Aktenzeichen AN 14 S 16.50339
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 17
Leitsatz
1 Einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen eine Abschiebungsanordnung des Bundesamtes fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse, wenn der Asylbewerber sich im Kirchenasyl der staatlichen Gewalt entzieht. (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Kirchenasyls ist einem „Untertauchen“ in aufenthaltsmäßiger Hinsicht gleichzusetzen, weil sich der Asylbewerber der staatlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht unterordnet, sondern bewusst und gerade solange entzieht, bis die Überstellungsfrist nach der Dublin III-VO abgelaufen ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Oktober 2016, der sich auf die Verordnung Nr. 604/213 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) stützt.
Seinen eigenen Angaben folgend ist der Antragsteller irakischer Staatsangehöriger, dem Volk der Araber zugehörig und sunnitischen Glaubens. Er gab an, über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich am 19. Dezember 2015 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein und hier am 20. Mai 2016 Asylantrag gestellt zu haben. Nach den Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit von Finnland vor. Am 23. Mai 2016 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Übernahmeersuchen gemäß der vorgenannten Dublin III-VO an Finnland. Die finnischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 23. Mai 2016 ihre Zustimmung für die Wiederaufnahme gem. Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO.
Daraufhin lehnte das Bundesamt mit dem obengenannten Bescheid vom 5. Oktober 2016 den Antrag des Antragstellers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen, ordnete die Abschiebung nach Finnland an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2016 erhob der Antragsteller hiergegen Klage und beantragte zugleich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (gemeint ist wohl: Abschiebungsanordnung) des Bundesamtes vom 7. Oktober 2016 anzuordnen.
Zur Begründung ließ er mit weiterem Schreiben vom 21. Oktober 2016 vortragen, er widersetze sich einer Überführung nach Finnland. Aus seiner Sicht sei nicht erkennbar, inwiefern Finnland für die Durchführung seines Asylbegehrens zuständig sein könnte. Er habe in Finnland keinen Asylantrag gestellt. Er sei gerade erst 18 Jahre alt geworden. Eine Überführung nach Finnland wäre eine unzumutbare Härte. Im Übrigen machte er Angaben zu seinen Asylgründen.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 ließ er nunmehr vortragen, aufgrund unglücklicher Umstände sei er auf der Flucht von seiner Familie getrennt worden und mit anderen Landsleuten dann nach Finnland gelangt. Von dort aus habe er sich nach Deutschland begeben, weil er in Finnland kein faires Verfahren zu erwarten habe.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beantragte mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Mit weiterem Schreiben vom 22. November 2016 unterrichtete das Bundesamt das Verwaltungsgericht Ansbach, dass sich der Antragsteller im sogenannten Kirchenasyl befinde. Dazu vorgelegt wurde ein Schreiben der Katholischen Kirchenstiftung, … wonach die dortige Verwaltungsleiterin dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitteilt, dass sich der Antragsteller „seit heute, Donnerstag, 17. November 2016, im Kirchenasyl in … befinde. Er halte sich in den Räumen der Pfarrei …, auf.“
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag wird abgelehnt, weil er nach Eintritt des Antragstellers in das von der Verwaltungsleiterin der Katholischen Kirchenstiftung, … mitgeteilte „Kirchenasyl“ unzulässig geworden ist.
Der Antragsteller hat für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Er entzieht sich durch Eintritt in das sogenannte Kirchenasyl vorgefasster Absicht der staatlichen Gewalt, die die staatliche Rechtsordnung gewährleistet, und zwar zu einem Zeitpunkt, als eine gerichtliche Entscheidung über die von ihm aufgeworfenen Fragen der Zumutbarkeit einer etwaigen Überstellung nach Finnland noch gar nicht gefallen ist. Er stellt darauf ab, dass sich die bayerischen Ausländerbehörden ohnehin nach bekannter, bereits jahrelanger Praxis durchgängig in diesen Fällen scheuen, auch gegen vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer vorzugehen. Aus Sicht des Gerichts ist das Aufsuchen eines solchen Kirchenasyls einem „Untertauchen“ in aufenthaltsmäßiger Hinsicht gleichzusetzen, weil sich der Antragsteller insoweit der staatlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht unterordnet sondern bewusst und gerade solange entzieht, bis die Überstellungsfrist nach der Dublin III-VO abgelaufen ist. Der Antragsteller verhält sich in diesem entscheidungserheblichen Punkt widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich, wenn er sich einerseits an ein Gericht wendet, um vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Verteilungsentscheidung innerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten in Anspruch zu nehmen, andererseits aber bereits während des gerichtlichen Verfahrens zeigt, dass er sich den Rechtsordnungen der Bundesrepublik Deutschland und der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ohnehin entzieht (ebenso Verwaltungsgericht Cottbus vom 16. Juni 2016, Az.: 5 K 273/16.a; Verwaltungsgericht Ansbach vom 14. April 2016, Az.: AN 6 K 15.31132).
Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach alledem unzulässig geworden ist, kommt es auf die Frage der Begründetheit nicht mehr an, weshalb weitergehende Ausführungen zur Antragsbegründung nicht mehr entscheidungserheblich sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar.