Verwaltungsrecht

Keine Fiktion der Dienstunfähigkeit aufgrund verweigerter Entbindung von der Schweigepflicht

Aktenzeichen  M 5 S 17.5152

Datum:
31.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30618
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 65 Abs. 2 S. 2, Art. 67 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5
GG Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Die Fiktion der Dienstunfähigkeit nach Art. 65 Abs. 2 S. 2 BayBG bedingt, dass die amtsärztliche Untersuchung gegenüber dem Beamten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angeordnet wurde und derBeamte ohne hinreichenden Grund die Untersuchung vereitelt hat. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine mündliche Untersuchungsanordnung genügt nicht den Anforderungen an eine rechtlich ordnungsgemäße Anordnung, weil in diesem Fall die nach der Rechtsprechung erforderlichen Inhalte nicht hinreichend dokumentiert sind. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Macht ein Beamter keine Angaben zu seiner Erkrankung, so entbindet das den Dienstherrn nicht von der Pflicht, Art und Umfang der amtsärztlichen Untersuchung in den Grundzügen gegenüber dem Betroffenen zu skizzieren, damit dieser erkennen kann, ob die geforderte Untersuchung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. In diesem Fall ist es dem Dienstherrn zumutbar, zunächst eine ärztliche Erstuntersuchung zur Erhebung des Krankheitsbildes anzuordnen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. Unterlässt der Amtsarzt entgegen den Verwaltungsvorschriften die Untersuchung, weil der Beamte die Entbindung von der Schweigepflicht verweigert, so ist diese Weigerung nicht für das Fehlschlagen der amtsärztlichen Untersuchung kausal. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 20. Dezember 2017 gegen den Bescheid über die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit vom 19. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2017 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 33.990,41 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die am 22. Juli 1955 geborene Antragstellerin steht als Beamtin auf Lebenszeit in Diensten des Antragsgegners. Zuletzt war sie als Hauswirtschaftsoberrätin (Besoldungsgruppe A 14) bei der Landesanstalt für Landwirtschaft – Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte – tätig.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 beantragte die Landesanstalt bei der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von O. die Untersuchung der Antragstellerin auf deren Dienstfähigkeit. In einer tabellarischen Aufstellung als Begründung für die Untersuchung ist festgehalten, dass seit einiger Zeit trotz schriftlicher und mündlicher Aufforderung von der Beamtin praktisch keine belastbaren und umsetzbaren Arbeitsergebnisse vorgelegt worden seien. Außerdem legten ihre Einlassungen einen Realitätsverlust nahe.
In einem Gespräch mit dem Leiter des Instituts am 17. November 2016 wurde die mangelnde Aufgabenerfüllung thematisiert und die Beamtin dreimal darauf hingewiesen, dass sie sich einer vom Dienstherrn vorgegebenen ärztlichen Untersuchung durch die Gesundheitsbehörde unterziehen müsse. Die Untersuchung sei verpflichtend.
Nachdem die Medizinische Untersuchungsstelle mitgeteilt hatte, dass für eine amtsärztliche Untersuchung das zuständige Gesundheitsamt zu beauftragen sei, bat das Landesamt unter Beifügung des Untersuchungsauftrags an die medizinische Untersuchungsstelle das zuständige Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt M.n am 21. November 2016 um Untersuchung der Beamtin. Auf die Bitte der Beamtin, ihr den Untersuchungsauftrag zur Kenntnis zu geben, erhielt sie am 7. Dezember 2016 die Mitteilung der Landesanstalt, dass dies aus beamtenrechtlichen Bestimmungen nicht möglich sei. Das Referat für Gesundheit und Umwelt teilte dem Antragsgegner am 23. Dezember 2017 mit, dass die Beamtin den Untersuchungstermin nicht wahrgenommen habe.
Die Landesanstalt bat das Gesundheitsreferat um erneute Untersuchung der Antragstellerin. Sie wurde vom Dienstherrn mit Schreiben vom 24. Januar 2017 darauf hingewiesen, dass sie beamtenrechtlich verpflichtet sei, der Untersuchungsanordnung nachzukommen. Das Referat für Gesundheit und Umwelt teilte am 7. März 2017 mit, dass die Beamtin zum Termin erschienen sei, den Amtsarzt aber nicht von der Schweigepflicht entbunden habe. Der Auftrag gehe unerledigt zurück.
