Aktenzeichen M 12 K 18.5
ZPO § 114
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 3 S. 1, 3, § 25 Abs. 5, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 3, § 54 Abs. 2 Nr. 8 lit. a, lit. b, Nr. 9
AsylG § 30 Abs. 3
Leitsatz
Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ist auch dann nicht mehr gegeben, wenn zwar die besonderen Voraussetzungen eines Anspruchstatbestandes nach dem Aufenthaltsgesetz, jedoch nicht sämtliche anwendbaren allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG erfüllt sind. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … …, … in …, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der am … geborene Kläger ist senegalesischer Staatsangehöriger. Er reiste am 8. Oktober 2013 erstmals in das Bundesgebiet ein und stellte am 23. Oktober 2013 einen Asylantrag.
Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. Februar 2016 wurden die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt, der Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt sowie festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung in den Senegal oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist.
Zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle hat der Kläger am … April 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben (M 16 K 16.30746) sowie einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt (M 16 S 16.30747).
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 wurde der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Aus einem Aktenvermerk der Regierung von O. vom 1. Dezember 2016 geht hervor, dass sich der Kläger geweigert hat, den Antrag auf Passersatzpapierbeschaffung auszufüllen. Er sei darauf hingewiesen worden, dass er mit seiner Weigerung gegen seine Mitwirkungspflichten verstoße mit der Konsequenz, dass eine Mitteilung an das Sozialamt erfolge und Kürzungen seiner Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einträten. Der Kläger habe aggressiv erklärt, dies sei ihm egal. Weiter habe er den Wunsch geäußert, er wolle die ihm in schriftlicher Form ausgehändigten Belehrungen vollständig durchlesen. Beim Lesen sei ihm plötzlich eingefallen, er hätte deutsche Kinder. Auf Nachfrage habe er erklärt, er würde nicht mehr in der Unterkunft wohnen, sondern nur noch in München bei seiner Partnerin, die von ihm schwanger sein solle. Das Kind werde in zwei Monaten auf die Welt kommen. Daraufhin sei der Kläger aufgefordert worden, die Vaterschaftserklärung beim Jugendamt sowie die ärztliche Bescheinigung über den Entbindungstermin unverzüglich vorzulegen.
Aus einem Aktenvermerk der Regierung von O. vom 5. Dezember 2016 geht hervor, dass der Kläger erklärt habe, er habe seiner Partnerin seine aufenthaltsrechtliche Situation geschildert und dass seine Vaterschaftserklärung beim Jugendamt sowie die ärztliche Bescheinigung über den Entbindungstermin erforderlich seien. Aus ihm unerklärlichen Gründen wolle seine Partnerin jedoch nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom … Dezember 2016 hat der Kläger bei der Regierung von O. die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger Vater eines Kindes werde, das zum … Februar 2017 geboren werden solle. Mutter sei Frau … …, die deutsche Staatsbürgerin sei.
Am 7. März 2017 hat der Kläger bei der Regierung von O. vorgesprochen und um Änderung seiner Personalien auf der Duldung gebeten. Sein Vorname sei … und der Nachname … Er benötige die Duldung mit seinen richtigen Personalien für die Vaterschaftsanerkennung.
Mit Schriftsatz vom … März 2017 hat der Klägerbevollmächtigte die Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft vorgelegt.
Mit Schreiben vom 16. März 2017 hat die Regierung von O. die ausländerrechtliche Zuständigkeit auf das Landratsamt F. zurückübertragen. Grund sei, dass gegen den Kläger keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in absehbarer Zeit eingeleitet werden könnten.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom … Juni 2017, rechtskräftigt seit 28. Juni 2017, wurde der Kläger wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen verurteilt. Hintergrund war, dass der Kläger am … März 2017 von einer namentlich nicht näher bekannten Person in … 2,19 Gramm Marihuana zum Preis von 30,- Euro gekauft und übernommen hat. Am selben Tag verkaufte und übergab er hiervon 1,06 Gramm Marihuana für 20,- Euro an einen anderweitig Verfolgten. Dabei plante er, durch den Verkauf des Marihuanas Gewinn zu erzielen.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Mai 2017 wurde das Klageverfahren M 16 K 16.30746 eingestellt.
