Aktenzeichen M 11 S 16.35935
Leitsatz
Die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge in Italien stellen sich nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK dar, sodass keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Italien vorliegen.(Rn. 13 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragspartei trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragspartei begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für … (im Folgenden: Bundesamt).
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2016 entschied das Bundesamt über den Asylantrag der Antragspartei. Danach wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Weiterhin wurde die Antragspartei aufgefordert, die … innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte die Antragspartei die Ausreisefrist nicht einhalten, werde sie nach Italien oder in einen anderen Staat abgeschoben, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. Die Antragspartei dürfe nicht nach Somalia abgeschoben werden. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Begründet wurde die Entscheidung u.a. damit, dass der Antragspartei in Italien internationaler Schutz gewährt worden sei.
Am 21. Dezember 2016 wurde Klage erhoben und beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Es wurde ausgeführt, die Antragspartei finde in Italien keine Arbeit. Der Zugang zu medizinischer Versorgung bleibe verschlossen. Es liege ein Abschiebehindernis nach § 60 Absatz 5 AufenthG vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Eilantrag ist zwar zulässig, aber jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO liegen nicht vor.
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 36 Ansatz 4 Satz 1 AsylG).
Die Androhung der Abschiebung nach Italien auf der Grundlage von § 35 AsylG begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach dieser Vorschrift droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.
Hier liegt ein Fall von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nummer 2 AsylG gewährt hat.
Die Antragspartei hat in Italien internationalen Schutz erhalten („refugee status“).
Es liegen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Italien vor (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG).
Der Antragspartei droht in Italien weder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK noch eine sonstige konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach der Rechtsprechung des OVG NRW stellen sich die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge in Italien nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK dar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien grundsätzlich italienischen Staatsbürgern gleichgestellt sind und erforderlichenfalls staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten. (Vgl. OVG NRW, Urteile vom 24. August 2016 – 13 A 63/16.A -, juris, Rn. 51ff., und vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 89ff; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. November 2016 – 12 L 3530/16.A, juris.)
Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Es liegen keine individuellen Gründe vor, die auf eine Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK schließen lassen.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bestehen ebenfalls nicht, denn es besteht für die Antragspartei keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit.
Inlandsbezogene Abschiebehindernisse wird die zuständige Ausländerbehörde anlässlich einer konkret in Aussicht genommenen Abschiebungsmaßnahme zu prüfen haben. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 – 9 C 13/96 -, juris, Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2012 – A 2 S 1995/12 -, juris, Rn. 15.)
Eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Durchführung des Asylverfahrens ergibt sich auch nicht aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31). Diese Verordnung (Dublin III-Verordnung) findet keine Anwendung (mehr), wenn einem Ausländer, der in … einen Asylantrag gestellt hat, bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. (Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 53ff. sowie Beschluss vom 11. Mai 2015 – 14 A 926/15.A -, juris, Rn. 5; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2016 – 1 A 11081/14 -, juris, Rn. 18ff.)
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).