Die Landesanstalt bat am 31. März 2017 um erneute Untersuchung der Antragstellerin. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde die Beamtin nochmals auf ihre beamtenrechtliche Verpflichtung hingewiesen, an der Untersuchung mitzuwirken und den Amtsarzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Diesem Schreiben war der Untersuchungsauftrag an das Referat für Gesundheit und Umwelt sowie eine tabellarische Darstellung des Sachverhalts als Begründung für die Untersuchung sowie zwei E-Mails der Antragstellerin an das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beigefügt. Das Gesundheitsreferat teilte am 18. Mai 2017 mit, dass die Beamtin zum Untersuchungstermin am 16. Mai 2017 erschienen sei, aber keine gültige Schweigepflichtentbindung gegenüber dem Dienstherrn vorgelegt habe. Der Auftrag gehe daher unerledigt zurück.
Die Landesanstalt bat das Referat für Gesundheit und Umwelt mit Schreiben vom 18. Mai 2017 nochmals um Untersuchung der Antragstellerin. Mit Schreiben vom selben Tag wurde die Beamtin darauf hingewiesen, dass sie an der Untersuchung aufgrund ihrer beamtenrechtlichen Gehorsamspflicht mitzuwirken und eine Schweigepflichtsentbindung gegenüber der Landesanstalt abzugeben habe. Diesem Schreiben waren die selben Anlagen wie dem Schreiben vom 31. März 2017 beigefügt. Das Gesundheitsreferat teilte mit Schreiben vom 13. Juni 2017 mit, dass die Antragstellerin den Termin am 13. Juni 2017 nicht wahrgenommen, sondern kurz vorher abgesagt habe. Der Untersuchungsauftrag gehe unerledigt zurück.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2017 teilte die Landesanstalt der Beamtin mit, dass von Dienstunfähigkeit ausgegangen werden müsse. Sie habe sich der Verpflichtung zu einer amtsärztlichen Untersuchung ohne hinreichenden Grund trotz wiederholter Aufforderungen entzogen. Nach Wahrnehmungen Dritter sei ein starker Realitätsverlust bei der Antragstellerin zu beobachten, was durch von ihr verfasste E-Mails unterstrichen werde, die keinen Bezug zu ihrer Tätigkeit hätten und nicht nachvollziehbar seien. Eine anderweitige Verwendung durch erneute Umsetzung sei nicht sinnvoll. Eine mindestens hälftige Leistungsfähigkeit sei nicht gegeben. Der Beamtin werde empfohlen, einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zu stellen. Ansonsten müsste das Zwangspensionierungsverfahren eingeleitet werden.
Nachdem die Beamtin keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, wies die Landesanstalt mit Schreiben vom 25. Juli 2017 darauf hin, dass von der dauerhaften Dienstunfähigkeit der Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen ausgegangen werde, da sie sich der Verpflichtung zu einer amtsärztlichen Untersuchung ohne hinreichenden Grund trotz wiederholter Aufforderungen entzogen habe und unter einem starken Realitätsverlust leide. Eine weitere Umsetzung innerhalb des Landesamtes sei nicht sinnvoll. Es bestehe auch keine mindestens hälftige Leistungsfähigkeit. Es werde ihr die Möglichkeit gegeben, sich zur beabsichtigten Ruhestandsversetzung zu äußern und die Beteiligung des Personalrats zu beantragen. Dem Schreiben war die tabellarische Darstellung des Sachverhalts als Begründung für die Untersuchung sowie zwei E-Mails der Antragstellerin an das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Anlage beigefügt.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2017 trat die Antragstellerin ihrer beabsichtigten Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit entgegen. Der Vorwurf, keine Arbeitsergebnisse zu erbringen, sei unzutreffend. Die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung durch die Landesanstalt sei nicht rechtmäßig. Die tatsächlichen Umstände, auf die der Dienstherr die Zweifel an der Dienstfähigkeit stütze, seien anzugeben. Sie könne aus der Begründung die Auffassung der Landesanstalt nicht nachvollziehen und prüfen, ob die angeführten Gründe tragfähig seien. Außerdem sei das Referat für Gesundheit und Umwelt befangen.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 19. September 2017 wurde die Antragstellerin wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des Monats, in dem die Verfügung zugestellt werde, in den Ruhestand versetzt. Aufgrund der E-Mails der Beamtin an das Ministerium ohne Bezug zu ihrer Tätigkeit, der Eindrücke über einen steigenden Realitätsverlust sowie des Umstands, dass trotz Aufforderung keine belastbaren Arbeitsergebnisse vorgelegt wurden, sei eine amtsärztliche Untersuchung veranlasst. Zur weiteren Begründung wurde der Gesetzeswortlaut des § 26 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) und des Art. 65 Abs. 2 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) abgedruckt. Das Interesse des Dienstherrn, durch eine Ruhestandsversetzung eine zügige Entlastung der Mitarbeiter vornehmen zu können, die derzeit die Aufgaben der Antragstellerin erledigen müssten, sei gegenüber den privaten Interessen der Beamtin, nicht oder zeitlich verzögert in Ruhestand zu treten, vorrangig.