Mit Schreiben vom … August 2017 hat der Klägerbevollmächtigte beim Landratsamt F. erneut beantragt, diesem eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Mit Schreiben vom 1. September 2017 teilte das Landratsamt F. mit, dass dem Kläger keine Vorabzustimmung zur Wiedereinreise erteilt werden könne. Laut Aktenvermerk des Landratsamts F. vom 4. September 2017 hat Frau … … bei einer Vorsprache erklärt, dass sich der Kläger mehrmals in der Woche um sein Kind kümmere.
Mit Schreiben vom … September 2017 hat der Klägerbevollmächtige gebeten, über den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Weiter hat er beantragt, bis zur Entscheidung über den Antrag die Duldung des Klägers zu verlängern.
Mit Schriftsatz vom … Oktober 2017 hat der Klägerbevollmächtigte beim Bayerischen Verwaltungsgericht München im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt, den Beklagten zu verpflichten, den Aufenthalt des Klägers zu dulden, bis über dessen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs entschieden worden ist (M 12 E 17.4963). Beigefügt war ein Beschluss des Amtsgerichts München, wonach die elterliche Sorge für das am … März 2017 geborene Kind … auf beide Elternteile übertragen wurde sowie eine Vereinbarung in der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts München am … Mai 2017, wonach der Umgang des Klägers mit seinem Kind immer … und … zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr stattfinde. Die Umgangsvereinbarung wurde familiengerichtlich gebilligt.
Mit Schriftsatz vom 7. November 2017 hat der Beklagte im Verfahren M 12 E 17.4963 ausgeführt, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG lägen nicht vor. Mit Bescheid des Bundesamts vom 9. Februar 2016 sei der Asylantrag sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. Die sich hieraus ergebende Wirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG normiere die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Fall eines offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrags. Danach könne außer im Fall eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Zudem erfülle der Kläger nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Er habe sich bereits mit Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht im Besitz eines gültigen, bereits am 31. März 2016 ausgestellten senegalesischen Reisepasses befunden, der vorsätzlich den Behörden unterschlagen worden sei. Somit seien die Ausweisungstatbestände des § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a und b AufenthG erfüllt, da der Kläger explizit mit Belehrung vom 1. Dezember 2016 auf seine Mitwirkungspflicht sowie sich ggf. ergebende Ausweisungsinteressen hingewiesen worden sei. Aufgrund der Straftaten sei auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG erfüllt. Durch sein Verhalten und seine Taten habe der Kläger gezeigt, dass er eine erhebliche kriminelle Energie besitze und sehr bewusst und zielgerichtet handle, um seine Interessen zu verfolgen. Der Kläger erfülle auch nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, weil er ohne das erforderliche Visum für einen längerfristigen Aufenthalt in das Bundesgebiet eingereist sei und die maßgeblichen Angaben nicht bereits im Visumsantrag gemacht worden seien. Gem. § 39 AufenthV sei es in Ausnahmefällen möglich, einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen. Dies setze einen strikten Rechtsanspruch voraus. Gem. § 39 Nr. 5 AufenthV müsse die Abschiebung eines Ausländers ausgesetzt sein und er aufgrund der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben haben. Die bisher von der Ausländerbehörde erteilte Duldung sei lediglich aufgrund der angenommen Passlosigkeit erfolgt. Ungeachtet, ob der Kläger die Voraussetzungen des § 60a AufenthG erfülle, könne er die Aufenthaltserlaubnis auch nicht abweichend von dieser Norm ohne vorherige Ausreise erlangen. Vielmehr habe er während seines Aufenthalts in Deutschland keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben. Ein Rechtsanspruch liege nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Erteilungsvoraussetzungen erfüllt seien und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben habe. Einen solchen Anspruch habe er jedoch nicht erworben, da der Kläger bereits die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfülle. Es könne auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vom Visumerfordernis abgesehen werden. Dies sei nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt seien oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar sei, das Visumverfahren nachzuholen. