Verwaltungsrecht

Keine Flüchtlingsanerkennung mangels relevanter Verfolgungsgefahr

Aktenzeichen  M 13 K 17.30893

Datum:
25.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163104
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1, § 3b, § 3c
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht kann mit Einverständnis der Prozessparteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
1. Nach § 3 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) i.d.F. d. Bek. vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), neu gefasst durch das Gesetz zur Umsetzung der RL 2011/95/EU vom 28. August 2008 (BGBl I S. 3474), ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich außerhalb seines Herkunftslandes aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe befindet. Diesem Flüchtling wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG), soweit nicht bestimmte, in § 3 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG geregelte Exklusionsklauseln den Flüchtlingsschutz ausschließen.
Als Verfolgungshandlung, die den Flüchtlingsschutz im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auslösen, gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG entweder Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder solche Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in vorstehend beschriebener Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
Neben der staatlichen Verfolgung (§ 3c Nr. 1 AsylG) kann die Verfolgungshandlung auch von Parteien oder Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den vorgenannten Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG).
Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung begründet ist, ist es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob der Flüchtling tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
2. Dem Kläger zu 1. droht bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.
a) Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Sinne des § 3 AsylG vorverfolgt aus Syrien ausgereist ist, sind nicht ersichtlich. Es fehlt bereits an der Darstellung konkreter, den Kläger individuell betreffender Verfolgungsmaßnahmen wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Im Übrigen hielt sich der Kläger zu 1. vor seiner Einreise nach Deutschland jahrelang nicht in Syrien auf.
b) Der Kläger ist bei seiner Rückkehr in seine Heimat auch nicht aus beachtlichen Nachfluchtgründen von Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG bedroht.
(1) Allein der Umstand der (illegalen) Ausreise aus Syrien mit Asylantragstellung und längerfristigem Aufenthalt in Deutschland vermag für sich genommen eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der politischen Verfolgung nicht zu begründen.
Syrischen Staatsangehörigen droht bei einer unterstellten Rückkehr nach Syrien über den Flughafen Damaskus nicht schon allein deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung, weil sie Syrien verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längerfristig in Deutschland aufgehalten haben (so auch BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 ZB 16.30338, 21 ZB 16.30364 – juris; OVG NW, B.v. 6.10.2016 – 14 A 1852/16.A – juris; OVG SH, U.v. 23.11.2016 – 3 LB-17/16 – juris; OVG RhPf, U.v. 16.12.2016 – 1 A 10922/16 – juris; anders OVG LSA, U.v. 18.7.2012 – 3 L 147/12 – juris).
Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 27. September 2010 führt zur Behandlung von Rückkehrern aus, dass zurückgeführte Personen bei ihrer Einreise in der Regel zunächst durch die Geheimdienste über ihren Auslandsaufenthalt befragt würden. Eine vorherige Asylantragstellung oder der längerfristige Auslandsaufenthalt seien für sich allein aber kein Grund für eine Verhaftung oder Repressalien. Auch nach der Auskunft der Botschaft Beirut an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2016 liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass Rückkehrer nach Syrien ausschließlich aufgrund des vorausgegangenen Auslandsaufenthalts Übergriffe oder Sanktionen zu erleiden hätten.
(2) Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht ersichtlich.
Insbesondere gehört der Kläger, der im Zeitpunkt der Entscheidung 36 Jahre alt ist, nicht der Personengruppe an, die sich durch die Ausreise aus Syrien dem Militärdienst entzogen hat (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 B 16.30372 – juris). Vielmehr hat er sich, durch sein Militärheft offiziell belegt, vom Militärdienst freigekauft, da er in Dubai lebte.
Nach der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe müssen sich syrische Männer im Alter von 18 Jahren für den Militärdienst registrieren und sind bis zum Alter von 42 Jahren wehrpflichtig (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.7.2014). Jedoch können sich syrische Männer, die im Ausland leben, vom Wehrdienst in der Syrischen Armee freikaufen (vgl.: Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 2. Januar 2017 im Verfahren 5 K 7480/16.A, S. 6; Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee“, Auskunft vom 30. Juli 2014, S. 2/3). Dies hat der Kläger zu 1. gemacht, da er im Ausland (Dubai) lebte. Zwar gibt es Erkenntnisse, dass die Freistellungsregelungen manchmal nicht mehr akzeptiert werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee“, Auskunft vom 28. März 2015). Nachdem die Freistellung des Klägers zu 1. offiziell im Militärheft festgehalten ist, ist er jedoch mit der Freistellungsregelung des „einzigen Sohnes“ vergleichbar. Hierzu wird in den Erkenntnismitteln ausgeführt, dass zwar die tatsächliche Umsetzung je nach Situation willkürlich gehandhabt wird und es keine Garantie gebe, dass die Gesetze respektiert werden, da das Rechtssystem in Syrien nicht intakt ist. Auch gibt es Fälle, bei denen an den Checkpoints trotz der Freistellung vom Militärdienst die Einziehung angedroht wird, um Bestechungsgelder zu erpressen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Syrien: Umsetzung der Freistellung vom Militärdienst als „einziger Sohn“, 20.10.2015). Allerdings wird auch nach Einschätzung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe die Freistellungsregel im Prinzip noch immer umgesetzt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche zu Syrien: Umsetzung der Freistellung vom Militärdienst als „einziger Sohn“, 20.10.2015).
Es ist daher nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien damit rechnen muss, vom syrischen Staat in Anknüpfung an eine ihm wegen der Ausreise aus Syrien unterstellten politischen Gesinnung verfolgt zu werden (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2016 – 21 B 16.30371 – juris). Dies gilt auch insbesondere deshalb, da der Kläger ursprünglich nicht illegal aus Syrien ausgereist ist und jahrelang vor der Einreise nach Deutschland nicht mehr in Syrien lebte.
Andere gefahrerhöhende Umstände wurden weder vorgebracht noch sind solche ersichtlich.
3. Die einschlägigen Voraussetzungen für die Annahme der Flüchtlingseigenschaft und deren förmliche Zuerkennung liegen bei der Klägerin zu 2. nicht vor. Die Klägerin zu 2. ist weder vorverfolgt ausgereist noch liegt ein beachtlicher Nachfluchttatbestand vor (§ 28 Abs. 1a AsylG).
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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