Aktenzeichen M 12 S 16.33647
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
Aufgrund einer Abschiebungsandrohung in einen nicht näher bezeichneten Herkunftsstaat können weder Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt werden noch droht dadurch eine Verschlechterung der Rechtsposition bezüglich des Aufenthaltsstatus. Ein hiergegen gerichteter Eilantrag ist daher mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben eritreische Staatsangehörige und stellte am 27. November 2014 einen Asylantrag.
Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 27. Juli 2016 erklärte die Antragstellerin im Wesentlichen, sie habe Eritrea im Alter von sieben Jahren verlassen und sei mit ihrer Mutter in den Sudan ausgereist, nachdem der Vater als Soldat gefallen sei. Aus dem Sudan sei sie Anfang 2014 ausgereist. Es sei sehr schlecht gewesen im Sudan. Sie sei öfter auf der Straße einfach mitgenommen und verhaftet worden, weil sie keine Erlaubnis zum Teeverkauf gehabt habe. Die Inhaftierung habe immer ein bis zwei Monate gedauert. Ihr sei die Abschiebung nach Eritrea angedroht worden und sie habe immer bezahlen müssen, um wieder frei zu kommen. Einen konkreten Anlass für die Ausreise habe es nicht gegeben. Von den Schleppern sei sie vier Monate festgehalten und misshandelt worden. Man habe ihr eine Pistole an den Kopf gehalten. Von 80 Personen seien nach Durchquerung der Sahara nur noch 10 am Leben gewesen. Sie sei jeden Abend vergewaltigt worden. Davon sei sie krank geworden. Nach Eritrea könne sie nicht zurückgehen. Im Sudan gebe es keine Freiheit.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 26. September 2016 wurden der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 1 bis 3 des Bescheids). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung in den Herkunftsstaat oder in einen anderen Staat angedroht, in den die Antragstellerin einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 4 des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5 des Bescheids).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Würdigung aller Umstände führe nicht zu der Überzeugung, dass die Antragstellerin die eritreische Staatsangehörigkeit tatsächlich besitze. Die Antragstellerin habe keine Personaldokumente vorlegen können. Sie beherrsche zwar die tigrinische Sprache, spreche aber mit einem deutlichen äthiopischen Akzent. Dies stehe im Widerspruch zu dem Vortrag, mit sieben Jahren Eritrea verlassen und sich bis Anfang 2014 im Sudan aufgehalten zu haben. Offenbar versuche die Antragstellerin Glauben zu machen, die eritreische Staatsangehörigkeit zu besitzen, um ihre Ausgangssituation zu verbessern. Anhaltspunkte für eine Verfolgung in Eritrea oder im Sudan ergäben sich aus dem Sachvortrag der Antragstellerin nicht. Die Verhaftungen im Sudan seien vorgenommen worden, weil sie die Teeverkäufe ohne Erlaubnis vorgenommen habe. Eine Ahndung unerlaubter Handlungen könne nicht als politische Verfolgung eingestuft werden. Die Schilderung sei zudem vage und unbestimmt, so dass Zweifel bestünden, ob der Antragstellerin die geschilderten Ereignisse tatsächlich und in diesem Umfang widerfahren seien. Es werde der Eindruck erweckt, dass die Antragstellerin sich aus wirtschaftlichen Gründen aufgemacht habe, den Sudan zu verlassen. Aufgrund der ungeklärten Staatsangehörigkeit müsse die Furcht vor Verfolgung und die Gefahr eines drohenden Schadens als nicht glaubhaft dargelegt angesehen werden. Aufgrund des Sachvortrags ließen sich weder flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlungen noch Verfolgungsgründe für Eritrea oder den Sudan erkennen. Auch einen ernsthaften Schaden bei Rückkehr in ihr Herkunftsland habe sie nicht darlegen können. Ein unbegründeter Asylantrag sei als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täusche oder diese Angaben verweigere. Ein Abschiebungsverbot könne lediglich dann festgestellt werden, wenn im Zielstaat der Abschiebung die drohenden Gefahren bestünden. Die Antragstellerin habe keine glaubhaften Angaben zu ihrem Herkunftsland gemacht. Aufgrund dessen komme eine Abschiebung in das angebliche Herkunftsland Eritrea nicht in Betracht. Hinsichtlich anderer Staaten habe die Antragstellerin keine Gründe für die Annahme drohender Gefahren geltend gemacht. Die Erkrankungen wegen der geschilderten Misshandlungen habe sie nicht näher ausgeführt und sie mache nicht geltend, sich deswegen in ärztliche Behandlung begeben zu haben. Auch hier dränge sich der Verdacht auf, dass die Probleme in ihrer Ausprägung doch nicht so massiv seien, dass eine Therapie für dringend erforderlich erachtet werde. Insoweit führe die Erkrankung nicht zu einer anderen Bewertung. Der Antragstellerin sei die Abschiebung in den Herkunftsstaat anzudrohen gewesen, da aufgrund ungeklärter Staatsangehörigkeit keine konkrete Benennung des Ziellandes erfolgen könne. Die Abschiebungsandrohung enthalte daher nur einen unverbindlichen Hinweis. Vor Vollzug der Abschiebung sei der Zielstaat konkret zu bezeichnen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristsetzung seien weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Die Antragstellerin verfüge über keine wesentlichen Bindungen im Bundesgebiet.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom … Oktober 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat die Antragstellerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. September 2016 aufzuheben und der Antragstellerin die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