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Insbesondere lägen keine besonderen Umstände des Einzelfalls vor, die eine Trennung von seinem deutschen Kind zur Nachholung des Visumsverfahrens im Senegal unzumutbar erscheinen ließen. Ein Absehen komme aber ohnehin in pflichtgemäßer Ausübung des eingeräumten Ermessens nicht in Betracht. Die Nachholung des Visumverfahrens sei nicht unzumutbar. Die Nachholung des Visumverfahrens sei sicherlich stets mit gewissen Unannehmlichkeiten verbunden. Hierzu zählten die Vorbereitungen für die Ausreise, der finanzielle Aufwand für die Reise und die Unterbringung im Heimatland. Vornehmlich dürfte die vorübergehende Trennung von seinem deutschen Kind einen gewissen Nachteil für den Kläger bedeuten. Der Trennungszeitraum stelle zwar einen nicht unerheblichen Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützte familiäre Lebensgemeinschaft dar. Eine Unzumutbarkeit ergebe sich aus der verfahrensbedingten Trennung von seinem Kind aber nicht. Der Kläger befinde sich auch nicht in einer Ausnahmesituation, die sich deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheide. Das Visumverfahren sei ein unverzichtbares Steuerungselement des Aufenthaltsrechts, um von staatlicher Seite aus eine rechtliche Prüfung bereits vor einer Einreise in das Bundesgebiet durchführen zu können. Nur so sei es möglich, dass die Bundesrepublik die Zuzugsbewegungen im Interesse aller Beteiligten kontrollieren könne. Deswegen dürfe das Visumverfahren auch grundsätzlich nicht umgangen werden und dessen Einhaltung solle der Regelfall bleiben. Es bestehe insoweit ein beachtlicher öffentlicher Belang. Der Zweck der Nachholung des Visumverfahrens liege vorliegend also im Wesentlichen in der generalpräventiven Abschreckungswirkung mit dem Ziel, den Eindruck zu vermeiden, dass Ausländer ungehindert vollendete Tatsachen schaffen könnten. Es dürfe auch nicht der Eindruck bei anderen Ausländern entstehen, man könne durch Betreiben eines langwierigen Asylverfahrens Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz aussitzen. Die Nachholung des Visumverfahrens nach einem vierjährigen Aufenthalt in Deutschland zum Zweck der Durchführung eines Asylverfahrens sei nicht unverhältnismäßig. Die Nachholung des Visumverfahrens dürfe auch nicht als reine Förmelei abgetan werden. Das Visumverfahren sei die einzige Möglichkeit, um die Zuwanderung regulieren zu können. Der Kläger habe bewusst die Einreisevorschriften umgangen, als er im Oktober 2013 illegal in das Bundesgebiet gelangt sei. Die Nachholung des Visumverfahrens diene dazu, rechtmäßige Zustände herzustellen und sei auch geeignet, um den erläuterten Zweck zu erreichen. Der Kläger sei im Besitz eines gültigen senegalesischen Reisepasses und könne somit jederzeit in sein Heimatland zurückkehren. Es dürfe auch nicht verkannt werden, dass es sich bei der Rückkehr nach Senegal nicht um eine dauerhafte Verlegung des Lebensmittelpunktes handle, sondern lediglich um einen im Regelfall überschaubaren Aufenthalt für die Dauer des Visumverfahrens bei der deutschen Auslandsvertretung. Bei gezielter Organisation der Reise im Vorfeld könne der Aufenthalt im Senegal auf einen zumutbaren Zeitraum reduziert werden. Die Nachholung sei auch erforderlich, da kein milderes Mittel ersichtlich sei, das den Kläger weniger beeinträchtigen würde und den verfolgten Zweck genauso effektiv zu erreichen im Stande sei. Der durch die Maßnahme zu erwartende Schaden stehe auch nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg. Im Ergebnis sei die Nachholung des Visumverfahrens also auch angemessen. Angesichts der vorliegenden Ausweisungsinteressen würde auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht in Frage kommen. Da der Kläger wiederholt erklärt habe, nicht freiwillig ausreisen zu wollen, komme zum Vollzug der Ausreisepflicht nur eine Abschiebung in Betracht. Duldungsgründe gem. § 60a Abs. 2 AufenthG lägen nicht vor, da die Anerkennung der Vaterschaft aus Sicht des Landratsamts F. missbräuchlich i.S.d. § 1597a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB erfolgt sei und die Vermutung der Missbräuchlichkeit nicht habe widerlegt habe werden können.