Auf den der Beamtin am 20. September 2017 gegen Empfangsbestätigung zugestellten Bescheid hin erhob sie unter dem 6. Oktober 2017 Widerspruch. Insbesondere habe sie eine Schweigepflichtentbindung gegenüber der Landesanstalt vorgelegt. Es habe keine Verpflichtung zu einer solchen Entbindung gegeben. Es gebe keine Rechtsgrundlage für die Ärztin, die Untersuchung zu verweigern, wenn eine solche Erklärung nicht abgegeben sei. An der Sachkunde und Unparteilichkeit der Ärztin bestünden Zweifel. Im Übrigen arbeite die Antragstellerin sehr strukturiert und zielorientiert, erhalte jedoch keine Unterstützung durch den Dienstherrn. Die permanente Geringschätzung und Ausgrenzung sei gesundheitsschädlich. Die Versetzung in den Ruhestand vernichte ihre Existenz.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2017 wies die Landesanstalt den Widerspruch zurück. Die Beamtin sei viermal zur amtsärztlichen Untersuchung vorgeladen worden, ohne dass eine Untersuchung habe stattfinden können. Mit der Weigerung zur Abgabe einer Schweigepflichtentbindung bzw. dem Nichterscheinen sei hinreichend deutlich, dass sie unter keinen Umständen gewillt sei, sich einer Untersuchung zu unterziehen bzw. dem Dienstherrn die notwendigen Auskünfte über ihren Gesundheitszustand zukommen zu lassen. Sie müsse sich daher so behandeln lassen, als wäre ihre Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 21. Dezember 2017 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (M 5 K 17.6082).
Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt und zuletzt beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 20. Dezember 2017 gegen den Bescheid über die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit vom 19. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2017 wiederherzustellen.
Die Versetzung in den Ruhestand sei rechtswidrig, da die Untersuchungsaufforderungen rechtswidrig seien. Sie entsprächen nicht den von der neueren Rechtsprechung hierfür aufgestellten Anforderungen. Es seien keine konkreten Gründe angegeben, warum eine amtsärztliche Untersuchung erforderlich sei. Auch enthielten die Anordnungen keine Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchungen. Eine Schweigepflichtentbindung sei für die Untersuchung nicht erforderlich gewesen. Die Antragstellerin habe daher nicht gegen eine Mitwirkungspflicht verstoßen. Es werde auch bestritten, dass die Beamtin dienstunfähig sei. Denn sie werde vom Dienstherrn im Internet als zentrale Ansprechpartnerin für den Bereich der Notfallvorsorge genannt.
Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft hat für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Ruhestandsversetzung sei rechtlich nicht zu beanstanden, da den letzten beiden Untersuchungsaufforderungen die Auftragsschreiben an die Gesundheitsverwaltung der Landeshauptstadt beigefügt gewesen seien. Die Antragstellerin sei daher über Anlass und Umfang der Untersuchungen informiert gewesen. Das gelte auch für die E-Mails der Beamtin an das Landwirtschaftsministerium, die mit ihrer Tätigkeit in keinem Zusammenhang stünden.
Der mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2017 gleichfalls gestellte Antrag, Akteneinsicht zu gewähren und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und sowohl die Personalakte als auch die Gesundheitsakte der Antragstellerin beizuziehen und zur Einsichtnahme zu übersenden sowie der Antragsgegnerin aufzugeben, den dienstlichen E-Mail Account vorläufig für eine Nutzung durch die Antragstellerin freizugeben, wurde mit Beschluss vom 29. Januar 2018 vom vorliegenden Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen M 5 E 18.424 fortgeführt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
1. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Bestimmung stellt eine zentrale Norm der Verwaltungsrechtspflege dar, denn der Bürger hat nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) Anspruch auf eine tatsächlich wirksame Kontrolle der Verwaltung. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage aber nicht schlechthin. Die Behörde darf sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch Anordnung der sofortigen Vollziehung beseitigen, wenn dafür ein besonderes öffentliches Interesse besteht, das grundsätzlich über jenes Interesse hinauszugehen hat, welches den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.
