Verwaltungsrecht

Keine Aussetzung der Abschiebung – Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes liegen nicht vor

Aktenzeichen  M 28 S 17.37080

Datum:
16.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143096
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 36
AsylG § 30 Abs. 1 u Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben reiste er im Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 8. Juli 2013 stellte er einen Asylantrag.
Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 4. November 2016 gab der Antragsteller zur Begründung seines Asylantrags im Wesentlichen an, dass er sein Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Er habe auch an den Wochenenden als Schlachthelfer gearbeitet und das Geld nicht seinem Chef gegeben, sondern es genutzt, um den Bus nach Marokko zu bezahlen. Auf Nachfrage des Bundesamtes, ob ihm in seinem Heimatland jemals etwas Schlimmes zugestoßen sei, antwortete der Antragsteller, er habe nur ein paar Probleme mit seiner Familie gehabt, in Afrika würden sich die Leute nicht mögen, ihm seien da ein paar komische Sachen passiert. Auf erneute Nachfrage des Bundesamtes gab der Antragsteller an, er habe Angst vor Voodoo, das würde der Mitarbeiter des Bundesamtes aber nicht verstehen. Sein Opa habe mit dem Meer gesprochen. Weiter konkretisierte er diese Angaben nicht.
Mit Bescheid vom 6. April 2017, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) sowie auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) jeweils als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls werde er abgeschoben (Ziffer 5.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6.).
Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt:
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor. Aus dem Sachvortrag des Antragstellers sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung, noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Das Vorbringen des Antragstellers stütze sich nur auf wirtschaftliche Gründe. Zwar habe der Antragsteller familiäre Probleme wegen Voodoos angesprochen, wollte diese aber nicht weiter ausführen. Jedoch seien nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts München (Beschluss v. 14.05.2014 – M 21 S 14.30667-) im Aberglauben wurzelnde Bedrohungen keine asylrelevanten Verfolgungs-oder Gefährdungstatbestände. Der Antragsteller habe keine Gefahren im Sinne des § 4 AsylG geltend gemacht. Die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter lägen somit nach Ablehnung des internationalen Schutzes offensichtlich auch nicht vor.
Abschiebeverbote lägen nicht vor. Hinsichtlich des § 60 Abs. 5 AufenthG komme in erster Linie eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht. In Bezug auf Gefahren einer Verletzung des Art. 3 EMRK, die individuell durch einen konkret handelnden Täter drohten, sei keine andere Bewertung als bei der Prüfung des subsidiären Schutzes denkbar. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Nigeria führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Antragsteller sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich.
Der Antragsteller sei ein junger, gesunder Mann, der zwölf Jahre die Schule besucht habe und als Straßenhändler Berufserfahrung sammeln konnte. Diese Tätigkeit könne er in Nigeria wieder aufnehmen. Weiter verfüge er nach eigenen Angaben in Nigeria über drei Onkel und vier Tanten, die ihn unterstützen könnten.
Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde.
Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte am 11. April 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte, den Bescheid des Bundesamtes vom 6. April 2017 aufzuheben sowie die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass er asylberechtigt sei, die Flüchtlingseigenschaft bei ihm vorliege, der subsidiäre Schutzstatus bei ihm vorliege und Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 und 7 AufenthG bei ihm vorlägen. Diese Klage, über die noch nicht entschieden ist, wurde zunächst unter dem Aktenzeichen M 21 K 17.37079 und wird nunmehr unter dem Aktenzeichen M 28 K 17.37079 geführt. Ferner ließ er ebenfalls am 11. April 2017 sinngemäß beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Am 10. April 2017 legte das Bundesamt dem Gericht seine Akten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG), jedoch unbegründet.
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 194). Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffen Bescheids vom 24. Februar 2017. Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt hat. Dem Antragsteller droht offensichtlich weder im Hinblick auf die allgemeine Situation in Nigeria noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine asylerhebliche Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts 6. April 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Nur ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
Die Andeutungen des Antragsstellers bei seiner Anhörung beim Bundesamt bezüglich Erfahrungen mit Voodoo sind schon viel zu vage und knapp gehalten, als dass sie in irgendeiner Form Berücksichtigung bei der Entscheidung finden konnten. Eine Gefährdung des Antragstellers, ja schon eine ernst zu nehmende subjektive Furcht ist aus seinen Angaben nicht zu erkennen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob eine solche rechtlich überhaupt zu berücksichtigen wäre, wie das Bundesamt in seinem Bescheid ausführt.
In Bezug auf die wirtschaftliche Lage des Antragstellers und die Möglichkeit nach seiner Rückkehr in sein Heimatland ein -wenn auch wohl geringesAuskommen zu haben, ist darauf hinzuweisen, dass er immerhin die nach seiner Auskunft 800 Euro teure Ausreise (durch einen Neben-/Zusatzjob) finanzieren konnte.
Nach alldem war der gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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