Aktenzeichen B 4 S 16.623
Leitsatz
Die Vorrangprüfung der Bundesagentur für Arbeit ist mit den Anforderungen der Daueraufenthaltsrichtlinie vereinbar. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige und auf Aufhebung der gegen ihn ergangenen Ausreiseaufforderung, Abschiebungsandrohung und Wohnsitzauflage.
Der Antragsteller ist serbischer Staatsangehöriger und verfügt über einen bis 2023 gültigen Pass. Am 22.10.2013 erteilte ihm das Amt der Wiener Landesregierung den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7, § 45 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz der Republik Österreich. Dieses Dokument ist bis 22.10.2018 gültig.
Am 05.04.2016 reiste der Antragsteller erstmals ins Bundesgebiet ein und meldete sich in … (Landkreis B.). Das Gewerbe „…“, das er am 12.04.2016 angemeldet hatte, wurde nach wenigen Tagen wieder abgemeldet. Am 21.04.2016 legte er beim Antragsgegner eine Stellenbeschreibung und einen auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag betr. die Beschäftigung als Kassierer und Küchenkraft bei einem Autohof in … (Landkreis B.) vor. Auf die Zustimmungsanfrage des Antragsgegners vom 22.04.2016 hin verweigerte die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 16.06.2016 die Zustimmung zu dieser Beschäftigung, weil genügend bevorrechtigte Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt des Beschäftigungsortes zur Verfügung stünden. Mit Telefax vom 24.06.2016 beantragte der Antragsteller durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Zur Begründung verwies er darauf, der Autohof brauche ihn dringend und wolle ihn dauerhaft beschäftigen.
Mit Bescheid vom 09.08.2016, der seinem Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 15.08.2016 zugestellt wurde, lehnte der Antragsgegner den Antrag ab (Ziff. 1) und forderte den Antragsteller auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides bzw. bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht einen Monat nach Unanfechtbarkeit des Bescheides zu verlassen (Ziff. 2). Für den Fall, dass er nicht freiwillig ausreise, wurde die Abschiebung nach Serbien oder einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Aufnahme verpflichtet sei, angedroht (Ziff. 3). Außerdem wurde die Wohnsitznahme im Landkreis B. angeordnet(Ziff. 5).
Mit Telefax vom 09.09.2016 erhob der Prozessbevollmächtige des Antragstellers beim Verwaltungsgericht Bayreuth gegen diesen Bescheid Klage mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben (Az. B 4 K 16.624).
Mit Telefax ebenfalls vom 09.09.2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit einem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 09.09.2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 09.08.2016 anzuordnen.
Die im Antragsschriftsatz angekündigte Begründung hat der Prozessbevollmächtigte trotz entsprechender Aufforderung bei der Erstzustellung und nochmaliger Erinnerung am 20.09.2016 nicht vorgelegt.
Der Antragsgegner hat am 20.09.2016 die Behördenakte vorgelegt.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag ist abzulehnen, weil er zwar zulässig, aber unbegründet ist.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig. Der Antragsteller kann die Beendigung der Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG durch einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO überprüfen lassen.
Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt (§ 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).
Als sein Prozessbevollmächtigter am 24.06.2016 eine Aufenthaltserlaubnis beantragte, hielt sich der Antragsteller, der am 05.05.2016 erstmals ins Bundesgebiet eingereist war, rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Als Staatsangehöriger Serbiens war er gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Anhang II EG-Visa-VO für einen Aufenthalt, von 90 Tagen, also bis 05.07.2016, von der Visumpflicht befreit. Mit dem ablehnenden Bescheid vom 09.08.2016 entfiel die Fiktionswirkung. Diese Rechtsfolge kann der Antragsteller durch einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO überprüfen lassen, weil sowohl die Klage gegen die Ablehnung seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG als auch die Klage gegen die Abschiebungsandrohung gemäß Art. 21 a BayZVG keine aufschiebende Wirkung haben.
