Aktenzeichen 10 C 20.2848
Leitsatz
Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG steht das generalpräventive Ausweisungsinteresse entgegen, wenn der Antragsteller rechtskräftig wegen Erschleichung der Duldungen verurteilt wurde. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 1 K 20.1166 2020-10-28 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger Tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Kläger den in erster Instanz erfolglosen Antrag, ihnen für ihre auf Aufhebung des jeweils mit bestandskräftigem Ausweisungsbescheid vom 27. bzw. 28. Februar 2018 gegen sie erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbots gerichtete Verpflichtungsklage Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weiter.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 146 Abs. 1 VwGO), aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage nicht vorlagen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, also wenn dieser vollständig vorliegt und der Prozessgegner Gelegenheit zur Äußerung hatte.
Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass das Rechtsschutzbegehren der Kläger keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat, weil ein Anspruch der Kläger auf Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots voraussichtlich weder gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG noch gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG besteht. Auch mit der Beschwerde werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Bewilligung der Prozesskostenhilfe gebieten würden.
Unabhängig davon, dass (auch) der Kläger zu 1., bei dem ein befristetes nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG festgestellt worden ist, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen bisher (noch) nicht gestellt hat, steht dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG voraussichtlich der Versagungsgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen, da er ausweislich der Behördenakte wiederholt bzw. gröblich gegen seine ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten bezüglich der Feststellung seiner Identität und der Beschaffung gültiger Heimreisepapiere verstoßen hat und in diesem Zusammenhang auch mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts S. wegen Erschleichung von Duldungen in 14 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt worden ist (s. Bl. 594 der Behördenakte).
Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG steht bei beiden Klägern das auch aktuell noch fortbestehende generalpräventive Ausweisungsinteresse (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) aufgrund ihrer rechtskräftigen Verurteilung wegen Erschleichung der Duldungen entgegen (zur Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vgl. auch BayVGH, B.v. 19.3.2019 – 10 ZB 18.2628 – juris). Zwar kann gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden; insoweit hat die Ausländerbehörde eine doppelte Ermessensentscheidung – über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und das Absehen von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung – zu treffen (vgl. Maaßen/Kluth in Kluth/Heusch Ausländerrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2021, AufenthG § 25 Rn. 148). Dass das behördliche Ermessen im vorliegenden Fall auf Null reduziert und die Kläger demgemäß einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hätten, ist von ihnen weder dargelegt noch für den Senat hier sonst ersichtlich.
Die Kläger können eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots aber auch nicht gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zur Wahrung ihrer schutzwürdigen Belange bzw. deshalb beanspruchen, weil es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert. Eine Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann nach dieser Bestimmung angezeigt sein, wenn Umstände eintreten, die das Gewicht des öffentlichen Interesses, den Ausländer aus dem Bundesgebiet fernzuhalten oder ihm – wie hier – die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet vorzuenthalten, verringern, also insbesondere wenn die general- bzw. spezialpräventiven Gründe (für die Ausweisung) dies nicht mehr erfordern (vgl. die Gesetzesbegründung Zu Nummer 5 [§ 11] Abs. 4. BT-Drs. 18/4097 S. 36). Hinreichende derartige Umstände sind auch mit dem Beschwerdevorbringen nicht aufgezeigt worden. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass die vom Kläger zu 1. geltend gemachte schwere Herzerkrankung und das bei ihm deshalb festgestellte (befristete) Abschiebungshindernis keine neuen Umstände im dargelegten Sinn darstellten, sondern vielmehr bereits Gegenstand des gegen die Befristungsentscheidung selbst gerichteten Klageverfahrens (Au 1 K 18.336) gewesen seien. Weiter hat das Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der Beklagte die Integrationsleistungen der Klägerin zu 2. innerhalb seines Ermessensspielraums als aktuell noch nicht ausreichend erachten durfte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).