Nach einem richterlichem Hinweis hat der Beklagte mit Schreiben vom 16. November 2017 mitgeteilt, dass dem Kläger eine Duldung aus familiären Gründen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG für jeweils drei Monate erteilt werde.
Mit E-Mail vom 21. November 2017 teilte der Beklagte dem Klägerbevollmächtigten mit, dass aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts München dem Kläger künftig eine für jeweils drei Monate gültige Duldung erteilt werde. Der Kläger sei jedoch nach wie vor vollziehbar ausreisepflichtig und die Thematik einer Ausreise keineswegs erledigt. Seitens des VG sei bereits signalisiert worden, dass ein Anspruch auf Duldung nicht bestanden hätte, wäre das Kind schon etwas älter gewesen. Aufgrund der Vorenthaltung des Reisepasses werde keine Beschäftigungserlaubnis erfolgen. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entfalte keine Fiktionswirkung, weshalb von einer Verbescheidung Abstand genommen werde. Im Übrigen wäre der Antrag aufgrund der vorliegenden Ausweisungsinteressen des § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a und b sowie Nr. 9 AufenthG ohnehin abzulehnen, da somit der erforderliche strikte Rechtsanspruch für ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG nicht gegeben wäre.
Das Verfahren M 12 E 17.4963 wurde nach übereinstimmender Erledigterklärung mit Beschluss vom 30. November 2017 eingestellt.
Mit Schriftsatz vom … Dezember 2017 hat der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag des Klägers auf Familiennachzug zu entscheiden und diesem eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu erteilen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei Vater des am … März 2017 geborenen Kindes … Mutter des Kindes sei Frau … Sowohl Mutter als auch Kind hätten die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Kläger habe die Vaterschaft anerkannt und durch Beschluss des Amtsgerichts München vom … Mai 2017 sei ihm die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind übertragen worden. Gleichzeitig sei eine Umgangsvereinbarung getroffen worden, wonach der Kläger immer … und … zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr Umgang mit dem Kind habe. Der Kläger sehe das Kind seither immer in diesen Zeiten. Er sei im Besitz eines Reisepasses, der sich beim Landratsamt F. befinde. Am … August 2017 sei beim Landratsamt F. ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gestellt worden. Aufgrund eines Verfahrens nach § 123 VwGO sei dem Kläger eine jeweils dreimonatige Duldung erteilt worden. Eine Arbeitsaufnahme sei dem Kläger jedoch nicht gestattet worden, so dass er auch nicht für den Unterhalt des Kindes sorgen könne. Die Erhebung der Klage im Wege der Untätigkeitsklage sei notwendig, da der Beklagte angekündigt habe, dem Kläger keine Aufenthaltserlaubnis und auch keine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Mit E-Mail vom 21. November 2017 sei mitgeteilt worden, dass der Beklagte der Ansicht sei, dass der Kläger nach wie vor vollziehbar ausreisepflichtig sei. Eine Beschäftigungserlaubnis werde nicht erfolgen. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entfalte keine Fiktionswirkung und werde deshalb nicht verbeschieden. Demnach rechtfertige sich die Erhebung der Klage.
