Aktenzeichen AN 3 K 17.31547
AufenthG § 11 Abs. 1, 3, § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG Art. 16a
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 166
Leitsatz
1 Allein die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland hat keine politische Verfolgung unverfolgt und legal aus Kuba eingereister kubanischer Staatsangehöriger im Falle ihrer Rückkehr dorthin zur Folge (ebenso BVerwG BeckRS 1999, 15556). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Möglichkeit allein, dass eine Asylantragstellung zu Problemen beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Sozialleistungen in Kuba führen kann, wenn die dortigen Behörden von der Asylantragstellung erfahren, reicht für die Annahme einer relevanten Rückkehrgefährdung nicht aus. (Rn. 38 und 39) (redaktioneller Leitsatz)
3 Dass kubanische Staatsangehörige, die 24 Monate erlaubten Auslandsaufenthalt ohne Verlängerung verstreichen lassen, keine Rückkehrberechtigung mehr erhalten und damit in den Status eines „Emigranten“ (Exilkubaner) wechseln, ist im Asylverfahren unbeachtlich, da insoweit nicht an asylrelevante Merkmale anknüpft wird. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 2. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Ihr steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG noch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a GG zu (Hauptantrag), noch auf Zuerkennung des subsidiären Flüchtlingsstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsanträge) zu.
1. Vorliegend ist kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben und damit wegen der Identität der Schutzgüter auch kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte, unabhängig von der Frage, ob diesbezüglich wegen Ablaufs der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine zulässige Klageerhebung noch möglich war.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i.S.d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Ergänzend hierzu bestimmt § 3a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3e AsylG den internen Schutz.
§ 3a Abs. 3 AsylG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss.
Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG geregelt.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.
a. Gemessen an diesen Voraussetzungen hat die Klägerin weder in der Anhörung vor dem Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie wegen der in §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG genannten Gründe ihr Heimatland verlassen hat.
Auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Zusammenschau der Tatsachen, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Beginn ihres behaupteten Engagements für die Damas de Blanco im Jahr 2012 nicht einmal nach der Jahreszeit einordnen konnte, obschon dies angeblich Grund ihrer – völlig unproblematischen – Ausreise war und dem heftigen Streit mit ihrem langjährigen Freund in Deutschland am 10. August 2013 sowie ihrer Asylantragstellung am 11. August 2013 legt den Schluss nahe, dass die Klägerin nicht aus politischen Gründen ihr Heimatland verlassen hat. Dafür spricht auch, dass sie sich ab dem Jahr 2004 jedes Jahr in Deutschland zu Besuchszwecken aufgehalten hat und angab, ihr Sohn habe in Leipzig studiert.
Sie hat auch in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck vermittelt, ein politisch engagierter Mensch zu sein, sondern blieb in ihren politischen Äußerungen sehr vage.
Dass sie Opfer polizeilicher Maßnahmen aufgrund einer politischen Gesinnung geworden sei, hat die Klägerin nicht behauptet.
b. Die nach eigenem Vorbringen nicht vorverfolgt aus Kuba ausgereiste Klägerin hat nach Auffassung des Gerichts im Falle einer Rückkehr nach Kuba nicht mit einer im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigenden Rückkehrgefährdung zu rechnen.
aa. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts erfolgten Ausführungen zu einer in den Schilderungen sehr vage gebliebenen exilpolitischen Betätigung sind nicht geeignet, der Klägerin einen Schutzstatus zuzuerkennen.
Denn zum einen erfolgte der Vortrag zu einer exilpolitischen Betätigung verspätet, § 74 Abs. 2 Sätze 1-3 AsylG.
Zum anderen geht die Klägerin offenbar selbst nicht davon aus, aufgrund dieses Verhaltens für den Fall ihrer Rückkehr nach Kuba Probleme mit staatlichen Stellen zu bekommen, da sie diesbezüglich bislang nichts vorgetragen hat.
Die Klägerin ist gehalten, von sich aus die in ihre eigene Sphäre fallenden tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu ihrem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen. Ihr Vortrag muss danach insgesamt geeignet sein, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.1983 – BVerwG 9 C 68.81 – juris; Hessischer VGH, U.v. 24.08.2010 – VGH 3 A 2049/08.A – juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gilt dies entsprechend.