Gleichzeitig hat sie beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den sofortigen Vollzug der Versagung des Aufenthaltstitels anzuordnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragsgegnerin habe den Asylantrag abgelehnt und die Abschiebung nach Senegal bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht. Es werde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Erlebnisse auf der Flucht eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten habe, die sich noch verstärke, wenn sie nicht behandelt werde. Sie habe sich daher in psychotherapeutische Behandlung begeben. Eine derartige Behandlung werde weder in Eritrea noch in Äthiopien angeboten. Eine ärztliche Bescheinigung werde nachgereicht. Die Frage nach einer PTBS stelle sich erst jetzt. Die Antragstellerin sei Analphabetin und habe ihre psychischen Probleme bisher nicht artikulieren können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Mit dem Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses wird zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat und beim Fehlen eines solchen Interesses das prozessuale Begehren als unzulässig abgewiesen werden muss (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, vor § 40 Rn. 30).
Für den vorliegenden Antrag, der sich gegen die sofortige Vollziehung der Abschiebungsandrohung richtet (§ 36 Abs. 3 Asylgesetz -AsylG-), besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, weil er der Antragstellerin keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann (VG Augsburg, B. v. 30.6.2011 – Au 6 S 11.30199 – juris).
Im Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. September 2016 wurde – anders als in der Antragsschrift ausgeführt – lediglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat angedroht. Aufgrund einer Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat können Vollstreckungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden. Die Antragstellerin bedarf daher keiner gerichtlichen Entscheidung, durch die sie vor Abschiebungsmaßnahmen geschützt werden würde.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 25.7.2000 – 9 C 42/99 – juris) besitzt eine Abschiebungsandrohung mit der Angabe des Herkunftsstaates als Zielstaat keinen Regelungscharakter, sondern stellt lediglich einen vorläufigen unverbindlichen Hinweis dar, aus dem sich keine Rechtsfolgen ergeben. Dieser Hinweis, mit dem nicht mehr erreicht werden kann als mit dem allgemeinen Hinweis auf andere aufnahmebereite Staaten, soll dem Ausländer lediglich klar machen, dass er ohne erneute Abschiebungsandrohung in einen später noch zu benennenden Staat abgeschoben werden kann. Vor einer Durchführung der Abschiebung muss der konkrete Zielstaat so rechtzeitig bekannt gegeben werden, dass der Ausländer gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Solange ein Zielstaat nicht feststeht, kann eine Abschiebung schon aus tatsächlichen Gründen nicht vorgenommen werden. Dementsprechend kann auch ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässigerweise erst dann gestellt werden, wenn dem ausreisepflichtigen Ausländer die Abschiebung im Hinblick auf ein konkretes Ziel angedroht worden ist; dies ist bei der Antragstellerin noch nicht der Fall.
Im Hinblick darauf kann die Tatsache, dass im Rahmen des gem. § 36 AsylG gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auch zu prüfen ist, ob die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet durch das Bundesamt rechtmäßig war, kein aktuelles rechtliches Interesse der Antragstellerin an einer Entscheidung des Gerichtes begründen, da es ausreichend ist, wenn die Antragstellerin nach der Konkretisierung des Zielstaates Gelegenheit erhält, ihre rechtlichen Interessen wahrzunehmen und die Entscheidung des Bundesamtes in ihrer Gesamtheit einer Richtigkeitskontrolle zu unterziehen.
Auch bezüglich ihres Aufenthaltsstatus droht der Antragstellerin keine Verschlechterung ihrer Rechtsposition. Nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG erlischt zwar die Aufenthaltsgestattung unter anderem, wenn eine nach dem Asylverfahrensgesetz erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. Im Falle eines rechtzeitigen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO tritt die Vollziehbarkeit nach der gerichtlichen Entscheidung ein (§ 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG). Da aber die Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat lediglich einen unverbindlichen Hinweis ohne Regelungscharakter darstellt und damit eine tatsächlich vollziehbare Abschiebungsandrohung nicht vorliegt, kann im Ergebnis auch nicht von einem Erlöschen der Aufenthaltsgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ausgegangen werden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.