Verwaltungsrecht

Keine Befreiung der Rundfunkbeitragspflicht bei Verzicht eines Rundfunkbeitragsschuldners auf staatliche Sozialleistung

Aktenzeichen  M 6 K 15.5329

Datum:
27.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 4 Abs. 1, Abs. 6 S. 1
VwGO VwGO § 84 Abs. 1 S. 1 u. 2, § 88

 

Leitsatz

1. Verzichtet ein Rundfunkbeitragsschuldner darauf, eine staatliche Sozialleistung im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV im dafür vorgesehenen ordentlichen Verwaltungsverfahren überhaupt zu beantragen, kann er keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV wegen eines besonderen Härtefalls beanspruchen mit der Begründung, er stehe einem Empfänger jener Sozialleistung, die er nicht beantragt, im Falle der Antragstellung aber erhalten müsse, hinsichtlich seiner Bedürftigkeit gleich. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Nach Anhörung der Beteiligten konnte das Gericht im vorliegenden Fall gemäß § 84 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Die erkennende Kammer legt das klägerische Begehren nach § 88 VwGO dahin aus, dass der Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 7. Juli 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2015 vom Beklagten von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden beantragt. Denn eine Klage isoliert gegen den Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2015 wäre bereits unzulässig, § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwGO. Aus dem weiteren Schriftsatz des Klägers vom … Dezember 2015 ist sein eigentliches Begehren aber hinreichend deutlich erkennbar.
Die so zulässige Verpflichtungsklage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch nach § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag -RBStV – oder § 4 Abs. 6 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden, § 113 Abs. 5 VwGO.
Zur Begründung wird – insbesondere was die Unmöglichkeit einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aufgrund einer Schwerbehinderung (außer nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV) anbelangt – zunächst auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2015 und in dessen Klageerwiderung vom 11. Dezember 2015 verwiesen, denen die erkennende Kammer folgt.
Zur Frage der Möglichkeit einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht bei Verzicht auf Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV hat die Kammer 6 des Bayerischen Verwaltungsgerichts München jüngst in einem Urteil vom 4. Mai 2016 (M 6 K 16.652) folgende Ausführungen gemacht, denen der hier entscheidende Einzelrichter dieser Kammer folgt:
„2. Der Kläger hat keinen Anspruch, vom Beklagten auf seine o.g. Anträge hin von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden, und zwar weder nach § 4 Abs. 1 RBStV noch nach der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 RBStV.
2.1 Unstreitig liegt keiner der in § 4 Abs. 1 RBStV normierten Befreiungstatbestände beim Kläger vor. Aus seinem gesamten Vorbringen geht vielmehr eindeutig hervor, dass er insbesondere einen Antrag auf Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 RBStV (Arbeitslosengeld II) wegen der damit verbundenen Umstände schon gar nicht stellen möchte.
2.2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des gesetzlich normierten besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 RBStV liegen beim Kläger auch nicht vor.
Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV hat die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1 in besonderen Härtefälle auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Ein Härtefall liegt nach § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten.
Mit dieser Regelung eines gesetzlich normierten besonderen Härtefalls wurde für das Rundfunkbeitragsrecht den Vorgaben der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherung des Existenzminimums im Hinblick auf Rundfunkgebühren Rechnung getragen (B. v. 30.11.2011 – 1 BvR 3269/08, 1 BvR 656/10).
Diese Fallkonstellation wird vom Kläger jedoch offensichtlich nicht geltend gemacht. Er selbst wies darauf hin, dass es bei ihm nicht um eine entsprechende Überschreitung einer Bedarfsgrenze, sondern um deren Unterschreitung gehe.
2.3 Der Kläger hat jedoch auch keinen Anspruch, wegen des Vorliegens eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV befreit zu werden.
