Aktenzeichen W 1 K 16.31908
Leitsatz
1. Es besteht keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens iSd § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in der Provinz Kunar. In der Ostregion, zu der die Provinz Kunar gehört, wurden nach den Erkenntnissen von UNAMA im Jahre 2016 1.595 Zivilpersonen getötet oder verletzt. Die Anschlagswahrscheinlichkeit für die Ostregion lag damit im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des BVerwG weit unter der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden. (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, da die Betroffenen selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage wären, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. (Rn. 27 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine extreme Gefahr für Leib und Leben iSd § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann auch dadurch abgewendet werden, dass Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch angenommen werden. Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern (vgl. etwa BayVGH BeckRS 2017, 100326). (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 29. September 2016 ist einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780 ff.) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
1. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger nicht vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist ist. Es ist nicht glaubhaft dargelegt worden, dass der Kläger aufgrund der Zusammenarbeit seines Vaters mit einer amerikanischen Hilfsorganisation (USAID) bzw. einem von dieser unterstützten afghanischen Projekt (KCC) verfolgt worden ist. Zwar kann dem Kläger aufgrund seiner Angaben vor dem Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung, dem schriftsätzlichen Vortrag vom 29. September 2017 sowie vorgelegter Unterlagen abgenommen werden, dass eine Zusammenarbeit des Vaters mit dem genannten Projekt KCC und USAID stattgefunden hat. Aufgrund der Erkenntnismittellage ist auch bekannt, dass afghanische Staatsangehörige, die für Hilfs- und Entwicklungsorganisationen arbeiten, eingeschüchtert, entführt oder getötet worden sind. Hiervon können auch Familienangehörige dieser Personen betroffen sein (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016, S. 43, 47). Allerdings ergibt sich hieraus keine flächendeckende oder auch nur großflächige Verfolgung dieses Personenkreises; es handelt sich vielmehr um einzelne Vorfälle. Der Kläger hat vorliegend nicht glaubhaft machen können, dass in seiner Person ein solcher Einzelfall gegeben war und er aufgrund der Tätigkeit seines Vaters einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt war.
Diese Einschätzung ergibt sich für das erkennende Gericht aus einer Reihe von Ungereimtheiten und Widersprüchen im klägerischen Vortrag. Daraus lässt sich eine Verfolgung des Klägers persönlich in keiner Weise entnehmen. Das den Taliban missliebige Verhalten lag allein in der Tätigkeit des Vaters begründet. Aus diesem Grund habe der Vater auch Drohbriefe erhalten und es sei zu der besagten Explosion am Wohnhaus gekommen, wie er vor dem Bundesamt erklärt hat. Soweit der Kläger nunmehr aber eine eigene Bedrohung in Form der vorgelegten Drohbriefe ins Feld führt, so misst das Gericht diesen keinerlei Beweiskraft zu. Denn zum einen stellt es bereits einen Widerspruch dar, wenn der Kläger vor dem Bundesamt angibt, dass sein Vater Drohbriefe von einem neuen Talibanführer erhalten habe, sodann jedoch Drohbriefe vorlegt, welche ihn persönlich als Adressaten benennen. Es erscheint überdies in keiner Weise lebensnah, dass man sich mit derartigen Drohbriefen nicht inhaltlich an den Vater des Klägers wendet, der das entscheidende Familienoberhaupt darstellt und zudem derjenige ist, der die inkriminierte Zusammenarbeit tatsächlich ausübt. Auch die vorgenommenen Erklärungsversuche für diese bedeutsame Ungereimtheit im gerichtlichen Verfahren hält das Gericht nicht für überzeugend. So hat der Kläger angegeben, dass das Hotel des Vaters unter seinem Namen firmiere, sodass die