Aktenzeichen M 2 S 16.30956
Leitsatz
Der Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. (redaktioneller Leitsatz)
Für das Vorliegen einer Gefahr von Leib und Leben durch nichtstaatliche Dritte, die auf einem Ereignis vor sieben Jahren beruht, bedarf es konkreten Vortrags, warum die Bedrohung noch aktuell sein soll. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der 1976 geborene Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben reiste er 2009 aus dem Senegal aus und nach längeren Aufenthalten in der Türkei, Griechenland und Ungarn im Frühsommer 2014 auf dem Landweg nach Deutschland ein. Am 17. Juni 2014 stellte er Asylantrag. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt … (Bundesamt) am 11. Januar 2016 gab er im Wesentlichen an: Er sei mit vielen anderen zu einem Haus in Dakar gegangen, in dem ein 14-15-jähriger Junge von einem Marabout (einem islamischen Anführer) festgehalten worden sei, um den Jungen zu befreien. Er habe sich gegenüber Anhängern des Marabout sehr negativ über diesen geäußert und sei infolgedessen mit dem Tod bedroht worden. In der Folgezeit hätten Anhänger des Marabout ihn mehrfach verprügelt, sein Ladengeschäft auseinandergenommen und ihn massiv bedroht. Auch seine Familienangehörigen seien bedroht, sein Vater (später) sogar getötet worden. Sein Vater habe ihn damals zur Ausreise gedrängt, da man lebenslang Probleme habe, wenn man sich mit diesen Leuten anlege.
Mit Bescheid vom 21. April 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet (Ziffern 1 und 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz als unbegründet ab (Ziffer 3); es stellte fest, das Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4) und forderte den Antragsteller unter Androhung der Abschiebung in den Senegal oder einen anderen zu seiner Aufnahme bereiten oder zu seiner Rückübernahme verpflichteten Staat auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen (Ziffer 5); die Einreise- und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 7 und Abs. 1 AufenthG wurden auf 30 und auf 10 Monate befristet (Ziffern 6 und 7). Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dem Antragsteller drohe bei einer Rückkehr in den Senegal kein ernsthafter Schaden. Er habe bereits im Dezember 2009 sein Herkunftsland verlassen und es sei fraglich, wie aktuell die Bedrohungen im Jahr 2016 tatsächlich noch seien. Es sei schon wenig glaubhaft, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr in den Senegal eine konkrete Gefahr drohe, und er habe die Möglichkeit, in eine andere Region innerhalb Senegals zu gehen, nicht ausreichend in Betracht gezogen. Der Bescheid wurde am 28. April 2016 zugestellt.
Am 2. Mai 2016 ließ der Antragsteller Klage (zunächst ohne Antragstellung) erheben und gleichzeitig beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, weil der Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt und festgestellt worden sei, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Antragsteller sei vorverfolgt ausgereist, weshalb zu seinen Gunsten eine Beweiseerleichterung greife. Er habe glaubhaft und detailliert vorgetragen, dass er den Senegal deshalb verlassen habe, weil er von einem Marabout und dessen Anhängern im Rahmen der Befreiungsaktion geschlagen und gequält worden sei. Der Antragsteller habe inzwischen einen fortgeschrittenen Integrationsstatus erreicht, habe eine Ausbildung zum Fachlageristen begonnen und sei Vater einer 2015 geborenen Tochter.
Die Antragsgegnerin äußerte sich – abgesehen von der Aktenvorlage – nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12. Mai 2016 vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Entscheidungen des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Die seitens der Antragsgegnerin beabsichtigte umgehende Beendigung des Aufenthalts der Antragstellerseite im Bundesgebiet stützt sich auf die Annahme des Bundesamts, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich (vgl. §§ 29 a, 30 AsylG) nicht vorliegen und dass auch die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) nicht vorliegen. An der Rechtmäßigkeit der hierzu im Ergebnis durch das Bundesamts getroffenen ablehnenden Entscheidungen einschließlich des Offensichtlichkeitsurteils bestehen keine ernstlichen Zweifel, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG. Dem Antragsteller droht offensichtlich weder im Hinblick auf die allgemeine Situation im Senegal noch aufgrund besonderer individueller Umstände oder der von ihm vorgetragenen Fluchtgründe im Fall seiner Rückkehr eine asylerhebliche Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung im Sinne der § 3 ff., § 4 AsylG.
Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids wird verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt: Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller tatsächlich in der von ihm geschilderten Weise von Anhängern eines Marabout massiv geschlagen und mit dem Tod bedroht worden ist oder ob seine diesbezüglichen Angaben unzutreffend oder zumindest stark übertrieben sind. Subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1, 3 i. V. m. § 3c Nr. 3 Asylgesetz (AsylG) kann der Antragsteller jedenfalls deshalb nicht beanspruchen, weil er – eine massive Bedrohung durch fanatisierte Anhänger eines religiösen Führers als wahr unterstellt – in einem anderen Teil der Millionenstadt Dakar oder zumindest in anderen Teilen des Senegal internen Schutz erlangen könnte (§ 4 Abs. 3 i. V. m. § 3e Abs. 1 AsylG). Dies gilt umso mehr, als seit den vom Antragsteller behaupteten Übergriffen sieben Jahre vergangen sind und nicht ernsthaft angenommen werden kann, dass in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) irgendjemand noch ein besonderes Interesse an dem Antragsteller wegen kritischer Äußerungen, die im Jahr 2009 gefallen sein sollen, hat.
Die vorgetragene fortgeschrittene Integration des Antragstellers und seine familiären Verhältnisse stellen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse dar und begründen ebenfalls keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids.
Der Eilantrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).