Verwaltungsrecht

Keine arglistige Täuschung bei gegebenem Verschweigensrecht

Aktenzeichen  Au 2 K 17.600

Datum:
26.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG SG § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 55 Abs. 1 S. 1
BZRG BZRG § 3, § 32 Abs. 2 Nr. 5a, § 41 Abs. 1 Nr. 2, § 53 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
StPO StPO § 410 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Besteht ein Verschweigensrecht nach § 53 Abs. 1 BZRG und macht ein Bewerber davon Gebrauch, dann liegt eine arglistige Täuschung nicht vor. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2 Soweit Behörden ein Recht auf unbeschränkte Auskunft über Eintragungen im Bundeszentralregister haben, kann ein Verurteilter diesen gegenüber keine Rechte aus § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG herleiten, falls er hierüber belehrt worden ist. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3 Aus der Befugnis des Bundesministeriums der Verteidigung, als oberste Bundesbehörde nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 BZRG auch Auskunft auch über solche Eintragungen in das Bundeszentralregister zu erhalten, die nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind, folgt nicht die Befugnis, Erkenntnisse daraus an nachgeordnete Behörden weiterzugeben. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 7. Februar 2017 in Gestalt deren Beschwerdebescheids vom 31. März 2017 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht über die vorliegende Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat Erfolg.
1. Der Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 7. Februar 2017 in Gestalt deren Beschwerdebescheids vom 31. März 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SG i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG ist ein Soldat auf Zeit insbesondere zu entlassen, wenn er seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat.
Dieser Tatbestand ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
Denn die Nichtangabe der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung durch das Amtsgericht … vom 30. Januar 2012 im Bewerbungsbogen als Zeitsoldat vom 23. August 2013 stellt keine arglistige Täuschung durch den Kläger dar.
a) Eine arglistige Täuschung liegt dann vor, wenn der zu Ernennende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Ernennungsbehörde aufgrund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen, oder – umgekehrt – der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (BVerwG, U.v. 18.9.1985 – 2 C 30.84 – juris). Insbesondere ist das Verschweigen von Tatsachen eine arglistige Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können. Für Arglist ist vorsätzliches Handeln erforderlich; Fahrlässigkeit reicht insoweit nicht aus (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 6 ZB 14.2289 – juris Rn. 9; B.v. 12.12.2011 – 6 C 11.2100 – juris Rn. 4; VG Würzburg, U.v. 29.8.2017 – W 1 K 16.1111 – juris Rn. 7; VG Augsburg, B.v. 1.4.2016 – Au 2 S. 15.1767 – juris Rn. 17; Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 46 Rn. 34).
Grundsätzlich trägt die Ernennungsbehörde die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Arglist. Allerdings trifft denjenigen, der objektiv unrichtige Angaben gemacht hat, im Hinblick auf die fraglichen inneren Tatsachen eine Mitwirkungspflicht. Er muss erläutern, aus welchen Gründen er nicht den zutreffenden Sachverhalt angegeben hat. Vermag er dies nicht nachvollziehbar darzutun, kann dies zu seinem Nachteil verwendet werden (OVG NW, B.v. 19.5.2016 – 1 B 63/16 – juris; Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 46 Rn. 35; siehe zum Ganzen: VG Würzburg, U.v. 29.8.2017 – W 1 K 16.1111 – juris Rn. 8).
b) Hiervon ausgehend stellt die Nichtangabe der strafrechtlichen Verurteilung durch das Amtsgericht … vom 30. Januar 2012 im Bewerbungsbogen keine arglistige Täuschung durch den Kläger dar.
Denn der Kläger ist nicht verpflichtet gewesen, die ihn betreffende Verurteilung bzw. den Strafbefehl der Bundeswehr gegenüber zu offenbaren.
aa) Der Kläger war vielmehr berechtigt, den Strafbefehl zu verschweigen. Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG darf sich ein Verurteilter im Rechtsverkehr als unbestraft bezeichnen und braucht den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Verurteilung nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen ist. Dieses spezialgesetzliche Verschweigensrecht gilt auch anlässlich einer Bewerbung um Übernahme in ein Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 31.1.1980 – 2 C 50.78 – BVerwGE 59, 366 zur früheren Fassung der Vorschrift). Auch für eine Bewerbung als Soldat auf Zeit in der Bundeswehr kann nichts anderes gelten. Besteht ein derartiges Verschweigensrecht und macht ein Bewerber davon Gebrauch, dann liegt eine arglistige Täuschung nicht vor (Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 14 Rn. 27; VG München, U.v. 13.11.2012 – M 21 K 10.3378 – juris). Der vom Kläger nicht mitgeteilte Strafbefehl, der nach § 410 Abs. 3 StPO einer Verurteilung i.S.v. § 53 Abs. 1 BZRG gleichsteht, hatte eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen wegen Verstoß gegen das Waffengesetz zum Gegenstand. Die Verurteilung war nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen. Denn nach § 32 Abs. 2 Nr. 5a BZRG werden Verurteilungen, durch die auf Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen erkannt worden ist, nicht in ein Führungszeugnis aufgenommen, wenn im Register keine weiteren Strafen eingetragen sind. Nach alledem waren die Voraussetzungen für ein Verschweigensrecht des Klägers aus § 53 Abs. 1 BZRG grundsätzlich erfüllt (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 6 ZB 14.2289 – juris Rn. 9; B.v. 12.12.2011 – 6 C 11.2100 – juris Rn. 4; OVG Schleswig, B.v. 17.11.2014 – 2 MB 32/14 – juris Rn. 5; VG Augsburg, B.v. 1.4.2016 – Au 2 S. 15.1767 – juris Rn. 19-21; VG München, U.v. 13.11.2012 – M 21 K 10.3378 – juris Rn. 25 f.).
