Aktenzeichen 9 ZB 17.1751
BauVorlV § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 3 Nr. 1
VwGO § 86 Abs. 3
Leitsatz
1. Die Verpflichtung der Gemeinde aus Art. 58 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 BayBO, der Unteren Bauaufsichtsbehörde ohne weitere Prüfung unverzüglich eine Fertigung der Unterlagen vorzulegen, dient dazu, die Bauaufsichtsbehörde von dem Bauvorhaben in Kenntnis zu setzen, um ihr ein etwa erforderliches Einschreiten zu ermöglichen, dass gerade im Hinblick auf die Effektivität der Bauaufsicht bereits vor Baubeginn einsetzen muss. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Bauherr hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Gemeinde von ihrer Erklärungsmöglichkeit, das Baugenehmigungsverfahren solle durchgeführt werden, keinen Gebrauch macht (Art. 58 Abs. 4 S. 2 BayBO). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die in § 86 Abs. 3 VwGO normierte Pflicht des Vorsitzenden, auf die Stellung sachdienlicher Anträge der Beteiligten hinzuwirken, beinhaltet keine Beratungs-, sondern eine Formulierungshilfe. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 9 K 17.70 2017-07-27 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger möchte sein Bauvorhaben ohne Baugenehmigung im Verfahren der Genehmigungsfreistellung ausführen. Zu seinem dahingehenden Bauantrag hat die beklagte Gemeinde erklärt, dass für das Bauvorhaben ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll. Gegen diese Erklärung wendet sich der Kläger. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Juli 2017 abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, beurteilt sich im Wesentlichen anhand dessen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
a) Nach dem Zulassungsvorbringen des Klägers würden keine Zweifel an der Vereinbarkeit seines Bauvorhabens mit den Vorgaben des Bebauungsplans bestehen. Dem Kläger habe demnach die Zustimmung der Beklagten zum Baubeginn im Genehmigungsfreistellungsverfahren erteilt werden müssen.
Dieses Vorbringen setzt sich nicht substantiiert mit der vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründung im angefochtenen Urteil auseinander. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die vom Kläger vorgelegten Bauzeichnungen nicht vollständig bemaßt seien, weil sich bei zwei Dachüberständen und einer Traufhöhe lediglich die Bezeichnung „laut Bebauungsplan“ befände. Es sei deshalb nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte die bauaufsichtliche Überprüfung des Bauvorhabens hinsichtlich der Übereinstimmung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans für erforderlich gehalten habe.
Soweit der Kläger einwendet, die Maße des Dachüberhanges würden sich erst bei der Ausführung selbst ergeben, eine Bemaßung der entsprechenden Punkte sei vor Bauausführung weder möglich noch nötig, kann dem nicht gefolgt werden. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Bauvorlagenverordnung (BauVorlV), die auch im Verfahren der Genehmigungsfreistellung Anwendung findet (§ 58 Abs. 5 Satz 2, Art. 64 Abs. 2 Satz 1, Art. 80 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayBO, § 1 Abs. 1 BauVorlV), sind in den Bauzeichnungen die Baumaße anzugeben. Die Angabe „Dachüberstand lt. Bebauungsplan“ genügt dem ebenso wenig wie die Angabe „Traufhöhe lt. Bebauungsplan“. Aus der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 15. Mai 2014 (Az. M 11 K 13.3526), die eine Nachbarklage zum Gegenstand hatte und sich u.a. mit der unwirksamen Maßfestsetzung eines Bebauungsplans befasst, ergibt sich nichts anderes. Das nicht weiter substantiierte Vorbringen, fehlende Bezugspunkte für die Höhenangabe im Bebauungsplan hinderten genaue Maßangaben, führt zu keiner anderen Bewertung, weil jedenfalls die Bemaßung des Dachüberstands keine Höhenangaben erfordert.
b) Das weitere Vorbringen, die Beklagte habe die Unterlagen nach Art. 58 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BayBO unverzüglich an die Bauaufsichtsbehörde weiterleiten müssen, was unabhängig davon gelte, ob das Bauvorhaben genehmigungsfrei an den Bauantragsteller zurück gegeben oder im Baugenehmigungsverfahren weiterbehandelt werde, lässt nicht erkennen, weshalb aus der angeblich fehlerhaften Verfahrensbehandlung durch die Beklagte eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten folgen soll.