Vermutung naheliege, dass die Taliban davon ausgegangen seien, dass er der Inhaber desselben sei. Dieser Erklärungsversuch erscheint konstruiert, da nichts dafür spricht, dass aus dem Namen eines Hotels auch nur ansatzweise auf dessen Inhaber geschlossen werden kann, noch dazu, wenn es sich hierbei um einen Jugendlichen handelt. Das Gericht ist davon überzeugt, dass den Taliban, die nach klägerischen Angaben bestens über die Aktivitäten der Familie informiert gewesen sind, in gleicher Weise auch die Eigentumsverhältnisse und Zuständigkeiten bekannt waren; jede andere Einschätzung erscheint lebensfremd. Auch der weitere Erklärungsansatz, dass man auf diese Weise dem Vater die Gefahr auch für seinen Sohn habe vor Augen führen wollen, erscheint nicht nachvollziehbar, zumal etwa im ersten Drohbrief erklärt wird, dass der Kläger mehrmals von Seiten des Islamischen Emirats gewarnt worden sei und er die Dienste der Ungläubigen nicht verweigert habe, was ersichtlich in der Person des Klägers nicht der Realität entspricht. Denn auch in einem solchen Fall wäre zu erwarten gewesen, dass die Taliban den Vater als Verantwortlichen anschreiben und benennen und gegebenenfalls im weiteren Verlauf Konsequenzen auch für weitere Familienmitglieder androhen, was jedoch vorliegend nicht erfolgt ist. Zusätzlich verfängt nach Überzeugung des erkennenden Einzelrichters auch die Erklärung hinsichtlich des zeitlich späteren Drohbriefes vom 15. Juli 2015 nicht, wonach dieser trotz der vorherigen Ausreise des Klägers noch an diesen adressiert worden sei, da die Taliban vermutlich von seiner Ausreise noch keine Kenntnis gehabt hätten. Ungeachtet der bereits skizzierten Einwände hinsichtlich der Adressatenschaft des Klägers ist auch diesbezüglich nach Ablauf von rund zwei Monaten seit der Ausreise sicher anzunehmen, dass den Taliban, die offensichtlich auch örtlich gut vernetzt waren, um die Tätigkeit des Vaters auszukundschaften, die erfolgte Ausreise zuvor bekannt geworden ist. Das Gericht misst nach alldem den vorgelegten Drohbriefen im Hinblick auf eine Vorverfolgung des Klägers keinerlei Beweiskraft bei. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (vgl. dort S.25), wonach echte Dokumente unwahren Inhalts in Afghanistan in erheblichem Umfang existieren und es daher kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten gebe.
Überdies vermag der Vortrag des Klägers zu seiner Vorverfolgung in Form der Drohbriefe auch deshalb nicht zu überzeugen, da es nicht lebensnah nachvollziehbar erscheint, dass er nach dem ersten Drohbrief noch rund zehn Monate in Afghanistan an seinem Heimatort verblieben ist, und dies obwohl sein Vater (der diesbezüglich die Entscheidung getroffen hat) die Lage für den Kläger nach der Explosion und dem Erhalt des Drohbriefes für sehr gefährlich gehalten habe und ausweislich des Inhalts des Drohbriefes mit dem Schlimmsten zu rechnen war. Bei einer tatsächlich existierenden Lebensgefahr wäre zweifellos zu erwarten gewesen, dass der Vater den Kläger bereits deutlich früher zum Verlassen des Heimatortes aufgefordert hätte. Dass im vorliegenden Zusammenhang angegeben wurde, der Vater habe dem Kläger den Drohbrief erst nach einiger Zeit gezeigt, legt keine andere Einschätzung nahe, da zumindest dem Vater des Klägers als Entscheidungsträger der Brief bekannt war. Unabhängig hiervon erscheint es auch schwerlich nachvollziehbar, dass dem Kläger der Drohbrief überhaupt mit zeitlicher Verzögerung bekannt geworden sein soll, nachdem dieser offensichtlich an ihn adressiert war (andernfalls würde auch die klägerseitig vermutete Verwechslung in der Inhaberschaft des Hotels keinen Sinn ergeben). Insofern muss es auch verwundern und die Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens zu seiner Vorverfolgung weiter infrage stellen, wenn der Kläger auf Nachfrage des Gerichts den Zeitpunkt des ersten Drohbriefes nur sehr ungenau in der mündlichen Verhandlung angeben konnte, zumal dieser der Grund dafür gewesen sein soll, dass er in Lebensgefahr geraten ist und sein Heimatland verlassen musste.