Dieses besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes ist nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen. Die Begründung der Vollzugsanordnung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 19. September 2017 genügt diesem gesetzlichen Erfordernis. Sie ist nicht lediglich formelhaft, sondern lässt erkennen, dass die Behörde eine Einzelfallprüfung vorgenommen und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen hat. Insbesondere hat die Behörde nicht nur einseitig auf die Interessenlage der öffentlichen Hand abgestellt, sondern auch die Interessen der Antragstellerin berücksichtigt.
Über diese Feststellung hinaus bedarf es keiner weiteren Erörterung der von der Behörde genannten Gründe, da das Gericht nicht auf die Überprüfung dieser Gründe beschränkt ist, sondern im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägung der öffentlichen Belange gegen den Rechtsanspruch des Einzelnen selbst zu beurteilen hat, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Soweit dabei die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs oder der Klage bereits absehbar sind, hat das Gericht sie zu berücksichtigen. Ergibt diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes notwendigerweise summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf oder die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, so scheidet, sofern ein öffentliches Interesse für den sofortigen Vollzug spricht, ein Vorrang der privaten Interessen von vornherein aus, da an der Aussetzung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts in der Regel kein überwiegendes privates Interesse bestehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 4. 10.1982 – 19 AS 82 A.2049 – BayVBl 1983, 23).
2. Die summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt im vorliegenden Fall, dass durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung vom 19. September 2017 bestehen.
Die Voraussetzungen des Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG für die Fiktion der Dienstunfähigkeit bei der Antragstellerin liegen nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann derjenige so behandelt werden, wie wenn die Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden wäre, der sich trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung ohne hinreichenden Grund der Verpflichtung entzieht, sich nach Weisung des Dienstvorgesetzten untersuchen oder beobachten zu lassen.
Es kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beamtin trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung ohne hinreichenden Grund der Verpflichtung entzogen hat, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Das bedingt, dass die amtsärztliche Untersuchung gegenüber der Beamtin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angeordnet wurde und die Beamtin ohne hinreichenden Grund die Untersuchung vereitelt hat.
a) Die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlichen und formellen Anforderungen genügen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10; U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11; B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13, jeweils juris). Die Untersuchungsanordnung hat zur Voraussetzung, dass aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände zweifelhaft ist, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen (BVerwG, U.v. 30.5.2013, a.a.O., Rn. 19). Die Behörde muss die tatsächlichen Umstände, auf die sie die Zweifel an der Dienstfähigkeit stützt, sowie Art und Umfang der beabsichtigten Untersuchungsmaßnahmen in der Anordnung angeben (BVerwG, U.v. 30.5.2013, a.a.O., Rn. 20; BVerwG, U.v. 26.4.2012, a.a.O., Rn. 19). Der Beamte muss anhand der darin gegebenen Begründung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in der Anordnung Verlautbarte die Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag (BVerwG, U.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – juris Rn. 27; U.v. 26.4.2012, a.a.O.; B.v. 10.4.2014 a.a.O.). Gleichermaßen muss es für den Beamten überprüfbar sein, ob die beabsichtigten Untersuchungsmaßnahmen verhältnismäßig sind, so dass diese nicht frei dem Amtsarzt überlassen werden dürfen. Die Behörde darf insbesondere nicht nach der Überlegung vorgehen, der Adressat werde schon wissen, worum es geht. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses der Anordnung zumindest in Grundzügen darüber klar werden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 8.12.2017 – 3 CE 17.1753 – juris Rn. 26). Entspricht die Anordnung nicht diesen Anforderungen, können Mängel nicht nachträglich durch Nachschieben von Gründen geheilt werden (BVerwG, U.v. 26.4.2012, a.a.O., Rn. 21).
b) Die gegenüber der Antragstellerin ergangenen Untersuchungsanordnungen entsprechen nicht den dargestellten rechtlichen Anforderungen.