Gleichzeitig hat der Klägerbevollmächtigte beantragt,
dem Kläger Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen.
Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018 hat der Beklagte beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf die Stellungnahme im Verfahren nach § 123 VwGO verwiesen und im Übrigen im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs vom … Dezember 2016 entfalte keine Fiktionswirkung. Von einer Verbescheidung des gestellten Antrags werde daher Abstand genommen, da eine entsprechende Entscheidung im Rahmen des nachzuholenden Visumverfahrens getroffen werden könne. Bei der summarischen Würdigung der Gesamtumstände sei insbesondere zu berücksichtigen, dass u.a. aufgrund der Straftat des Klägers auch ein Ausweisungsinteresse gegeben sei. Ferner werde es für zumutbar gehalten, dass der Kläger ausreise und ein ordnungsgemäßes Visumverfahren beantrage. Bei entsprechender Planung und Organisation werde sich der Auslandsaufenthalt in möglicherweise sehr kurzem Rahmen bewegen. Dem bereits vollziehbar ausreisepflichtigen Kläger solle nicht die Möglichkeit gegeben werden, durch ein offensichtlich erfolgloses Antragsverfahren eine weitere Klagemöglichkeit eröffnet zu bekommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält auf Antrag diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu gewähren, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs.
Für die Rechtsverfolgung des Klägers besteht nach summarischer Prüfung vorliegend keine hinreichende Erfolgsaussicht.
Die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage ist zwar zulässig, da der Beklagte ohne zureichenden Grund in angemessener Frist über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom … Dezember 2016 bzw. … August 2017 sachlich nicht entschieden hat (§ 75 Satz 1 VwGO). Dass der Beklagte der Auffassung ist, dass der Antrag des Klägers keine Fiktionswirkung nach § 81 AufenthG ausgelöst hat, stellt keinen sachlichen Grund dafür dar, den Antrag nicht in angemessener Frist zu verbescheiden. Auch ein Verweis auf eine Verbescheidung im Visumverfahren geht fehl. Die Frage, ob der Kläger ausreisen und ein Visumverfahren durchführen muss oder ihm im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, ist gerade klärungsbedürftig. Zudem ist jeder nicht rechtsmissbräuchliche Antrag auch zu verbescheiden. Sofern der Beklagte nach rechtlicher Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat, hat er den Antrag schlicht abzulehnen.
Der Kläger hat nach summarischer Prüfung aber keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG steht § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Der Asylantrag des Klägers wurde mit Bescheid des Bundesamts vom 9. Februar 2016 unanfechtbar abgelehnt, nachdem das Klageverfahren (M 16 K 16.30746) mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Mai 2017 eingestellt wurde. Außerdem findet sich § 28 AufenthG im Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes.
Die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist vorliegend auch nicht gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ausgeschlossen. Danach findet Satz 1 im Fall eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung. Zwar ist gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Der Kläger ist Vater eines minderjährigen deutschen Kindes, das sich im Bundesgebiet aufhält und für das ihm nach dem Beschluss des Amtsgerichts München vom … März 2017 die gemeinsame elterliche Sorge übertragen wurde. Er erfüllt damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht jedoch nur bei einem strikten Rechtsanspruch, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und bei dem alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (BVerwG, U.v. 16.12.2008 – 1 C 37/07 – juris). Ein Anspruch i.d.S. ist daher auch dann nicht mehr gegeben, wenn zwar die besonderen Voraussetzungen eines Anspruchstatbestands nach dem Aufenthaltsgesetz (wie hier des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG), jedoch nicht sämtliche anwendbaren allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG erfüllt sind (Maor in BeckOK AuslR, Stand: 1.2.2018, § 10 AufenthG Rn. 11 – beckonline m.w.N.).
