Verwaltungsrecht

Keine Aussetzung der Aufschiebung wegen Fehlern eines Offensichtlichkeitsurteils

Aktenzeichen  AN 3 S 16.32497

Datum:
28.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 36 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Eine Aussetzung der Abschiebung wird nicht angeordnet, wenn keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Offensichtlichkeitsurteils bestehen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung werden abgelehnt.
3. Der Gegenstandswert beträgt 3.500,00 EUR.

Gründe

I.
Die Antragsteller reisten nach eigenen Angaben am 31. Juni 2015 auf bislang ungeklärtem Weg in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 7. Oktober 2015 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Die Antragstellerin zu 1) wurde nach eigenen Angaben … in …, heutiges Eritrea, damals äthiopisches Staatsgebiet als Kind eines eritreischen Vaters und einer äthiopischen Mutter geboren, der Antragsteller zu 2) wurde nach Angaben seiner Mutter entweder in … oder in …, Sudan geboren. Die Antragstellerin zu 3) wurde am … in … geboren.
Nach Angaben der Antragstellervertreterin ist das Asylverfahren des Vaters der Antragstellerin zu 3) und des mit der Antragstellerin zu 1) traditionell verheirateten Mannes unter dem Aktenzeichen … anhängig. Dieser ist nach Angaben der Antragstellerin zu 1) eritreischer Staatsangehöriger.
In der Anhörung vor dem Bundesamt … am 21. September 2016 erklärte die Antragstellerin zu 1), sie habe sich unmittelbar vor ihrer Ausreise in Äthiopien in … aufgehalten. Sie habe sich dort jedoch nur drei Monate aufgehalten, da sie dann erfahren habe, dass sie Menschen, die sich dort ohne gültige Papiere aufhielten, als Terroristen betrachten und verhaften würden. Sie habe damals auch erfahren, dass in Libyen 20 Äthiopier christlichen Glaubens enthauptet worden seien. Deswegen sei sie nicht nach Libyen gereist, obwohl dies ursprünglich ihre Absicht gewesen sei. Ihr Mann habe die Ausreise finanziert. Sie befürchte für den Fall ihrer Rückkehr nach Äthiopien, dort inhaftiert zu werden. Nach Äthiopien sei sie aus dem Sudan kommend wieder gereist, da sie dort habe arbeiten wollen. Im Sudan habe sie sich illegal aufgehalten und die Polizisten dort hätten zu viel Bestechungsgeld verlangt.
Ihr größtes Problem sei, dass sie aus ihrer Geburtsstadt keine Papiere mitgebracht hätte. Sie habe keine Geburtsurkunde vorzeigen können, um in Äthiopien irgendwelche Personalpapiere erhalten zu können. Deshalb habe sie aus Äthiopien fliehen müssen. Sie können nirgendwo beweisen, wo sie herkomme. In Äthiopien habe sie die Auskunft erhalten, dass sie Papiere erhalten könnte, wenn sie aus Eritrea einen Ausweis vorzeigen könne. Da dies nicht der Fall gewesen sei, hätte sie keine Papiere in Äthiopien erhalten. Sie habe in Äthiopien leben wollen, weil ihre Mutter Äthiopierin gewesen sei. Sie gab an, dass sie wolle, dass ihre Kinder die Schule besuchen. Sie würde alles tun, dass sie das schaffen, was sie selbst nicht geschafft habe. Sie wünsche sich, dass die Kinder einen Ort hätten, zu dem sie gehörten.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2016, der ohne Zustellnachweis an die Antragstellerin zu 1) zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Asylanträge und die Anträge auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz nicht vorliegen, drohte den Antragstellern die Abschiebung nach Äthiopien oder in anderen zur Rückübernahme bereiten oderverpflichteten Staat an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Antragsteller seien offensichtlich keine Flüchtlinge im Sinne des § 3 AsylG. Der von den Antragstellern geschilderte Generalverdacht des „Terrorismus“ durch den äthiopischen Staat sei insgesamt zu vage, detailarm und unsubstantiiert. Es sei menschlich nicht nachvollziehbar, dass die Antragsteller trotz eines solchen subjektiv entstandenen Verfolgungsdrucks nach der Ausreise in den Sudan erneut nach Äthiopien zurückgekehrt seien. Auch die Begründung, dass die Antragsteller im Zusammenhang mit der Enthauptung von 20 Äthiopierin in Libyen und den fehlenden Identitätsnachweisen vom äthiopischen Staat unter einem allgemeinen Terrorismusverdacht gestanden hätten, sei insgesamt zu abstrakt geschildert. Ein individuelles Verfolgungsschicksal oder ein Zusammenhang mit dem vorgetragenen Verfolgungsdruck könne in keinster Weise hergestellt werden. Konkrete Bedrohungen während ihres Aufenthaltes in Äthiopien seien nicht erkennbar. Außerdem sei es den Antragstellern möglich, sich an einem anderen Ort in Äthiopien niederzulassen.
In der Begründung des Bescheides ging das Bundesamt von der äthiopischen Staatsangehörigkeit der Antragsteller aus. In den Akten (Blatt 59) findet sich ein Vermerk vom 26. September 2016, wonach die Antragstellerin zu 1) angegeben habe, sie sei eritreische Staatsangehörige. Dagegen sprächen jedoch die von der Antragstellerin während der Anhörung gemachten Aussagen. Zum Zeitpunkt ihrer Geburt habe die Stadt … zu äthiopischem Staatsgebiet gehört. Die Antragstellerin habe die meiste Zeit bis zu ihrer Ausreise in Äthiopien gelebt und sei dorthin vor ihrer Ausreise noch einmal zurückgekehrt. Sie habe sich während der Anhörung wiederholt bei der Angabe ihres Herkunftslandes versprochen. Diese Tatsachen sprächen dafür, dass die Antragstellerin zu 1) keine eritreische Staatsangehörige sei.
Mit am 21. Dezember 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz ließen die Antragsteller durch ihre Prozessbevollmächtigten Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben (AN 3 K 16.32498).