Hinsichtlich des von der Antragstellerin nicht wahrgenommenen ersten Untersuchungstermins am 22. Dezember 2016 (Mitteilung des Gesundheitsreferats vom 23. Dezember 2016) lag keine ordnungsgemäße Untersuchungsanordnung vor. Denn der Beamtin war noch am 7. Dezember 2016 mitgeteilt worden, dass ihr ausdrücklich der Untersuchungsauftrag an die Gesundheitsverwaltung, mit dem die Antragstellerin eine nähere Begründung des Untersuchungsanlasses zu erlangen suchte, nicht übersandt werde. Die diesem Termin allenfalls als zugrunde liegend anzusehende mündliche Untersuchungsanordnung im Gespräch vom 17. November 2016 genügt nicht den rechtlichen Anforderungen an eine rechtlich ordnungsgemäße Anordnung. Denn die nach der Rechtsprechung erforderlichen Inhalte sind nicht hinreichend dokumentiert.
Die Untersuchungsanordnung vom 24. Januar 2017, die zum Untersuchungstermin vom 7. März 2017 geführt hat, enthält ebenfalls nicht die tatsächlichen Umstände, aufgrund derer der Dienstherr Zweifel an der Dienstfähigkeit hat sowie Art und Umfang der beabsichtigten Untersuchungsmaßnahmen.
Hinsichtlich der Untersuchungsanordnungen vom 31. März 2017 und 18. Mai 2017, denen als Begründung jeweils der Untersuchungsauftrag an das Referat für Gesundheit und Umwelt mit Anlagen (insbesondere formblattmäßiger Untersuchungsauftrag vom 21. November 2016 mit weiteren Anlagen) beigefügt war, gilt das ebenfalls. Aufgrund der Verweisung auf den jeweils beigefügten Untersuchungsauftrag mögen der Beamtin die zur Anordnung führenden Umstände nachvollziehbar dargestellt sein (BayVGH, B.v. 28.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 25). Dem Schreiben des Dienstherrn an die Beamtin wie auch dem als Anlage jeweils beigefügten Auftrag an das Referat für Gesundheit und Umwelt vom 21. November 2016 fehlen jedoch Angaben hinsichtlich Art und Umfang der ärztlichen Untersuchungen völlig. Das ist erforderlich, damit der betroffene Beamte erkennen kann, ob die geforderte Untersuchung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Selbst wenn zunächst eine allgemeine amtsärztliche Untersuchung zur Befunderhebung erfolgen sollte (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 8.12.2017 – 3 CE 17.1753 – juris Rn. 28), bevor weitergehende Untersuchungen erfolgen sollen, ist das in den Untersuchungsanordnungen auch nicht ansatzweise angegeben. Das gilt selbst dann, wenn der Beamte bislang keine Angaben zu seiner Erkrankung gemacht hat (BayVGH, B.v. 28.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 30; B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 31). Es mag zwar sein, dass die Beamtin aus Sicht des Dienstherrn keine Einsicht zeigt, möglicherweise an einer die Dienstfähigkeit limitierenden Erkrankung zu leiden. Dennoch entbindet das die Personalbehörde nicht von der Pflicht, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend Art und Umfang der amtsärztlichen Untersuchung in den Grundzügen gegenüber dem Betroffenen zu skizzieren. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Dienstherrn eine entsprechende konkrete Benennung der Untersuchungsmaßnahmen – nahe liegt hier eine ärztliche Erstuntersuchung zur Erhebung des Krankheitsbildes – nicht zumutbar wäre. Ohne eine solche Darstellung ist der Beamte nicht in der Lage zu bewerten, ob er der geforderten Untersuchung nachkommt.
c) Aus dem Umstand, dass die Antragstellerin zu den Untersuchungsterminen am 16. Mai und 13. Juni 2017 erschienen ist, der Amtsärztin aber keine Schweigepflichtentbindung erteilt hat, folgt nichts anderes. Denn als Folge der Weigerung, die Ärztin von der Schweigepflicht gegenüber dem Dienstherrn zu entbinden, fand keine weitere Untersuchung statt. Das ist nicht der Beamtin anzulasten. Insoweit kommt es auf die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnungen nicht an, da die Antragstellerin der Pflicht, beim Amtsarzt zur Untersuchung zu erscheinen, Folge geleistet hat.