Zwar kann aufgrund der Auskunftslage nicht ausgeschlossen werden, dass aus dem Ausland zurückkehrende Kubaner zumindest mit staatlicher Diskriminierung rechnen müssen, wenn sie sich im Ausland regierungskritisch geäußert haben (vgl. „Schweizerische Flüchtlingshilfe Kuba: Rückkehr“, 16. Februar 2009, Ziffer 2).
Eine derartige Verfolgungsgefahr kann für die Klägerin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Denn die Klägerin hat von sich aus gar nicht vorgetragen, dass sie sich exilpolitisch betätigt. Sie hat weder in der Anhörung vor dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren hierzu Angaben gemacht. Darüber hinaus hat sie die behaupteten Aktivitäten auch nicht nachgewiesen, obwohl ihr dies ohne Probleme möglich gewesen wäre.
bb. Allein die Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland hat keine politische Verfolgung unverfolgt und legal aus Kuba eingereister kubanischer Staatsangehöriger im Falle ihrer Rückkehr dorthin zur Folge (BVerwG, B.v. 7.12.1999 – 9 B 474.99; BayVGH, U.v. 29.7.2002 – 7 B 01.31054; B.v. 6.10.2003 – 7 ZB 03.31113; B.v. 5.6.2008 – 15 ZB 07.30102; VG Augsburg, U.v. 5.7.2011 – Au 7 K 10.30473; VG Ansbach, U.v. 24.9.2015 – AN 3 K 14.30542; alle juris).
Diese Einschätzung – so auch das VG Augsburg im zitierten Urteil vom 5.7.2011 – wird im Wesentlichen auch durch die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Quellen bestätigt.
In der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe „Kuba: Rückkehr, 16. Februar 2009“ (im Folgenden „Schweizerische Flüchtlingshilfe“) wird z.B. ausgeführt, dass Personen, die im Ausland einen Asylantrag stellen, von der kubanischen Regierung als Regimekritiker eingestuft werden können und in diesem Fall bei ihrer Rückkehr nach Kuba von willkürlichen staatlichen Repressalien bedroht sind (z.B. Entzug der Lebensmittelmarken, Beschlagnahme von Privatbesitz, erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt).
Die Asylantragstellung allein kann dann zu Problemen beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Sozialleistungen führen, wenn die kubanischen Behörden von der Asylantragstellung erfahren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom März 2017 Ziffer 21 (im Folgenden „Länderinformationsblatt“); Schweizerische Flüchtlingshilfe Ziffer 2).
Jedoch ist bei der Klägerin nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie von solchen Repressalien im Falle ihrer Rückkehr betroffen sein wird. Denn den Quellen lässt sich nicht entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die kubanischen Behörden zu derartigen Repressalien greifen. Die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung reicht für die Annahme einer Rückkehrgefährdung nicht aus.
cc. Dass kubanische Staatsangehörige, die 24 Monate erlaubten Auslandsaufenthalt ohne Verlängerung verstreichen lassen, keine Rückkehrberechtigung mehr erhalten und damit in den Status eines „Emigranten“ (Exilkubaner) wechseln, ist im Asylverfahren unbeachtlich, da der Verlust der Rückkehrberechtigung generell an den Ablauf der Rückkehrfrist und nicht an die in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Merkmale anknüpft (VG Ansbach, U.v. 14.9.2015 – AN 3 K 14.30542).
2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ( § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland ein ernsthafter Schaden in diesem Sinne droht.
3. Auch nationale Abschiebungsverbote sind nicht gegeben.
a. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.
b. Ebenso wenig besteht im Falle der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Kuba eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Ihr erwachsener Sohn, mit dem sie bis zu ihrer Ausreise im Heimatland zusammenlebte, sowie eine ihrer Schwestern leben auf Kuba, so dass sie mit Unterstützungsleistungen seitens der Angehörigen in der Anfangszeit rechnen kann. Auch ist sie als Arbeitsökonomin ausgebildet und verfügt über langjährige Berufserfahrungen, so dass sie sich eine Existenz wieder wird aufbauen können.
4. Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreisesaufforderung unter Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor.
5. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das ihr im Rahmen des § 11 Abs. 1 und 3 AufenthG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, bestehen nicht und wurden von der Klägerin nicht vorgetragen.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.