Der Kläger erfüllt schon nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, da schwerwiegende Ausweisungsinteressen gem. § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a und b und Nr. 9 AufenthG bestehen. Auf § 5 Abs. 2 AufenthG kommt es daher nicht mehr an.
Der Kläger hat sich trotz Rechtspflicht und entsprechender Belehrung geweigert, an der Passersatzpapierbeschaffung mitzuwirken, wodurch er ein Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b AufenthG verwirklicht hat. Darüber hinaus hat der Kläger mehrfach (z.B. am 30.12.2016 und 7.2.2017) gegenüber der Regierung von O. erklärt, nicht im Besitz eines Reisepasses oder Passersatzes zu sein. In Wirklichkeit wurde ihm bereits am 31. März 2016 ein bis 30. März 2021 gültiger senegalesischer Reisepass ausgestellt. Der Kläger hat daher falsche Angaben zur Erlangung der Aussetzung der Abschiebung gemacht und somit auch das Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG verwirklicht. Das Ausweisungsinteresse ist auch noch aktuell, da die Ausländerbehörden auf wahrheitsgemäße Angaben und die Mitwirkung der Ausländer angewiesen sind und angesichts des vom Kläger in der Vergangenheit an den Tag gelegten Verhaltens davon ausgegangen werden muss, dass er wiederum unzutreffende Angaben machen bzw. seine Mitwirkung verweigern wird, wenn er sich dadurch einen persönlichen Vorteil zu verschaffen glaubt.
Zudem besteht ein Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG, da der Kläger nicht nur einen vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Der Kläger wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom … Juni 2017 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Vorsätzliche Straftaten stellen in der Regel keine geringfügigen Verstöße dar, es sei denn, das Strafverfahren ist wegen Geringfügigkeit eingestellt worden (BVerwG, U.v. 24.9.1996 – 1 C 9/94 – juris). Gründe für ein Abweichen von der Regel sind vorliegend nicht ersichtlich. Zudem handelt es sich hierbei nicht um einen vereinzelten Verstoß, nachdem der Kläger durch seine unrichtigen Angaben zur Erlangung einer Duldung (s.o.) den Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verwirklicht hat.
Mangels Erfüllung der anwendbaren Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG besteht daher kein strikter Rechtsanspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG, so dass § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG entgegensteht.
Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG besteht nicht. Zwar steht dem § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht entgegen, da dieser Aufenthaltstitel nach Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt. Der Erteilung steht jedoch § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen. Danach darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3
Nrn. 1 bis 6 AsylG abgelehnt wurde. Ausweislich des Bescheids des Bundesamts vom 9. Februar 2016 wurde der Asylantrag des Klägers gem. § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
Die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist vorliegend nicht gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ausgeschlossen. § 25 Abs. 5 AufenthG vermittelt schon keinen strikten Rechtsanspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist eine Ermessensvorschrift. Selbst bei einer Ermessensreduzierung auf null bestünde kein gesetzlicher Anspruch (Maor in BeckOK AuslR, a.a.O. § 10 AufenthG Rn. 6). Bei § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG, dessen Tatbestandsvoraussetzungen ohnehin derzeit nicht vorliegen, da die Abschiebung des Klägers noch nicht seit 18 Monaten ausgesetzt ist, handelt es sich um eine Soll-Vorschrift, die selbst dann keinen Rechtsanspruch vermittelt, wenn kein atypischer Fall vorliegt. Bei einer „Soll“-Regelung fehlt es an einer abschließenden abstraktgenerellen, die Verwaltung bindenden Entscheidung des Gesetzgebers (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 10 AufenthG Rn. 14). Im Übrigen steht auch das bestehende Ausweisungsinteresse einem Rechtsanspruch entgegen (s.o.).
Mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ZPO ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen. Damit besteht auch keine Grundlage für eine Beiordnung des benannten Rechtsanwalts gem. § 166 VwGO i.V.m. § 121 ZPO.