bb) Einer Berufung des Klägers auf das Verschweigensrecht aus § 53 Abs. 1 BZRG stand auch § 53 Abs. 2 BZRG nicht entgegen. Danach kann ein Verurteilter – soweit Behörden ein Recht auf unbeschränkte Auskunft über Eintragungen im Bundeszentralregister haben – diesen gegenüber keine Rechte aus § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG herleiten, falls er hierüber belehrt worden ist.
(1) Zwar ist der Kläger vorliegend wohl ausreichend i.S.v. § 53 Abs. 2 BZRG über die Reichweite seiner Offenbarungspflicht belehrt worden.
Insoweit muss der Betroffene in der konkreten Situation – hier: für seine Bewerbung und das Ausfüllen dazu verwendeter Fragebögen – auf den in § 53 Abs. 2 BZRG statuierten Wegfall eines eventuell bestehenden Verschweigungsrechtes früherer Verurteilungen oder auf dessen Nichtbestehen hingewiesen werden. Bezüglich der Form der Belehrung gilt, dass diese vom Empfängerhorizont her gesehen eindeutig sein muss. Der Empfänger ist somit ausdrücklich und für ihn eindeutig erkennbar darauf hinzuweisen, dass im Rahmen seiner Bewerbung als Zeitsoldat ein Verschweigungsrecht hinsichtlich vergangener Verurteilungen nicht besteht, auch wenn diese nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind und nicht im Bundeszentralregister aufscheinen (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 13.11.2012 – M 21 K 10.3378 – juris Rn. 35).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist eine Belehrung nach § 53 Abs. 2 BZRG vorliegend wohl hinreichend erfolgt. Denn im Bewerbungsbogen vom 23. August 2013 (Blatt 45 der Verwaltungsakte) war der Kläger unmittelbar vor der maßgeblichen Frage Nr. 22 ausdrücklich und durch Fettdruck hervorgehoben darauf hingewiesen worden, dass auch solche Registerinhalte (strafgerichtliche Verurteilungen einschließlich Strafbefehle sowie weitere Inhalte gemäß § 3 BZRG) anzugeben sind, die ansonsten nicht in ein Führungszeugnis oder ein Führungszeugnis für Behörden aufzunehmen sind; dieser Hinweis war auch für juristische Laien wie den Kläger ohne weiteres verständlich und hinreichend (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 6 C 17.667 – juris Rn. 4; VG Würzburg, U.v. 29.8.2017 – W 1 K 16.1111 – juris Rn. 5 und 9; a.A. noch zu einer alten Fassung des Bewerbungsbogens: VG Augsburg, B.v. 1.4.2016 – Au 2 S. 15.1767 – juris Rn. 24; VG München, U.v. 13.11.2012 – M 21 K 10.3378 – juris Rn. 34-41).
(2) Jedoch ist § 53 Abs. 2 BZRG ausweislich seines Wortlauts nur einschlägig, soweit die jeweiligen Behörden ein Recht auf unbeschränkte Auskunft über Eintragungen im Bundeszentralregister haben. Hieran fehlt es vorliegend.
Zwar hat das Bundesministerium der Verteidigung als oberste Bundesbehörde nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 BZRG ein Recht auf Auskunft auch über solche Eintragungen in das Bundeszentralregister, die nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind. Hieraus folgt jedoch nicht die Befugnis, Erkenntnisse daraus an nachgeordnete Behörden – wie etwa das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr oder den Truppenteil des Klägers – weiterzugeben. Solche Mitteilungen kommen vielmehr nur ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Vermeidung von Nachteilen für den Bund oder ein Land unerlässlich ist oder wenn anderenfalls die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erheblich gefährdet oder erschwert würde; denn ansonsten würde die gesetzgeberische Grundsatzentscheidung in § 41 Abs. 1 BZRG, den Vollzugsbehörden kein Auskunftsrecht zu gewähren, faktisch gegenstandslos (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 28.2.2006 – 7 B 05.2202 – juris Rn. 35). Nachdem bei der Einstellung des Klägers in das Soldatenverhältnis auf Zeit nicht das Bundesministerium der Verteidigung, sondern das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr tätig geworden ist (Schriftsatz der Beklagten vom 5.10.2017, Blatt 37 der Gerichtsakte), das seinerseits kein Recht auf unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister besitzt, kann die Einschränkung des § 53 Abs. 2 BZRG den Bundeswehrbehörden gegenüber im Fall des Klägers keine Anwendung finden. Mit Blick auf Art und Strafmaß der inmitten stehenden Verurteilung des Klägers war vorliegend auch kein Ausnahmefall gegeben, in dem eine Weiterleitung von Informationen aus dem Bundeszentralregister durch das Bundesministerium der Verteidigung an das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr aus besonderen Gründen – etwa zur Vermeidung einer ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung – zulässig gewesen wäre. Der Kläger konnte sich daher im Ergebnis auf das Verschweigensrecht aus § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG berufen (vgl. zum Ganzen: VG Augsburg, B.v. 1.4.2016 – Au 2 S. 15.1767 – juris Rn. 23; VG München, U.v. 13.11.2012 – M 21 K 10.3378 – juris Rn. 27-33).
2. Nach alledem war der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig (162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren i.S.v. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nur dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Abzustellen ist regelmäßig auf den Zeitpunkt der Bevollmächtigung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 1.6.2010 – 6 B 77/09 – juris Rn. 6).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze war im vorliegenden Einzelfall der Ausspruch nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO vorzunehmen. Die streitentscheidenden Fragen rechtfertigten aufgrund ihrer Komplexität eine Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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