Das ist auch nicht der Fall. Die Verpflichtung der Gemeinde aus Art. 58 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BayBO, der unteren Bauaufsichtsbehörde ohne weitere Prüfung unverzüglich eine Fertigung der Unterlagen vorzulegen, dient – wie die Vorgängerregelung in § 3 Satz 3 Halbs. 1 BauvorV 1997 – lediglich dazu, die Bauaufsichtsbehörde von dem Bauvorhaben in Kenntnis zu setzen, um ihr ein etwa erforderliches Einschreiten zu ermöglichen, das gerade im Hinblick auf die Effektivität der Bauaufsicht bereits vor Baubeginn einsetzen muss (vgl. Robl in BeckOK, BauordnungsR Bayern, BayBO Art. 58 Rn. 16, 18; vgl. auch LT-Drs. 15/7161 v. 15.1.2007 S. 64).
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Rücksendung der Bauvorlagen an den Kläger rechtmäßig nach Art. 58 Abs. 4 Satz 3 BayBO erfolgt sei, weil der Kläger gerade nicht wollte, dass sein Antrag als Bauantrag auf Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens behandelt werde.
2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Der im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich nicht vertretene Kläger sieht einen Verfahrensverstoß des Verwaltungsgerichts darin, dass der Vorsitzende im erstinstanzlichen Verfahren nicht gemäß § 86 Abs. 3 VwGO auf eine sachdienliche Antragstellung hingewirkt habe. Als rechtlicher Laie sei dem Kläger die Subsidiarität der von ihm erhobenen Feststellungsklage unbekannt gewesen; selbiges gelte hinsichtlich der in personeller Hinsicht bedingten Hilfsklage. Wäre der Kläger auf seine unzulässigen Anträge hingewiesen worden, hätte er die Anträge entsprechend angepasst. Damit ist ein Verfahrensmangel nicht dargetan.
Aus der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren vom 26. Juli 2017 ergibt sich, dass der Einzelrichter das Klageziel des Klägers durch mehrmaliges Nachfragen erforscht hat. Zunächst wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass kein Rechtsanspruch darauf bestehe, dass die Gemeinde von ihrer Erklärungsmöglichkeit, das Baugenehmigungsverfahren solle durchgeführt werden, keinen Gebrauch mache (vgl. Art. 58 Abs. 4 Satz 2 BayBO). Insoweit wurde der Kläger bereits mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 19. Januar 2017 darauf hingewiesen, dass sich seine Klage gegen die Gemeinde aller Voraussicht nach gegen die falsche Beklagte richte. Gleichwohl erklärte der Kläger, die Klage solle sich gegen die Gemeinde richten und nicht gegen den Freistaat Bayern. Weiterhin wurde dem Kläger erläutert, dass er mehrfach auf die fehlende Bemaßung in den Bauvorlagen hingewiesen worden sei. Daraufhin erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung, er begehre die Feststellung, dass die beklagte Gemeinde rechtswidrig gehandelt habe und stellte einen dahingehenden Klageantrag. Hiervon ausgehend kann nicht die Rede davon sein, dass der Einzelrichter seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen wäre. Die Hinweispflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO darf nicht mit einer Rechtsberatung verwechselt werden, die dem Gericht aufgrund seiner Neutralitätspflicht verboten ist. Die in § 86 Abs. 3 VwGO normierte Pflicht des Vorsitzenden, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, beinhaltet keine Beratungs-, sondern Formulierungshilfe (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2007 – 4 B 25.07 – juris Rn. 7). Dem ist das Verwaltungsgericht nachgekommen.
Auch dem Zulassungsvorbringen lässt sich nicht entnehmen, zu welchem Antrag dem Kläger stattdessen hätte geraten werden müssen, um seiner verwaltungsgerichtlichen Klage gegen die Gemeinde eher zum Erfolg zu verhelfen. Dass sein Rechtsschutzziel auch noch im Zulassungsantrag dahingehend umschrieben wird, dem Kläger wäre folgerichtig die Zustimmung zum Baubeginn im Genehmigungsfreistellungsverfahren zu erteilen gewesen, zeigt vielmehr, dass die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der gemeindlichen Erklärung, das Baugenehmigungsverfahren solle durchgeführt werden, gerichtet ist.
Soweit der Kläger das Fehlen eines richterlichen Hinweises hinsichtlich seiner „in personeller Hinsicht bedingten Hilfsklage“ geltend macht, hat der Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass eine hilfsweise Klageerhebung gegen den Freistaat Bayern unzulässig sei (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Was an diesem Hinweis unrichtig sein soll oder welcher Hinweis (nicht: Rechtsberatung) dem Kläger stattdessen gegeben hätte werden müssen, wird nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).