Verzichtet ein Rundfunkbeitragsschuldner darauf, eine staatliche Sozialleistung im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV im dafür vorgesehenen ordentlichen Verwaltungsverfahren überhaupt zu beantragen, kann er keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV wegen eines besonderen Härtefalls beanspruchen mit der Begründung, er stehe einem Empfänger jener Sozialleistung, die er nicht beantragt, im Falle der Antragstellung aber erhalten müsse, hinsichtlich seiner Bedürftigkeit gleich. § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV ist insoweit kein Auffangtatbestand mit einem doch wieder gesonderten Überprüfungsverfahren durch die Rundfunkanstalten nach eigenen Regeln (wie es der Kläger anscheinend für sich fordert). Vielmehr entfalten die in § 4 Abs. 1 RBStV abschließend normierten Tatbestände insoweit eine Sperrwirkung.
Es stellt sich ohnehin schon die Frage, ob überhaupt ein besonderer Härtefall vorliegen kann, wenn ein Betroffener auf ihm an sich zustehende staatliche Sozialleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV – die dann auch zu einer Befreiung führen würden – verzichtet, weil er seinen Lebensunterhalt offensichtlich aus den ihm ansonsten zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln (Einkommen und /oder Vermögen) bestreiten kann und will.
Jedenfalls stellt es sich – wie schon im Urteil vom 26. Februar 2015 im Verfahren M 6a K 14.877 ausgeführt (Seite 14/15) – bei genauer Betrachtung zumindest als in sich inkonsequent dar, auf beanspruchbare Sozialleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV zu verzichten, dennoch aber die Sozialleistung der Rundfunkbeitragsbefreiung – auf Kosten der übrigen Beitragszahler – in Anspruch nehmen zu wollen. Denn auch die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ist letztlich nichts anderes als eine Sozialleistung, lediglich dergestalt, dass ein Betroffener nicht Geld erhält, sondern eben keines zahlen muss.
2.4 Der Kläger ist daher von Rechts wegen darauf zu verweisen, beim Jobcenter A. einen regulären Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld II im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 RBStV, alternativ einen Antrag auf Bewilligung einer der anderen in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Leistungen bei der dafür zuständigen Sozialbehörde, zu stellen. Wird ihm solches dann nach vollständiger Durchführung des hierfür vorgesehenen Verfahrens bewilligt, ist er „Empfänger“ im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV und als solcher von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
Allein diese Vorgehensweise stellt sicher, dass dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen wird, dass ausschließlich die zuständigen Sozialleistungsbehörden – und nicht doch wieder die Rundfunkanstalten – insoweit entscheidungsbefugt sein sollen. Denn nur diesen stehen die rechtlichen Grundlagen zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, ggf. inklusive entsprechender Sanktionsmöglichkeiten etwa bei unzutreffenden Angaben, zur Verfügung.
Eine bloße Ausstellung von Bescheinigungen solcher Behörden aufgrund nur summarischer und vor allem nicht rechtsförmlicher Prüfung der Einkommens- und /oder Vermögenslage der Betreffenden, u.U. noch lediglich anhand von diesen selektiv vorgelegten Unterlagen, trägt dem nicht ausreichend Rechnung, zumal es keinerlei rechtlich normierte Vorgaben über den Inhalt solcher Bescheinigungen und ein hierfür durchzuführendes Prüfverfahren gibt. So würde erneut Rechtsunsicherheit und Rechtsstreit anstelle von Rechtssicherheit und -klarheit entstehen.
Ob sich ein Betroffener dann nach Bewilligung eine Leistung im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV tatsächlich auch auszahlen lässt oder aber darauf verzichtet, ist allein seine Angelegenheit. Insbesondere wäre er über seine Motive hierfür gegenüber einer Rundfunkanstalt wiederum keine Rechenschaft schuldig.
Die Motivation des Klägers hingegen, sich um seiner freiheitlichen Lebensführung willen nicht den rechtlichen Anforderungen eines Antragsverfahrens zur Bewilligung von Sozialleistungen unterwerfen zu wollen, ist rechtlich nicht schützenswert. Er kann insbesondere keine rechtliche Gleichstellung mit denjenigen verlangen, die dies zu tun bereit sind und entsprechend danach handeln.“
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO analog nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 84 und 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
mündliche Verhandlung beantragen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

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