgemeinen (Lebensunterhalt, Pass, Visum, § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG) Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug vorliegen.
(2) Darüber hinaus ist die Abschiebung auch nicht deshalb rechtlich unmöglich, weil es dem Antragsteller im Hinblick auf die von Art. 6 Abs. 1 GG umfassten „Vorwirkungen“ einer Ehe ermöglicht werden müsste, im Bundesgebiet die Ehe zu schließen.
Unabhängig davon, ob die Eheschließung im Bundesgebiet hier unmittelbar bevorsteht, was wegen des fehlenden Wohnsitznachweises für den Antragsteller fraglich ist (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 PStG), hat er keinen daraus herzuleitenden Anspruch auf eine Aussetzung der Abschiebung. Es ist nicht erkennbar, dass seine Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen zwingend im Bundesgebiet erfolgen muss. Sie kann ohne weiteres auch im Kosovo stattfinden. Unzumutbare rechtliche oder tatsächliche Hindernisse sind in dieser Hinsicht weder ersichtlich noch vorgetragen. Vielmehr erscheint es auch unter Berücksichtigung der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Lebensplanung der angehenden Eheleute nicht unverhältnismäßig, den Antragsteller und seine Verlobte auf die Eheschließung im Kosovo zu verweisen, von wo aus er ein Visumverfahren zum Ehegattennachzug betreiben kann. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Antragsteller seit dem 13.01.2016 vollziehbar ausreisepflichtig ist und eine für den 23.03.2015 geplante Abschiebung am Untertauchen des Antragstellers sowie eine am 28.07.2015 geplante Abschiebung an seiner Verweigerungshaltung gescheitert sind. Der Antragsteller und seine künftige Ehefrau konnten folglich nicht schutzwürdig darauf vertrauen, die Ehe im Bundesgebiet schließen zu können (BayVGH, B. v. 13.06.2016 – 19 CE 16.1132, Rn.13 unveröff.).
2. Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr.1 und § 52 Abs. 1 GKG. Dabei war der halbe Auffangstreitwert, der In einem auf einen Duldung gerichteten Klageverfahren anzusetzen ist, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wiederum zu halbieren.