2. Der Antrag ist aber unbegründet. Denn nach der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung ist die erhobene Klage, sofern sie um einen Verpflichtungsantrag auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis ergänzt wird, zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (a) und die Ausreiseaufforderung, die Abschiebungsandrohung und die Verpflichtung, den Wohnsitz im Landkreis Bamberg zu nehmen, sind zu Recht ergangen (b).
a) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
Nach § 38 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird einem Ausländer, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er sich länger als 90 Tage im Bundesgebiet aufhalten will.
Die speziellen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen zwar vor. Der Antragsteller will sich länger als 90 Tage im Bundesgebiet aufhalten und ist aufgrund seines österreichischen Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ berechtigt, sich längerfristig in Österreich aufzuhalten.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitert jedoch daran, dass sein Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).
Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Erforderlich ist mithin die positive Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer als der in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannten öffentlichen Mittel gesichert ist (BVerwG, U. v. 29.11.2012 – 10 C 4/12 – BVerwGE 145, 153 /163 = NVwZ 2013, 947/950 jew. Rn.25).
Eine derartige positive Prognose kann nach dem gegenwärtigen Stand nicht getroffen werden, denn der Antragsteller hat nicht dargetan, dass er seinen Lebensunterhalt durch selbstständige oder nichtselbstständige Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis dauerhaft sichern kann.
Zum einen wurde das von ihm angemeldete Gewerbe bereits nach wenigen Tagen wieder abgemeldet. Zum anderen darf er die einzige von ihm bisher vorgewiesene Beschäftigung als angelernter Kassierer und Küchenkraft in einem Autohof nicht ausüben.
Die Bundesagentur für Arbeit stimmte am 16.06.2016 gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG der Ausübung der Beschäftigung nicht zu, weil für diese Tätigkeit am Arbeitsmarkt des Beschäftigungsortes ausreichend bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden. Diese Entscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Die Betreiberin des Autohofes hat in der Stellenbeschreibung nicht deutlich gemacht, warum sie für die vorgesehene Anlerntätigkeit gerade den Antragsteller beschäftigen will. Auch aus dem Antrag auf Aufenthaltserlaubnis ergibt sich nichts entscheidend Anderes. Dort hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers lediglich angegeben, der Antragsteller werde dringend gebraucht, weil er anders als andere Bewerber die notwendige Motivation für die Aufgabe mitbringe.
Bei der Vorrangprüfung ist die Bundesagentur für Arbeit zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller als Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts eines andern Mitgliedstaates der Europäischen Union keinen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hat (BayVGH, B. v. 07.01.2013 – 10 C 12.2399 – juris Rn.16).
Schließlich ist die Regelung in § 38 a Abs. 3 Satz 1 AufenthG mit der Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatangehörigen (Daueraufenthaltsrichtlinie) vereinbar (BayVGH, B. v. 06.02.2012 – 19 CS 11.2613 – juris Rn. 7). Sie setzt die in der Daueraufenthaltsrichtlinie in diesem Zusammenhang getroffenen Regelungen um. Gemäß Art. 14 Abs. 2 a Daueraufenthaltsrichtlinie kann sich ein langfristig Aufenthaltsberechtigter zwar zur Ausübung einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit in einem zweiten Mitgliedsstaat aufhalten. Die Mitgliedsstaaten können jedoch in diesen Fällen eine Arbeitsmarktprüfung durchführen und hinsichtlich der Anforderungen für die Besetzung einer freien Stelle ihre nationalen Verfahren anwenden (Art. 14 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie). Deshalb ist es zulässig, für die Sicherung des Lebensunterhalts durch eine Erwerbstätigkeit auf einer entsprechenden Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu bestehen (VG München, B. v. 26.05.2014 – M 12 S 14.1821- juris Rn. 28).
b) Die Ausreiseverpflichtung ergibt sich aus § 50 Abs. 1 AufenthG, die Androhung der Abschiebung beruht auf § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG. Die Wohnsitzauflage durfte der Antragsgegner gemäß § 61 Abs. 1 d Satz 1 und 2 AufenthG anordnen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs.1 und 2 GKG i. V. m. Nrn. 1.5 und 8.1 des Streitwertkatalogs.