Nach Art. 67 Abs. 1 BayBG teilt der Arzt oder die Ärztin nach einer amtsärztlichen Untersuchung im Einzelfall auf Anforderung der Behörde die tragenden Feststellungen und Gründe des Gutachtens und die in Frage kommenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit mit, soweit deren Kenntnis unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die von ihr zu treffende Entscheidung erforderlich ist. Für die Untersuchung der Antragstellerin als Beamtin des Freistaats Bayern gelten ergänzend die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht/VV- BeamtR (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13.7.2009, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 22.7.2015, FMBl S. 143). Dort ist in Abschnitt 8 Nr. 1.4.2 geregelt, dass die ärztliche Schweigepflicht nur insoweit besteht, als ein Sachverhalt nicht mehr durch die gesetzlich auferlegte Gutachtenspflicht gedeckt ist. Soweit die Weitergabe von ärztlichen Erkenntnissen für die Feststellung der Dienstunfähigkeit erforderlich ist, tritt daher die ärztliche Schweigepflicht zurück und die begutachtende Ärztin oder der begutachtende Arzt handelt im Rahmen ihrer oder seiner Gutachtenspflicht (so ausdrücklich: Nr. 1.4.2.2 VV -BeamtR). Davon zu unterscheiden ist die Weitergabe der Untersuchungsgrundlagen, des Gutachtens des Amtsarztes, das über das Gesundheitszeugnis hinausgeht (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2017, § 23 BeamtStG Rn. 149; vgl. hierzu auch Nr. 1.4.2.4 VV- BeamtR).
Es war daher für die Untersuchung der Beamtin zur Beantwortung der vom Dienstherrn gestellten Fragen hinsichtlich der Dienstfähigkeit der Antragstellerin zum Zweck der Erstellung eines Gesundheitszeugnisses keine Entbindung von der Schweigepflicht erforderlich (Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/ Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2017, Art. 67 BayBG Rn. 3, 11 m.w.N., Art. 65 Rn.7; Summer in Weiss/Niedermaier/ Summer/Zängl, a.a.O. § 26 BeamtStG Rn. 25). Lediglich für die Einführung von privaten ärztlichen Gutachterinnen und Gutachtern oder evtl. zugezogenen Fachgutachterinnen oder Fachgutachtern ist eine Entbindung von der Schweigepflicht durch die Beamtin oder den Beamten nötig (Nr. 1.6.1 VV -BeamtR).
Ein völliges Unterlassen der Untersuchung, das von der Antragstellerin unbestritten vorgetragen wurde und auch mit der jeweils erfolgten Rückgabe des Untersuchungsauftrags durch das Referat für Gesundheit und Umwelt an die Landesanstalt in Einklang steht, lässt sich damit nicht vereinbaren. Auch ohne Einverständnis mit der Weitergabe der bei der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse hätte das Gesundheitsreferat mit Blick auf Art. 67 Abs. 1 BayBG und die hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften eine Untersuchung durchführen und den Befund dem Dienstherrn mitteilen müssen. Auf die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung kommt es dabei nicht an, da diese nur im Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten rechtlich relevant ist. Dem Amtsarzt kommt insoweit keine Prüfungskompetenz zu.
Die Rückgabe des Untersuchungsauftrags, ohne eine amtsärztliche Untersuchung durchzuführen, ist nicht der Antragstellerin anzulasten. Vielmehr lag es in der Sphäre des Dienstherrn, dass die Untersuchung nicht durchgeführt wurde. Die Untersuchung durch den Amtsarzt zum Zweck der Erstellung eines Gesundheitszeugnisses hätte auch ohne Entbindung von der Schweigepflicht durchgeführt werden müssen. Weiter war der Landesanstalt nach der Rückgabe des Untersuchungsauftrags mit Schreiben vom 7. März 2017 bekannt, dass das Gesundheitsreferat keine Untersuchung der Antragstellerin durchgeführt hat, da keine Schweigepflichtentbindung abgegeben wurde. Es wäre daher Sache des Dienstherrn gewesen, dem Referat für Gesundheit und Umwelt mit dem weiteren Untersuchungsauftrag zu vermitteln, dass eine Untersuchung der Beamtin zum Zweck der Erstellung eines Gesundheitszeugnisses auch ohne Entbindung von der Schweigepflicht durchzuführen ist. Dass dies erfolglos gewesen wäre, da die Antragstellerin durch sonstiges, obstruktives Verhalten die Untersuchung bewusst wiederholt verweigert hätte (Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/ Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: November 2017, Art. 65 BayBG Rn. 7 b), ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Weigerung, die Amtsärzte von der Schweigepflicht nicht zu entbinden, war für das Fehlschlagen der amtsärztlichen Untersuchung nicht kausal.
3. Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Das Gericht legt hierbei den vom Antragsgegner genannten Betrag der Jahresbezüge zugrunde.

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