Ein weiterer Widerspruch besteht darin, dass der Kläger das Ende der Zusammenarbeit des Vaters mit USAID bzw. KCC zunächst auf das Jahresende 2013 datiert hat, wofür auch der bei Gericht vorgelegte Vertrag über Brotlieferungen spricht. Sodann hat der Kläger jedoch diesbezüglich schriftsätzlich vortragen lassen, dass die Zusammenarbeit nach der Explosion an der Türe des Hotels beendet worden sei (Schriftsatz vom 29. September 2017, S. 3, 4). Mag diese Unstimmigkeit noch auf einer Verwechslung beruhen, was jedoch angesichts des vorgelegten Vertrages bereits nicht naheliegt, so entsteht ein nicht auflösbarer Widerspruch zumindest dadurch, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass die Zusammenarbeit wohl bis in das Jahr 2015 fortgesetzt worden sei. Diese Ungereimtheiten lassen nach Überzeugung des Gerichts nur den Schluss zu, dass es sich – zumindest bei einer über das Jahr 2013 hinausgehenden Zusammenarbeit – nicht um tatsächliche Geschehnisse handelt, sondern das Vorbringen rein asyltaktisch begründet ist, um eine fortdauernde Gefährdung zu konstruieren. Auf eine entsprechende Frage seines Bevollmächtigten zu diesem Punkt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nur ausweichend geantwortet und keine sinnvoll nachvollziehbare Begründung abgegeben. Auch hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Beendigung der Zusammenarbeit in Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen nicht mehr mit der Gefährdung für die Familie durch die Explosion und den Drohbrief erklärt, sondern damit, dass das Projekt beendet worden sei, sodass niemand mehr habe beliefert werden können.
Ohne dass es noch hierauf ankäme, erscheint zusätzlich widersprüchlich, dass der Kläger das Ende der Zusammenarbeit mit USAID und KCC – zunächst – mit der Explosion und dem Drohbrief im Juni/Juli 2014 erklärt, während ausweislich der vorgelegten Unterlagen der zugrundeliegende Vertrag bereits am 31. Dezember 2013 geendet hat. Die schriftsätzlich ins Feld geführte mündliche Vertragsverlängerung erscheint vor dem Hintergrund der zuvor erfolgten schriftlichen Fixierung der vertraglichen Zusammenarbeit und des geringen Aufwands für eine Vertragsverlängerung nicht glaubhaft, sondern rein situationsangepasst, um die angeblich 2014 stattgefundene Explosion und den ersten Drohbrief erklärbar zu machen.
In gleicher Weise erscheint die abgegebene Erklärung für den zweiten Drohbrief nach der Ausreise des Klägers, wonach dieser erfolgt sei, da der Vater den Brotverkauf aus der Bäckerei heraus an Polizisten und afghanische Soldaten fortgesetzt habe, konstruiert und nicht den Tatsachen entsprechend, zumal der Kläger hierzu vor dem Bundesamt nichts vorgetragen hat.
Auch die vom Kläger ins Feld geführte Explosion an der Eingangstüre des Familienhauses ist vor dem Hintergrund der geschilderten Vielzahl von Ungereimtheiten und Widersprüchen nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu begründen. Eine Explosion, so sie denn tatsächlich stattgefunden hat, kann auf einer Vielzahl von Hintergründen beruhen und muss angesichts der in Afghanistan herrschenden hohen allgemeinen Kriminalität keineswegs zwingend auf die Taliban und die Zusammenarbeit des Vaters des Klägers mit USAID/KCC zurückzuführen sein.
Soweit der Kläger schließlich angegeben hat, dass er auf dem Weg zur Schule von den Taliban beschossen worden sei und eine Bombe in seiner Schule explodiert sei, so bedarf es hierzu abgesehen von der Oberflächlichkeit des diesbezüglichen Vortrages keiner weiteren Aufklärung, da der Kläger im Rückkehrfalle offensichtlich von einer solchen Gefährdung nicht mehr bedroht sein wird, nachdem er angesichts seines Alters nunmehr keine Schule mehr besuchen wird und die Schule im Heimatdorf ohnehin zerstört ist, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf seine jüngeren Bruder erklärt hat.
Nach alledem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger nicht vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist ist und auch bei seiner Rückkehr dorthin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Verfolgung wegen der Tätigkeit des Vaters zu rechnen hat. Letzteres ergibt sich für das erkennende Gericht daraus, dass die Taliban den Kläger nach seiner Ausreise nicht in seinem Heimatort gesucht haben, was zwingend zu erwarten gewesen wäre, wenn diese seiner weiterhin habhaft werden wollten; diesbezüglich ist nichts vorgetragen worden. Darüber hinaus können seine Eltern und seine Geschwister weiterhin unbehelligt am Herkunftsort leben und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies nicht auch dem Kläger möglich wäre. Etwaige weitergehende Drohungen oder Sanktionen wurden weder vorgetragen noch sind solche erkennbar. Denn es erscheint nicht lebensnah nachvollziehbar, dass in der Person des Vaters des Klägers derjenige, der aktiv mit USAID/KCC zusammengearbeitet hat und angeblich weiterhin seit Jahren Brot an Sicherheitskräfte verkauft, am Heimatort leben kann, während dem Kläger dies nicht möglich sein soll. Vielmehr ist es nach Überzeugung des Gerichts so, dass die Taliban offensichtlich kein weiteres Verfolgungsinteresse im Hinblick auf den Vater des Klägers und erst recht nicht hinsichtlich des Klägers selbst haben, was auch nachvollziehbar erscheint, da die Zusammenarbeit mit USAID/KCC mittlerweile beendet worden ist, was das zentrale Ziel der Taliban darstellte. Ungeachtet dessen hätte es die Familie selbst in der Hand, durch die Einstellung des Brotverkaufs an Sicherheitskräfte eine Gefahr auszuschließen.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert darüber hinaus auch daran, dass keiner der Verfolgungsgründe nach § 3b AsylG einschlägig ist. Da der Kläger zu keiner Zeit aktiv gegen die Taliban gearbeitet hat oder sich diesen auch nur widersetzt hätte, ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Taliban dem Kläger eine ihren Zielen entgegenstehende politische Überzeugung auch nur zuschreiben (zur fehlenden Beweiskraft der vorgelegten Drohbriefe vgl. unter 1.).
Ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung ist nach alledem nicht gegeben.
II.
1. Der Kläger hat weiterhin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG (I. 1.) verwiesen werden. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist nicht ersichtlich.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Kunar. In der Ostregion, zu der die Provinz Kunar gehört, wurden im Jahre 2016 1.595 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11). Die Anschlagswahrscheinlichkeit für die Ostregion lag damit im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Im Jahr 2017 hat sich diese Zahl (unter Verdoppelung der Halbjahreszahlen) zudem verringert. In der Ostregion wurden im ersten Halbjahr 2017 bisher 702 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Midyear Report 2017, Juli 2017, S. 10). Damit ist derzeit nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Auch insoweit wird auf die obigen Ausführungen, insbesondere die fehlende Glaubhaftigkeit seines Verfolgungsvortrages, verwiesen.
Die Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli 2017 rechtfertigt kein hiervon abweichendes Ergebnis. In dem Bericht wird im Hinblick auf die Sicherheitslage der Zivilbevölkerung zunächst umfangreich auf Erkenntnisse von UNAMA verwiesen. Die Bevölkerung sei immer dann gefährdet, wenn sie bei Kämpfen der Konfliktparteien zwischen die Fronten gerate oder Opfer improvisierter Sprengsätze werde, die für andere Ziele gedacht seien. Weniger ausschlaggebend sei dagegen, ob die afghanischen Sicherheitskräfte oder die Taliban die Kontrolle über einen Raum ausübten. Auch in den von Taliban beherrschten Gebieten gingen diese selten unmittelbar gegen die lokale Bevölkerung vor. Im Vergleich zu den Sicherheitskräften, Vertretern der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft werde daher die unmittelbare militante Bedrohung für die afghanische Bevölkerung – selbst in den Gebieten unter Kontrolle der Taliban – als niedrig bewertet. Allerdings zeigten die letzten Jahre, dass die Taliban zivile Opfer immer wieder billigend in Kauf nähmen. Einer erhöhten Gefährdung sei zudem der Personenkreis ausgesetzt, der öffentlich gegen die Taliban Position beziehe, wie z.B. Journalisten, oder erkennbar von ihrer islamistischen Ideologie abweiche, wie z.B. Konvertiten oder Angehörige sexueller Minderheiten. Im Gegensatz hierzu richteten sich die Anschläge des sog. Islamischen Staates auch absichtlich gegen Zivilisten, insbesondere gegen die schiitische Minderheit der Hazara. Die Bedrohungslage könne letztlich nur unter Berücksichtigung regionaler und lokaler Gegebenheiten und unter Einbeziehung sämtlicher individueller Aspekte des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes für Afghanistan vom 28.7.2017, S. 8 ff.).
III.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG vollinhaltlich verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde. Der Betroffene wäre vielmehr selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris, st.Rspr.). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.30030 – juris; U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben.
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Die aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familienbzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.
