Verwaltungsrecht

Keine Einstellung des Asylverfahrens bei nicht nachweisbarer Ladung zur persönlichen Anhörung

Aktenzeichen  M 4 S 16.31854

Datum:
3.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 25, § 33
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Liegen keinerlei Nachweise für eine wirksame Ladung zur persönlichen Anhörung vor, ist eine Einstellung des Asylverfahrens rechtswidrig. Dem Asylsuchenden ist ein neuer Termin zur persönlichen Anhörung einzuräumen.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage Az.: M 4 K 16.31853 wird angeordnet.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragsteller, irakische Staatsangehörige, stellten am … 2016 Asylantrag. Die Antragsteller wurden mit Schreiben vom … 2016 zur Anhörung geladen. Ein Zustellnachweis befindet sich nicht in den Akten.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2016 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gelte, und stellte das Asylverfahren ein (Ziff. 1). Geleichzeitig stellte sie fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2) und drohte den Antragstellern für den Fall nicht freiwilligen Verlassens der Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche die Abschiebung in den Irak oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Aufnahme verpflichteten Staat an (Ziff. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG befristete sie auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4).
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin an, die Antragsteller seien zu dem Termin am … 2016 ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen. Daher werde nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG vermutet, dass sie das Verfahren nicht betreiben. Ein Zustellnachweis befindet sich ebenfalls nicht in den Akten.
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2016, am selben Tag beim Verwaltungsgericht München eingegangen, ließen die Antragsteller über ihren Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes erheben, über die noch nicht entschieden ist (M 4 K 16.31853).
Gleichzeitig ließen sie nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der Bevollmächtigte legte eine eidesstattliche Versicherung vor, dass die Antragsteller das Schreiben zur Anhörung nicht erhalten hätten, und ein Schreiben der Inneren Mission, dass es in der Gemeinschaftsunterkunft der Antragsteller zu Postunregelmäßigkeiten gekommen sei.
Die Antragsgegnerin äußerte sich im Verfahren nicht und legte die Bundesamtsakten vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Akte des Bundesamtes sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der vom Gesetzgeber vorgesehenen sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragsteller regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs überwiegt das Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, weil sich der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 15. Juli 2016 nach summarischer Prüfung als rechtswidrig erweist.
Nach § 33 Abs. 1 AsylG in der Fassung von Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I, S. 390 f.) gilt der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG n. F. wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Vorlage von für den Antrag wesentlichen Informationen gemäß § 15 oder einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 nicht nachgekommen ist. Dieser Tatbestand ist im Falle der Antragsteller nicht erfüllt.
Es liegen keinerlei Nachweise vor, dass die Antragsteller wirksam zur Anhörung am … 2016 geladen worden sind. Den Antragstellern ist ein erneuter Termin zur persönlichen Anhörung nach § 25 AsylG einzuräumen.
Damit ist die nach § 34 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung ebenfalls rechtswidrig. Ein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse vor Entscheidung in der Hauptsache liegt daher nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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