Verwaltungsrecht

Keine Erfüllungsübernahme nach Art. 96 BayBG bei tätlichem Angriff vor Inkrafttreten des Gesetzes

Aktenzeichen  3 ZB 17.18

Datum:
17.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6998
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
BayBG Art. 97
ZPO § 287 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der zeitliche Anwendungsbereich des Art. 97 BayBG ist nur dann eröffnet, wenn sowohl der tätliche Angriff als auch die Erwirkung des Titels, dessen Erfüllungsübernahme begehrt wird, nach Inkrafttreten der Norm am 1.1.2015 erfolgt sind. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einbeziehung von Altfällen würde eine entsprechende Übergangsvorschrift voraussetzen, wie sie zB im hessischen und schleswig-holsteinischen Landesrecht enthalten ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 1 K 16.582 2016-12-06 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Die Rechtssache weist – entgegen der Auffassung des Klägers – keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht und in Übereinstimmung mit Rechtsprechung (VG Regensburg, U.v. 20.7.2016 – RO 1 K 16.690 – juris) und Literatur (Conrad in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 97 BayBG Rn. 1; Buchard in BeckOK Beamtenrecht Bayern, Art. 97 BayBG, Rn. 4 ff.) den zeitlichen Anwendungsbereich des Art. 97 BayBG nur dann für eröffnet angesehen, wenn sowohl der tätliche Angriff als auch die Erwirkung des Titels, dessen Erfüllungsübernahme begehrt wird, erst nach Inkrafttreten der Norm am 1. Januar 2015 erfolgt sind. Auf die zutreffenden Ausführungen der in juris veröffentlichten Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen.
Der Einwand des Klägers, dem angefochtenen Urteil sei nicht zu folgen, weil zwischen den Parteien umstritten sei, ob dies eine echte Rückwirkung wäre oder ob eine unechte Rückwirkung in Form einer tatbestandlichen Rückanknüpfung vorliege, verkennt, dass diese Frage sich nur bei rückwirkend belastenden Gesetzen stellt (vgl. z.B. Schnapp in v.Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 41 ff.), nicht aber bei Normen, die erstmals einen Anspruch begründen. Das hatte der Bevollmächtigte des Klägers in der ersten Instanz noch ebenso gesehen (Schriftsatz vom 14.9.2016 Seite 1). Des Weiteren trifft es auch nicht zu, dass das Verwaltungsgericht Art. 97 BayBG der echten Rückwirkung zugeordnet hätte. Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass sich bei einer neu eingeführten anspruchsbegründenden Norm kein rechtlich geschütztes Vertrauen auf eine andere Rechtslage bilden konnte.
Soweit der Kläger meint, der zeitliche Anknüpfungspunkt Art. 97 BayBG sei die Rechtskraft des Urteils, durch das der Schmerzensgeldanspruch bestimmt werde und das die Frist des Art. 97 Abs. 3 BayBG in Gang setze, setzt er sich sowohl über das vom Verwaltungsgericht angeführte Wortlautargument („wegen eines Angriffs, den … der Beamte erleidet“) als auch über den Willen des Gesetzgebers hinweg, der den Antrag einiger Parlamentarier, „auch bei Altfällen (vor dem 1. Januar 2015 bis 1. Januar 2010 in Vorleistung zu treten (LT-Drs. 17/8221), abgelehnt hat (LT-Drs. 17/9502). Diese Argumente lassen sich mit dem Hinweis darauf, dass die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs gemäß § 287 Abs. 1 ZPO erst durch die gerichtliche Entscheidung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zum Urteilszeitpunkt bestimmbar werde, nicht aus der Welt schaffen. Soweit der Kläger es für problematisch hält, den strafrechtlichen Vollendungszeitpunkt der Tat für die Entstehung des Erfüllungsübernahmeanspruchs heranzuziehen, weil regelmäßig verschiedene schmerzensgeldrelevante Straftatbestände wie Beleidigungen, Körperverletzungsdelikte und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte kombiniert vorlägen, deren Vollendungszeitpunkte sich unterschieden, zeigt dies weder eine Schwierigkeit des zu entscheidenden Falles auf, noch legt dies nahe, die von ihm begehrte Auslegung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Norm allein nach der Ausschlussfrist des Art. 97 Abs. 3 BayBG zu bestimmen.
2. Aus den zu 1. abgehandelten Einwänden des Klägers ergeben sich dementsprechend auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die Einbeziehung von Altfällen setze eine entsprechende Übergangsvorschrift voraus, die im hessischen und schleswig-holsteinischen Landesrecht enthalten sei, trifft zu. Die Auffassung des Klägers, der zeitliche Anwendungsbereich der Erfüllungsübernahme könne allein aus der Ausschlussfrist für die Antragstellung hergeleitet werden, ergibt sich auch nicht im Wege systematischer Auslegung außerbayerischen Landesrechts. Kann diese zum einen ohne Nennung und Auswertung der diesbezüglichen Landtagsdrucksachen von vornherein nicht überzeugen, kommt sie zum anderen auch deshalb nicht in Betracht, weil sie einen im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers voraussetzt, für vor Inkrafttreten des Gesetzes begründete Schmerzensgeldansprüche eine Regelung zu schaffen. Dies fehlt für die hier einschlägige Norm. Dass bei anderweitigen Übergangsregelungen für Altfälle im Gegenzug die Antragsfristen abgekürzt wurden, lässt die vom Kläger befürwortete Auslegung des Art. 97 BayBG nicht ernstlich in Betracht kommen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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