Gleichzeitig beantragten sie,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides ausgesprochene Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Zur Begründung wird geltend gemacht, die Offensichtlichkeitsentscheidung sei vorliegend nicht gerechtfertigt. Eine eindeutige Aussichtslosigkeit sei dann nicht gegeben, wenn die auf den Fall des Antragstellers passende Rechtsprechung nicht eindeutig sei. Vorliegend habe die Antragstellerin zu 1) bereits bei ihrer Einreise angegeben, dass sie im ehemaligen Eritrea geboren sei. Sie habe in Äthiopien keinerlei Personaldokumente beantragen können, da von ihr ein Geburtsnachweis verlangt worden sei, den sie nicht habe erbringen können. Sie sei mit Eintritt der Unabhängigkeit Eritreas am 24. Mai 1993 eritreische Staatsangehörige geworden, ohne dass es hierzu eines Einbürgerungsaktes oder der Verleihung der eritreischen Staatsangehörigkeit bedurft hätte. Die Antragstellerin könne auch nicht nachträglich die äthiopische Staatsangehörigkeit durch die Wiedereinsetzung halten. Denn die Möglichkeit der Wiedereinsetzung der Staatsbürgerschaft sei daran geknüpft, dass die Person ihren Wohnsitz in Äthiopien habe und seit der Unabhängigkeit Eritreas im Jahr 1993 ununterbrochen in Äthiopien lebe. Die Antragstellerin könne nur illegal in Äthiopien leben und sich nach dem äthiopischen Recht strafbar machen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sich der Vater der Antragstellerin zu 3) derzeit in Deutschland im Asylverfahren befinde. Ein entsprechender Umverteilungsantrag sei gestellt worden. Hier sei auf die Belange der Familie Rücksicht zu nehmen.
Die Beklagte hat bislang keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Anträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die (gemäß § 75 VwGO ausgeschlossene) aufschiebende Wirkung der Klagen gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 15. Dezember 2016 anzuordnen, sind zulässig, aber unbegründet.
Die Anträge haben keinen Erfolg, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Aus den Gründen des Bescheides muss sich dabei klar ergeben, weshalb das Bundesamt zu dem Ergebnis kommt, dass die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf Asylanerkennung nicht nur schlicht, sondern offensichtlich unbegründet sind. Ferner dürfen keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, dass kein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes besteht und nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (vgl. BVerfG, U.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris m. w. N.).
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil oder an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Übrigen bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG a. a. O.). Von einem Standhalten ist demnach auszugehen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Gemessen an diesen Erwägungen bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel, auch nicht im Hinblick auf das ausgesprochene Offensichtlichkeitsurteil. Insoweit nimmt das Gericht auf die Begründung des Bescheides Bezug, § 77 Abs. 2 AsylG.
Das Vorbringen der Antragstellerin zu 1) ist unter keinem Gesichtspunkt geeignet, eine Zuerkennung des Asylanspruchs, der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes zu begründen. Welche Staatsangehörigkeit sie besitzt, ist für das Zielland der ausgesprochenen Abschiebungsandrohung nicht entscheidend (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 2016, Rn. 31 zu § 59 AufenthG). Zudem hat die Antragstellerin zu 1) nicht im erforderlichen Umfang ihre eritreische Staatsangehörigkeit nachgewiesen oder jedenfalls glaubhaft gemacht und damit gegen ihre Mitwirkungspflichten aus § 15 Abs. 1 AsylG verstoßen. Sie hat auch nicht erklärt, wie sie ohne die erforderlichen Papiere in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein will. Es ist nicht Aufgabe des Bundesamtes, die Staatsangehörigkeit des Antragstellers nachzuweisen.
Nachdem erhebliche Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Antragstellerin, auch wenn sie 1990 im heutigen Eritrea geboren wurde, die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzt, da sie nicht vorgetragen hat, kraft Abstammung die eritreische Staatsangehörigkeit erworben (vgl. Art. 2 Abs. 1 der Eritrean Nationality Proclamation No. 21/1992) bzw. sich um den Erhalt der eritreischen Staatsangehörigkeit im Rahmen eines dauerhaften Aufenthalts dort nach 1993 bemüht zu haben, ist ihr Vorbringen bezüglich fehlender Personaldokumente bereits unglaubhaft. Auch erreichen die von ihr geschilderten Probleme wegen der fehlenden Papiere in Äthiopien nicht die erforderliche Eingriffsintensität.
Vielmehr gab die Antragstellerin zu 1) in der Anhörung vor dem Bundesamt an, sie wolle für ihre Kinder eine gute Schulbildung erreichen. Dieses Vorbringen spricht für asylfremde Motive für die Ausreise aus Äthiopien, wo sie sich nach ihrem Vorbringen bis zuletzt aufhielt.
Demnach bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass die auf § 30 Abs. 1 bzw. 2 AsylG gestützte Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamtes zu Recht ergangen ist.
Nachdem auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG bzw. des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG keine Anhaltspunkte vorgetragen wurden und auch sonst nicht ersichtlich sind, war der Antrag abzulehnen. Dass das Verfahren des Vaters der Antragstellerin zu 3) in Deutschland anhängig ist, ist für die Entscheidung über den Asylanspruch nicht relevant, da in diesem Rahmen nur geprüft wird, ob zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen.
III.
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe waren abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO nicht erfüllt sind, nachdem keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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