Aus der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes für Afghanistan vom 28. Juli 2017 ergibt sich insoweit nichts grundlegend Abweichendes: In fast allen Regionen werde von der Bevölkerung die Arbeitslosigkeit als das größte Problem genannt. Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen sei im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 25% gesunken. Die afghanische Regierung habe unter Beteiligung der internationalen Geberschaft sowie internationaler Organisationen mit der Schaffung einer Koordinierungseinheit zur Reintegration der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer reagiert. Ein Großteil der internationalen Geberschaft habe zudem beschlossen, die Finanzmittel für humanitäre Hilfe im Rahmen eines Hilfsappells des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Angelegenheit OCHA aufzustocken. Trotz internationaler Hilfe übersteige der derzeitige Versorgungsbedarf allerdings das vorhandene Maß an Unterstützungsmaßnahmen seitens der Regierung.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Si-cherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5%. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80% der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25% des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46% der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40% seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger nicht alsbald nach seiner Rückkehr nach Afghanistan einer extremen Gefahr für Leib und Leben im Sinne der verfassungs-konformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG ausgesetzt wäre. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt -, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem bald 18-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist zwar in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Abgesehen davon, dass vorliegend die Prüfung einer internen Schutzalternative nicht inmitten steht und der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Beim Kläger ist individuell positiv zu berücksichtigen, dass dieser in Afghanistan die Schule bis zur siebten Klasse besucht hat und damit über einen Bildungsstand verfügt, mit dem er gegenüber den vielen Analphabeten in Afghanistan klar im Vorteil ist und somit ein deutlich breiteres Spektrum an beruflichen Tätigkeiten auszuüben in der Lage ist. Ebenso positiv ist zu erwähnen, dass der Kläger sich aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Sprachkenntnisse in einer vergleichsweise guten Position befindet; er hat aktuell eine Lehre als Maler begonnen. Der Kläger hat darüber hinaus bereits gewisse berufliche Erfahrungen in seinem Heimatland sammeln können, auf die er gewinnbringend im Falle einer Rückkehr wird zurückgreifen können, indem er seinem Vater in dessen Hotel geholfen und in der Bäckerei Brot gebacken hat. Bis zu seiner Ausreise hat der Kläger fast 15,5 Jahre in Afghanistan gelebt und kennt infolgedessen die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse und Gepflogenheiten seines Heimatlandes. Des Weiteren geht das Gericht davon aus, dass der Kläger wieder in seinen Familienverband am Heimatort zurückkehren kann, wo sich entsprechend seiner Angaben noch seine Eltern und die jüngeren Geschwister aufhalten. Denn es ist im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass man sich in Notsituationen finanzielle Unterstützung leistet und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. In der Gesamtschau ist damit davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt des Klägers zumindest ausreichend sichergestellt ist. Eine extreme Gefahr für Leib und Leben i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann der Kläger auch dadurch abwenden, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700,00 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundes-verwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dement-sprechend ist es dem normal Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris), der sich das Gericht anschließt, grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht, was vorliegend der Fall ist. Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt sein (vgl. Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanis…, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff. (77 f.). Denn nach Überzeugung des Gerichts bieten die geschilderten persönlichen und familiären Ressourcen des Klägers ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Afghanistan zumutbar erscheinen zu lassen.
Schließlich steht der Ablehnung eines Abschiebungsverbotes auch die Tatsache der Minderjährigkeit des Klägers nicht entgegen. Denn zum einen gehören zur Gruppe der alleinstehenden arbeitsfähigen Männer, die ihren Lebensunterhalt grundsätzlich selbständig sicherzustellen vermögen, durchaus auch Minderjährige, zumindest wenn sie wie der Kläger bereits mehr als 17,5 Jahre alt sind; dass Personen diesen Alters bereits einer Erwerbsarbeit nachgehen, entspricht den Gepflogenheiten in Afghanistan, aber durchaus auch in Deutschland und ist keineswegs als menschenrechtswidrig anzusehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger gemäß § 58 Abs. 1a AufenthG vor Erreichen der Volljährigkeit nur dann nach Afghanistan abgeschoben werden kann, wenn sich die zuständigen deutschen Behörden vergewissert haben, dass der Kläger dort einem Mitglied seiner Familie oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben werden kann. Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13/12 – juris). Hieraus ergibt sich, dass es aus Rechtsgründen bereits unmöglich ist, dass der Kläger während der Zeit seiner Minderjährigkeit nach Afghanistan abgeschoben würde und dort auf sich alleine gestellt wäre. Kann jedoch eine solche Vergewisserung durch die deutschen Behörden nicht erfolgen, so kann der Kläger erst nach dem Zeitpunkt seiner Volljährigkeit abgeschoben werden.
Nach alledem kommt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in Betracht.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Im Hinblick auf allgemeine Gefahren in Afghanistan i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG kommt ein Abschiebungsverbot vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, da insoweit das in § 58 Abs. 1a AufenthG enthaltene Vollstreckungshindernis (während des Zeitraums der Minderjährigkeit des Klägers) einen gleichwertigen Schutz vor Abschiebung bietet (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 13.6.2013, a.a.O.).
Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO ab-zuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.